V. A. – Solid Steel Presents Bonobo – It Came From The Sea (Ninja Tune)

Posted: November 7th, 2005 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Bonobo aus Brighton mit dem neuesten Kapitel aus der Mutter aller eklektischen Mix-Shows. Geboten wird überwiegend freundlicher Broken Beat mit mehreren Eigenproduktionen sowie Leihgaben im Feld von Nat Adderley, Trouble Man bis Amon Tobin. Mit stilistischer Kohärenz geht es um vor allem Funk und Nu Jazz, im Gegensatz zu den Vorgängern aber mit deutlich weniger Mash-Up-Appeal. Genau diese Freistilübungen fehlen aber auch ein wenig, in den ganz gefälligen Momenten fühlt man sich so fast in zeitgeistige Lebensgefühl-Werbespots transportiert. Irgendwie werden in diesem Kontext nie Inspirationsquellen benutzt, die ein wenig unzugänglicher sind. Jazz darf beispielsweise aber gerne anstrengend sein. Es ist aber schlüssig wie hier ein bestimmtes Spektrum abgetastet wird, man will ja auch nicht immer überrascht werden.

De:Bug 11/05


DJ Naughty – One Night In Berlin (Eskimo Recordings)

Posted: October 7th, 2005 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Der Alt-Gigolo mit dem schon immer etwas flexibleren Spektrum, sich der Hauptstadt im Mix annähernd. Inwiefern das jetzt repräsentativ ist, möge der interessierte Hörer im Vergleich mit dem favorisierten Club abgleichen. Laut Naughty verlangt der Anlass aufzuzeigen, wie schön sich neuerer Electro-House-Boompty der Marke Tiga, Vitalic, Ewan Pearson, M.A.N.D.Y., Thomas Anderson und ähnlichem mit ein paar originalen Perlen der elektronischen Seite von Disco und House aus der Jack-Phase verbinden lässt. Für den Sequencer in der Disco stehen hier eingangs einer von Rick James’ unbedarfteren Momenten (‚In My House’), Proto-Balihu-Space-Kitsch von Patrick Cowley (‚Sea Hunt’) und schöner Italo von Eleanor Academia, für Jack halten Bam Bam, J.M. Silk und das unverwüstliche Boller-Acapella von ‚Love Can’t Turn Around’ hin. Tatsächlich ergibt das durchaus Sinn, die Originale machen es vor und die Fortführungen berufen sich darauf. Etliche Tracks sind zudem von Naughty zweckdienlich editiert worden, Zeichen der Zeit erkannt. Unterstreicht die Auswahl der Old School-Tracks jetzt deren Zeitlosigkeit und die Auswahl der neueren Tracks deren legitime Nachfolgerschaft? Tatsächlich ist in diesem Mix die Anordnung und die Soundangleichung so weit fortgeschritten, dass ein zeitlicher Kontext keine wirkliche Rolle spielt. Auf der Basis kann man dann locker die geeigneten Eckpfeiler Disco, Synthiepop, Techno, Electro, Jack, EBM, Acid, Garage und Indierock (Chikinki in der Rolle des gewagten Ausreißers) zueinander führen ohne dass man gravierend ins Stutzen kommt. Das ist dann kohärent, funktioniert und folgt im angemessenen Umfang der gegenwärtigen diffusen Auffassung von Dancefloor-Glam. Ich weiß nicht, ob das Phuture-hafte MCing zwischendurch Naughty höchstselbst ist und ob das nur auf der Promo ist, fand ich charmant

De:Bug 10/05


Groove Junkies – House Of Om (Om Records)

Posted: October 7th, 2005 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

In punkto House aus San Francisco haben es Naked Music mit etwas orientierungslosen Anbiederungen vorerst verbockt aber bei dem anderen örtlichen Franchiseunternehmen dampft der Choo Choo Train stoisch weiter gen Garagehausen. Gefällig unauffällig präsentieren die Groove Junkies (toller Name) einen Mix, der auf zwei CDs die Phasen eines Clubsets von 10 P.M. bis 4 A.M. suggerieren will. Beim Versuch gravierende Unterschiede beim ersten Set auszumachen, möchte ich mich darauf festlegen, dass erstmal eine gewisse Soulfulness ausgerufen werden musste, sachte sinnstiftend unterstützt von Ausrufen an alle die jemals unnervig Saxofon, Gitarre oder Rhodes bedient haben, also voll Jazz sind. Die Tanzfläche füllt sich dann wenn sich zunehmend vor den Urahnen verbeugt wird, erkennbar an den perkussiven Elementen. Den anderen Altvorderen wird mit etwas Disco gehuldigt, aber noch nicht übertreiben. Etwas Rio noch dazu, für diese beschwingte Leichtigkeit. Ab 1 A.M. dann ab dafür, die Ingredenzien siehe exakt die drei Stunden davor, jetzt aber mit mehr Schmackes. Nun wird weniger gesungen, da ist man fast erleichtert, denn Garage ohne gute Songs kann ja so trist sein. Stattdessen gibt es mehr Anweisungen, als Acapella von ‚Moonraker’ bis ‚Walking On Sunshine’ und diversen Chants. Die Effekt-Plugins werden jetzt ausprobiert. Die Tracks kommen insgesamt von Leuten wie Miguel Migs, Blaze, DJ Spen, Knee Deep und ähnlichem Kaliber. Kerri Chandler einmal mehr mit Bar A Thym, Reese Project mit einem geradezu erschütternden Zeugnis verlorener Magie. Alles unverhohlen hohl, stockkonservativ und spießig bis ins Mark und in etwa so funky wie Shakatak.

