„Liquid Air“ erschien 1992, also zwei Jahre vor Eröffnung des Ultraschalls. War der Track wichtig bei den vorhergehenden Underworld-Parties, und dann auch noch im Ultraschall?
Monika Kruse: Air Liquide waren sehr oft als Live Act im ersten Ultraschall gebucht, irgendwie gehörten sie fast mit zur Familie. Der Track „Air Liquide“ war jetzt sicherlich nicht im weitläufigen Sinne ein großer Hit, aber er spiegelte den Sound vom Ultraschall und Air Liquide sehr gut wider.
Robert Armani – Circus Bells (Hardfloor Remix) (Djax-Up-Beats, 1993)
Dieser Track ist eine kongeniale Verbindung von Techno aus Chicago und Deutschland. Spielten solche kulturellen Transfers eine Rolle in der Münchner Szene? Und wie wichtig waren 303-Sounds?
Acid spielte natürlich ein große Rolle, aber eine größere Rolle spielte immer noch der Sound von Chicago und Detroit. Der Hardfloor-Remix von „Circus Bells“ hat beide Richtungen perfekt repräsentiert.
Wiener Techno Artists brachten Platten auf Upstarts in München ansässigem Label Disko B heraus. Gab es da eine Achse zwischen den beiden Städten, inklusive wechselseitiger Beeinflussung und Zusammenarbeit?
Es fand ein großer Austausch zwischen den Wiener Künstlern der sogenannten Cheap-Posse und dem Label Disko B statt. Upstart, einer der Ultraschall-Besitzer, dem auch das Label Disko B gehört, buchte gerne die ganze Posse um Patrick Pulsinger herum, wir wiederum fuhren auch für Disko B-Nächte nach Österreich. Wenn die Österreicher bei uns spielten, war das Überraschungsmoment immer gegeben, entweder total morbide Tracks, dann wieder seriöser Techno, oder auch mal House. Diese Alles-ist-möglich-Haltung im Sound der Österreicher war dem Ultraschall-Spirit sehr nahe.
K. Hand – Global Warning (Warp, 1994)
Ein klassischer Techno-Banger aus Detroit. War das ein Track, der für dich spezifisch für das erste Ultraschall ist?
Definitiv war das der Sound der Zeit des ersten Ultraschalls. Viele Künstler aus Detroit wurden damals gebucht, beispielsweise spielte am Eröffnungsabend Jeff Mills. Aber auch DJs wie K. Hand, Underground Resistance, Robert Hood, Juan Atkins und andere waren regelmäßige Gäste.
DBX – Losing Control (Accelerate, 1994)
Daniel Bells „Losing Control“ war ja ein international übergreifender Club-Hit. Welche Rolle spielte der Track im Ultraschall?
Für mich steht der Track eher für das gesamte Feeling, das wir im Ultraschall hatten . „I am losing control“. Da spielten DJs in der Gästetoilette, Robert Görl ( DAF) machte einen zehnstündigen Liveact genau an der Eingangstür, Matthew Herbert sampelte Chipstüten für sein Live-Set und einmal stand auf dem Dancefloor am Ambient-Wochenende ein Riesenbett. Jedes Wochenende passierte irgendetwas in diesem Club, was dir als Gast und als DJ das Gefühl gab, komplett weg aus der Realität zu sein, und die Kontrolle des Alltags abzugeben. Dazu passte der Track natürlich extrem gut!
Im Sommer 1996 schloss das erste Ultraschall, und das zweite eröffnete wenige Monate später. Markiert dieser Detroit Electro-Klassiker diesen Übergang?
Das würde ich so nicht sagen. Der Grund, dass das erste Ultraschall geschlossen wurde, war ja weil der Vertrag auslief, soviel ich weiß. „Pornoactress“ war einfach ein toller Track , der von uns oft gespielt wurde, hat jetzt aber nicht irgendein Ende oder einen Neuanfang eingeleitet. Damals spielte man einfach viel mehr Electro, Electro Boogie und sogar auch mal Drum & Bass.
I-F – Space Invaders Are Smoking Grass (Viewlexx, 1997)
Nochmal Electro, diesmal aus Holland. In jenen Jahren formulierte sich diese Mischung aus Electro, New Wave, Disco und Techno, die Hell dann auf seinem Label International Deejay Gigolos bündelte. Wurden die Weichen dafür im Ultraschall gestellt?
Das Ultraschall war immer sehr offen für alle Arten von Stilen. Wir Resident DJs wie Cpt. Reality, Lester Jones, DJ Hell, DJ Barbara Preisinger und ich hatten alle unseren eigenen Stil. Dazu kam dann noch das Booking der Gast-Djs, die den Sound noch spezieller machten. Ich glaube das Ultraschall hat viele Weichen für Labels und spätere Clubs gestellt , aber auch die einzelnen DJs haben durch ihren Stil das Ultraschall geprägt.
