Die letzte Vinyl-Auskopplung vom brillanten Album “Midtown 120 Blues“, dessen wegweisende Strahlkraft man inmitten des großen aktuellen House-Einerleis gar nicht genug unterstreichen kann. Alle die das nicht tun, haben entweder ein schlechtes Gewissen oder warten darauf, dass endlich wieder was anderes saisonal ausgerufen wird, und sie sich nicht mehr mit diesen elendigen Harmonien abmühen müssen, diesem Tiefediktat, und überhaupt mit der ganzen Kratzbürstigkeit derjenigen, die den Wagen unbeirrt schon seit Jahren fahren auf den man gerade mal so halb aufspringen konnte. Natürlich richtet Thaemlitz seinen gerechten Zorn genau an diese Adressen, und wohl hat er seine Diskursideen schon viel komplexeren Kontexten eingeimpft, aber von der konsequenten Umsetzung seiner Kritik mit seiner eigenen Idee von House hätte sich in einer gerechten Welt so schnell keiner erholen können. Es sei denn, man redet sich mit einem wackeligen Aktualitätsgebot heraus und macht wieder hohle Party. Den Remixer von „Grand Central Pt. 1“ betrifft das jedenfalls keineswegs, denn Danilo Plessow setzt hier seinen Motor City Drum Ensemble-Höhenflug fort, und ersetzt ohne große Intensitätseinbußen die Fragilität des Originals mit dem massiven Bass-Wumms und House-Orgelakkorden des New York Sounds, mit dem man schon vor Jahren den Ignoranten ordentlich vor den Karren fahren konnte, die House pauschal als Luschenmusik ächteten. Die Hoffnung stirbt immer zuletzt.
Die Divenschnipsel und die wohligen Flächen können bei vielen Trittbrettfahrern der House-Wiederkehr nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der aseptische Grundklang nur schwerlich mit den tradierten Grundfesten des Sounds vereinbaren lässt, und sich entsprechend auch nur rudimentär von der Preset-Beliebigkeit der TechHouse-Schwemme der letzten Jahre unterscheidet. In der Flut solcher Missverständnisse ragen schon seit geraumer die Produktionen vom Stuttgarter Boy Wonder Danilo Plessow heraus, der eben genau jene notwendige Emotionalität und Dreck in seine Tracks impft. Die Geschichte mit House und dem Feeling halt.
Wobei es eigentlich seit der Teenie-Genese von etwa Ron Trents Frühwerk nicht weiter verwundern sollte, dass jemand in jungen Jahren schon dieses Feeling aufweist. “Das Thema mit dem Alter ist zwar schon in Inverse Cinematics-Zeiten überstrapaziert worden, aber trotzdem: ich habe schon sehr früh angefangen, Musik zu machen. Erst am Schlagzeug, dann mit billigen Software-Sequencern. So sind die ersten Releases auf Pulver entstanden. Durch Jazzschlagzeug und die Liebe zu Hip Hop und das Finden von Samples begann die Suche nach Jazzplatten. Ich bin in einer Kleinstadt mit nur einem Plattenladen aufgewachsen, aber da der Typ auf Death Metal spezialisiert war, konnte ich mit Schülergeld an einige Schätze kommen. Unter meinen ersten fünf LPs waren John Coltranes “Love Supreme”, The Awakening auf Black Jazz Records und auch Moodymanns “Silent Introduction”, wobei mir letztere erst mit 15, 16 Jahren, nach dem ersten Clubbesuch, so richtig als Meisterwerk bewusst wurde. Das war noch in den Anfangszeiten des Internets, d. h. man hatte noch nicht die Möglichkeiten in Sekunden an jedes Release zu kommen, war auch gut so. Ich hatte also nur meinen kleinen Mikrokosmos aus wenigen Platten, die ich immer wieder hörte, und ich hatte Glück, die richtigen für mich zu erwischen.“ Read the rest of this entry »
Zum vierten Mal schiebt sich Four Roses nach vorn, zum zweiten Mal mit Danilo Plessow, der hier auf dem Titeltrack eine Sehnsucht nach flächendeckender Strobohypnose auslebt, mit erneut gewichtigen Ergebnissen. „Sun Sequence“ schwingt wie ein außer Kontrolle geratenes, überdimensioniertes Pendel über den Köpfen, stoisch und schwer. Die Sonne, um die es hier geht, hat nicht mehr viel Amtszeit vor sich und die Signale treffen mit einiger Verspätung, aber umso massiverer Wirkung ein. „Feel The Love“ ist ähnlich dunkel, kommt aber eher aus einem tiefen Gewölbe nach oben, wo es sich dann unvermutet als schwarzseidener Spotlight-Hustler entpuppt. Die Liebe, um die es hier geht, hat auch keine Zeit zu verlieren. Ein Blick muss reichen. Und reicht.
Danilo Plessow demonstriert mit einnehmenden Resultaten, dass der entscheidende Qualitätsunterschied bei modernen Deep House-Schubern nach wie vor darin besteht, wie man seine Soundideen und Referenzen einsetzt und strukturiert. Bei „Breath Control“ transportiert er eine gute Dosis Früh90er-NYC-TechHouse in Bass, Beats und Flächen ins Jetzt und koppelt das mit zeitgenössisch blitzender Klangausprägung, die auffällig sicher an den einladenden Genreklischees vorbeigeht. Noch besser klingt das bei „Escape To Nowhere“, das sich mit unten wandernden Reese-Bässen und flirrenden Melodieschlieren nach und nach in Bewegung setzt und dann in einem Fahrstuhl mit kaputter AI dem unbekannten Ziel entgegengleitet. Was dann passiert, wenn sich irgendwann die Tür wieder öffnet, möchte man fast gar nicht wissen.
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