Rewind: Carlos de Brito über “Pressin’ On”

Posted: June 28th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Carlos de Brito über “Pressin’ On” von Hidden Agenda (1995).

Wie bist Du auf Hidden Agenda gestoßen? Eine Erstbegnung in der goldenen Ära von Drum ‚n’ Bass?

Es war definitiv die goldene Ära von Drum ‘n’ Bass. Wahrscheinlich bin ich im Dortmunder Plattenladen Entity auf sie gestoßen. Alternativ kann es auch Oliver von Felberts Drum ‘n’ Bass-Kolumne Wildstyle in der Spex gewesen sein. “The Flute Tune” war jedenfalls die Erstbegegnung.

Warum hast Du Dir “Pressin’ On” ausgesucht? Was macht den Track so wichtig für dich? Was ist sein musikalischer Reiz?

Ich hab relativ lange überlegt, welcher Song/Track in ein Format passt, in dem es um Musik geht, die einem viel bedeutet, die sich tief in die persönliche musikalische DNA eingefräst hat. Songs von Wham!, Gang Starr, A Tribe Called Quest, Sonic Youth, Aphex Twin, Moodymann, Theo Parrish und ein paar andere Großmeister standen zur Auswahl, aber dann bin ich bei meiner internen Inventur über diesen Track gestolpert.

Er steht für den Anfang eines Zeitraums von ca. 5-6 Jahren, in dem ich viel Drum ‘n’ Bass gehört habe. Eine Zeit, die übrigens zusammen mit jener fiel, wo sich viele in meinem Umfeld,am Ende der Schulzeit, bewusst/unbewusst entschieden haben, ob man sich weiterhin für neue Musikstile öffnet oder nicht.

Ich erwähne das deshalb, weil mein damaliger Kumpel Rui Fernandes (mit der Kölner Interference Crew nach wie vor in Sachen Drum ‘n’ Bass aktiv) und ich mit unserer Vorliebe für solche Musik in unserer, ähem… peer group auf uns allein gestellt waren. Indie und Grunge waren noch alle mitgegangen, Hip Hop größtenteils auch, bei Mo’Wax und Warp trennte sich schon der Aguardente vom Trester, bei Drum ‘n’ Bass hieß es meist nur noch: “Alter, geh’ mir wech mit dem Scheiß!”

Insofern mussten wir beide alleine ausbaldowern, ob die Platte nun auf 33 oder 45 Umdrehungen abgespielt werden sollte. Der Moment, als ich nach Tagen (oder Wochen?) endlich geschnallt hatte, dass “Pressin’ On” tatsächlich auf 45 Umdrehungen gedacht war und hektisch zum Telefon gerannt bin, um Rui diesen Heureka-Moment zu übermitteln…! Das prägt. Wie bei “Verstehen Sie Spaß?”: Einerseits glücklich, die versteckte Kamera entdeckt zu haben, andererseits tief beschämt, so hinters Licht führt worden zu sein! Ich bin froh, kürzlich erst erfahren zu haben, dass beispielsweise auch Leute wie Martyn – wie er kürzlich bei seiner Lecture im Rahmen der Red Bull Music Academy in Lissabon erklärte – ähnliche Erlebnisse hatten.

Wahrscheinlich habe ich deshalb “Pressin’ On” ausgewählt. Davon abgesehen ist das nach wie vor ein Knaller. Read the rest of this entry »