Grungerman – Fackeln Im Sturm (Profan, 1997)
Spielte die Kölner Auslegung von Minimal Techno eine besondere Rolle im Club, oder bezieht sich die Wahl dieses Tracks eher auf das Wirken von Wolfgang Voigt in dieser Zeit? Und mochte man in München diesen Humor?
Oh ja , im Ultraschall liebte man den Kölner Humor und überhaupt generell die ganzen Kölner DJ- und Produzenten-Szene. Ich betone das Ultraschall, ich würde das nicht auf die gesamte Münchner Techno-Szene übertragen. Das erste Ultraschall war immer eine Insel. Zwar lag der Club bei München, am ehemaligen Flughafen Riem, aber die Lage war wie der Club selbst, nämlich abseits. Der Club und sein Sound, die Gäste waren irgendwie so unmünchnerisch. Eher links, alternativ, punkig, verrückt. Somit passte der Kölner Sound, der auch sehr eigen war, da wunderbar rein. Mike Ink, Michael Meyer, Burger, Reinhardt Voigt etc. waren gern gesehene Gäste, und ihre Tracks liefen oft im Ultraschall.
Richard Bartz – Ghettoblaster (Kurbel, 1997)
Richard Bartz war sicherlich ein integraler Bestandteil der Geschichte des Ultraschalls. Wurde seine Musik durch den Club geformt, oder war es auch umgekehrt?
Ich glaube, dass er sich damals mit 17 Jahren schon in den Club geschlichen hatte und definitiv von dem Sound, der Wildheit, und dem ganzen Spielraum inspiriert war. Dadurch dass er später auf Disko B selber veröffentlichte und auch Produzent von DJ Hell wurde, hat er sicherlich auch wiederum etwas zur Soundgestaltung des Clubs beigetragen.
Johannes Heil – Paranoid Dancer (DJ Hell Remix) (Kanzleramt, 2002)
Das Ultraschall schloss im Januar 2003. War dieser Track ein definitiver Hit, der für die Endphase des Club steht?
Ich habe den Track eher aus dem Aspekt gewählt, dass er genau dem früheren DJ Hell- und Johannes Heil-Sound entspricht, bzw. einfach das Techno-Feeling der letzten Ultraschall-Jahre gut wiedergibt. Etwas düster, und wir waren natürlich alle etwas paranoid in München, als das zweite Ultraschall dann plötzlich mitten in der Stadt aufgemacht hatte, und die Polizei uns Raver nicht mit Samthandschuhen angefasst hat.
Finn Johannsen (Macro, Berlin)
Hugo Capablanca (Discos Capablanca, Berlin)
Marvin / tell you taxidriver (Munich)
Bernhard Tobola
Simon Riegler
Armin Schmelz
Es gibt sicherlich etliche Wege um auf die Musik von Soft Cell zu stoßen. Wie war es bei Dir?
“Tainted Love” kam ja im Sommer 1981 raus und hat mich, als ich es im Radio gehört habe, sofort fasziniert. Das stach irgendwie heraus. Ähnlich wie früher “I Feel Love” oder Kraftwerk. Das machte im Hit-Radio plötzlich eine ganz neue Welt auf. Zwar gab es schon Bands, die ähnlich agierten und klangen, aber die waren zumindest in Österreich nur in Spezialsendungen wie “Musicbox” zu hören. Aber Soft Cell konnte ich sogar vor dem Weg in die Schule beim Frühstück aus dem Radio hören. Das ist ja auch etwas anderes, als wenn du dir selber Musik auflegst. Solche Pop-Momente kannst du nicht selber initiieren. “Tainted Love” war dann auch die erste Single, die ich mir wirklich mit so einem nicht mehr ganz so schwammigen Pop-Bewusstsein gekauft habe. Das war ein regelrechter Akt. Sonst hab ich entweder auf die LPs gewartet oder mir die Sachen einfach vom Radio aufgenommen. Dann kam “Non-Stop Erotic Cabaret”. Allein der Titel zog mich an. Der hatte so was Verruchtes, aber auch so einen Gossenglamour, der gut zu meinen sonstigen Vorlieben (Throbbing Gristle, D.A.F., Velvet Underground, Prince, Suicide, The Stooges) passte. Ausschlaggebend war dann die “Sounds”-Kritik von Kid P., wo über “Vaudeville-Tingel-Tangel”, “grelle Schminke und grosse Gefühle”, “kleine Hollywood-Dramen”, “keine saubere Teeny-Fun-Musik” geschrieben wurde. Interessanterweise gab es die LP dann in dem einzigen Laden in Salzburg, der eine kleine Abteilung mit “Punk”/”New Wave” hatte, nicht. Also ging ich in ein klassisches Plattengeschäft, wo ich die LP dann auch gleich fand. Was ja auch toll war. Komische Platten in komischen Läden kaufen ist das eine, komische Platten in sozusagen “normalen” Läden kaufen ist schon was anderes. Das hat durchaus was leicht Subversives. Gerade weil es um eine dezidierte Pop-Platte ging, die ich nun quasi heimlich in einem anderen Laden kaufte. Etwa so wie wenn das Päckchen, das auf dem Cover Marc Almond aus seiner Lederjacke zieht, abgeholt werden würde.