De:Bug 10/05


Pigna People – Let Em Talk (Pigna)

Posted: October 7th, 2005 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Album von den Labelverantwortlichen Marco Passarani, Francesco De Bellis und Mario Pierro, das ein paar bereits veröffentlichte und neue Produktionen versammelt, inklusive Bonus Mix CD mit den Perlen des Backkataloges. Die Tracks holen sich wie gehabt die besten Klänge aus einem Referenzsystem irgendwo zwischen Vince Clarke, Tony Carrasco, Steve Poindexter und Carl Craig und setzen diese in ein Modell, das in seiner klatschenden Stromlinienförmigkeit durch die Bank nach vorne geht und fast lässig den Mangel an Verständnis und Können bei anderen Leuten mit den gleichen Vorbildern unterstreicht. Wo bei so mancher oldschooligen Neu-Produktion nur noch Stereotypen verwaltet werden, gehen Pigna People vor allem erstmal von sehr zeitgemäßen Rhythmen aus, auf die dann in entspannter Vorsortierung die Sounds montiert werden, die du an den älteren Platten in deiner Sammlung immer so geliebt hast. Dass das so gut hinhaut kann daran liegen, dass bei den Stücken nicht Epochenausschnitte für sich selbst bleiben, sondern frei kombiniert werden. Der grundlegende Groove ist keine Reminiszenz, sondern ein eigener Entwurf und darauf tummelt sich, was gerade passt. Acid trifft Electric Funk, Italo trift Detroit und Virgo trifft Yazoo. Das ist alles offen genug dargelegt, um ansteckend zu wirken, ist aber auch clever genug arrangiert um dem vordergründigen Nummernrevue-Charakter aus dem Weg zu gehen, der bei anderen Retro-Produktionen neueren Datums schon ab Werk geliefert wird. Die Naivität und die schlampige Funkiness mancher Vorbilder findet man nun nicht mehr, aber trotzdem, dieses Album zeigt den nötigen Respekt und hat gleichermaßen ausreichend Auslage in der eigenen Frischetheke.

De:Bug 10/05


Roy Ayers – Tarzan / Funk In The Hole Remixes (BBE)

Posted: October 7th, 2005 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , , , , , | No Comments »

Die erste von drei Doppel-EPs, sozusagen der Vorwaschgang des Anfang nächsten Jahres erscheinenden Albums ‘Virgin Ubiquity – Remixed’. Das Erbe des Altmeisters soll natürlich würdig gepflegt werden, also lässt man nicht David Morales ‚Running Away’ für den Main Floor aufbocken, aber IDM-Dekonstruktionen stehen auch nicht gerade an. Eher schon fragt man bei Osunlade an, ob er nicht aus ‚Tarzan’ seinen patentierten hüpfenden Deep House bauen kann, mit afrozentrischer Anbindung und eingebauter Spirituell-Garantie. Das wird Freunde auf den esoterischeren Tanzflächen der Metropolen finden, daher auch gleich in zwei Versionen. Für den Nu Yorica-Bereich macht Aloe Blacc von Stones Throw aus ‚Liquid Love’ einen relaxten Latin-Shuffle, die Platinum Pied Pipers denken sich ‚Funk In The Hole’ als kompakten Jazz Funk Boogie der sich ulkig zäh im Groove dahin zieht, Sunshine wird von Amalgamation Of Soundz eigentlich nur mit etwas prägnanteren Slow-Jam-Beats versehen, Nicolay denkt sich ‚Funk In The Hole’ als kompakten Jazz Funk Boogie der noch ein paar zackige Disco-Strings und Keyboard-Schwurbel à la Manzel in petto hat und Jeremy Newall zum Abschluss noch mal Boogie, in seiner Authentizität glatt als huldigender Re-Edit durchgehend. Das alles ist überwiegend so penibel am Erwartungshorizont austariert, dass man sich fragt ob ein bisschen Main Floor oder Dekonstruktionen wirklich zuviel Salz in der Suppe gewesen wären.