Warum hast Du Dir “Non-Stop Erotic Cabaret” ausgesucht? Was macht das Album für Dich so besonders?
So pathetisch das jetzt auch klingen mag: Ich habe damit endgültig das Land Pop betreten. Und zwar im Hier und Jetzt. Die Wege dorthin waren schon angelegt worden, aber so aktuell Girl-Groups, Phil Spector, Glam, die Walker Brothers, Frank Sinatra und Dean Martin für mich damals auch waren, so sehr tönten sie dennoch aus einer Pop-Vergangenheit. Und bei Soft Cell kam einfach ganz viel zusammen. Vieles, was noch in einer Art wabbrigem Vorbewussten schlummerte, wurde nun klarer und konnte auch benannt werden. Aber es gab auch viel Neues zu entdecken. Sachen, die erst später wichtiger wurden wie Almonds Queerness oder die Connections zur Industrial-Szene. Auch wenn das 1981/82 nicht wirklich im Focus meiner Begeisterung war. Da war es das Opulente plus dem Elektronischen, die durchgängige Tanzbarkeit (die ich nicht erwartet hatte) und dieses Geheimnisvolle. Popmusik mit einer gewissen sublimen Gefährlichkeit. Eher Shangri-Las plus Velvet Underground. Die Platte hat sich durch Jahre hindurch immer wieder fast von selber retroaktiviert und wuchert immer noch über sich selbst hinaus. Auch wenn ich mal länger Abstinenz gehalten habe, hat sich dennoch was getan. Mit Soft Cell hab ich mich dann auch endgütig den großen Pop-Dramen und den in Musik gegossenen Tragödien hingegeben. Was nicht immer auf Verständnis stoß. Aber war mir auch immer Roy Orbison lieber als Nick Cave. Ich hatte durch und mit Soft Cell einen Schatz gefunden, eine Art Geheimnis entdeckt. Die Beschäftigung mit Pop nahm ernsthaftere Züge an. Zudem wollte ich ja auch irgendwie kapieren von was Leute wie Diederichsen bei “Sounds” schrieben, wenn es um so was wunderbar Faszinierendes wie auch hin und wieder Einschüchterndes wie “Pop-Diskurs” ging. Gerade weil Soft Cell überall in den Hitparaden waren und aus fast jedem Radio tönten, also auch vom Mainstream gehört wurden, empfand ich mein clandestines Popgeheimwissen in Sachen Soft Cell schon als Hipness. Weniger im Sinne einer elitären Haltung – ich freute mich ja mit anderen, und dachte auch, jetzt wird es was in Sachen Pop und Revolution, wenn auch nur musikalisch – als eines elitären Wissens. Vielleicht ist das ja auch das immer noch Wichtige an “Non-Stop Erotic Cabaret”: Eine Platte die genau zwischen Teenage und Adoleszenz, zwischen einfach als Fan reinfallen und beginnendem reflexiven Popdenken auf einen zugekommen ist. Mit der es aber auch nie ein Erwachsenwerden geben wird. Wo das Aufgekratzte, nach dem Uplifting, nach der Party zwar reduziert, aber nie ad acta gelegt wird. Zudem waren Soft Cell die einzigen, die das ABBA-T-Shirt von Throbbing Gristles Chris Carter ernstgenommen haben.
Dass ich eigene Lost Weekend-Erfahrungen in “Clubland” in Songs wie “Bedsitter” wieder fand, war aber auch super.
In discussion with Damir Ivic on “Criminal Justice” by D*Note (1995).
D*Note was quite an active project. What made you choose this album out of their varied back catalogue?
Varied, and not always excellent. “Babel”, Matt’s first effort as an album, was excellent, but still naive in some sounds. Breakbeats, for instance – they were quite standard and not so creative, original and classy as they are on “Criminal Justice”, and generally speaking the arrangements were quite keen to the jazzy hip-hop flavour of that era. Later, only some parts of “Fuchsia Dog” matched the unbelievable quality of the first two albums. The rest of the D*Note catalogue is… I wouldn’t say disappointing but… yes, maybe I’m sayin’ it!
On his Myspace page, D*Note’s mastermind Matt Wienevski describes his music as a “cross between Ravel, Miles Davis and Photek”. However high this self-explanation aims, would you agree to some extent?
It’s 100% correct, I think. Plus, there’s room for Michael Nyman. If “Birth Of Cool” was carrying interferences made by Photek and Nyman (and maybe Ravel, ok), we’d have had “Criminal Justice” decades ago. Hey, I perfectly realize that these words sound TOO big. But please, listen to the album… Read the rest of this entry »
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