De:Bug 10/05


V.A. – Chromeo Presents Un Joli Mix Pour Toi (Eskimo Recordings)

Posted: October 7th, 2005 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Chromeo aus Kanada mit einem eleganten Mix, dessen Trackauswahl sich auf die Zeit konzentriert als Disco schon etwas länger synthetisiert war und sich die nächste Stufe mit Electro bereits ankündigte, Ausblick auf frühen House inbegriffen. Also in etwa der Sound, den ein junger Jellybean propagierte, von der Kanzel die junge Madonna auf der Tanzfläche fixierend, New York-Freestyle der frühen 80er mit Pop- und Latin-Anbindung und reichlich Street Cred. Alle stilprägenden Elemente sind ausreichend vorhanden; effektbeladener, körperloser Harmoniegesang, Space-Effekte, seifige Synthsounds, knackige Rhythmen, ein letzter Rest Nile Rodgers-Funkiness bevor die Breakdancer ganz übernehmen. Hier und da Saxophonsprengsel und ein Gitarrensolo und Claps, Claps, Claps. Die Zusammenstellung bewegt sich informiert zwischen Evergreens von Elektrik Funk, Sharon Redd, Kleeer, Herbie Hancock und späteren Electro-Protagonisten wie Michael Jonzun und Warp 9. Dazu gibt es ein paar Pop Artists im passenden Club Mix wie Robert Palmers The System-Coverversion, The Jets oder die Brit-Funk-Dandies Modern Romance und ein paar schöne Checker-Hits von Chemise oder David Grant. Vielleicht hätte man das aus Authentizitätsgründen auch im Stil von den Latin Rascals oder Shep Pettibone im wilden Megamix durchhämmern können um dem Gefühl von der Fahrt ins Funhouse möglichst nahe zu kommen aber so wie Chromeo die Stücke hier slick blenden und cutten hat alles genug Luft, um sich dauerhaft im Gehör festzusetzen. Und dann fühlt man sich schon angestiftet, bei der nächsten Digger-Ausfahrt diese obskuren 80er 12“s von irgendwelchen Latino-Typen etwas genauer in Augenschein zu nehmen.

De:Bug 10/05


V.A. – Extra (Studio K7)

Posted: October 7th, 2005 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Die Umschichtung der Formatprioritäten und die Klingelton-Krise der Musiksender haben eine fruchtbare Brache hinterlassen, in der sich das Medium Musik-Clip nun mehr und mehr als Special-Interest DVD wieder findet. Kreative Speerspitzen mit krediblem Backstock wie Jonze, Gondry, Cunningham und Konsorten setzen sich die Retrospektiven gleich selber, von Paradise Garage, Sheffield-Wave bis hin zu Genialem Dilettantismus bekommt jede einflussreiche Periode der Popgeschichte ihre Dokumentation. Da die Viacom-Familie seit geraumer Zeit sowieso eher jeden Quatsch außer Musikvideos sendet, bietet es sich natürlich an, Sendungen wie Electronic Beats als Slices fortzuführen oder wie hier eine ‚Selection Of Outstanding Electronic Music Videos’ zu kompilieren. Es stellt sich die Frage, ob elektronische Musikclips per se schon künstlerischen Renegatentum-Mehrwert innehaben weil man sie im Fernsehprogramm mit der Lupe suchen muss. Bestimmt das Nischendasein auch die Freiräume in der Konzeption und wie nutzt man das? Die Clips auf dieser DVD bieten recht vielfältiges Anschauungsmaterial, doch manchmal fragt man sich, warum die Regisseure jedem Glitch visuell entsprechen müssen oder ob die Bildsprache da eigentlich wirklich so advanced ist wie sie tut. Die vorhandenen Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit werden zuweilen von den Infos im Booklet erst recht unterstrichen, wo man mit Superlativen und Referenzen von Eisenstein, Caspar David Friedrich bis Warhol eingebettet in einen großzügigen popkulturellen Kontext, nur so um sich schmeißt. Tatsächlich muten aber, wenn auch auf dem technisch neuesten Stand, einige Clips wie Coverversionen von Stephen R. Johnson oder Godley & Creme an, versetzt mit Mandelbrot-Flair (Bleip – Clicks), quietschbuntem Allerlei oder Stop And Go-Trickrobotern wie von Ata Tak (Bogdan Raczynski – Ahou Bouken). In narrativen Momenten orientiert man sich zuweilen an Dunkel-Tech-Paranoia vom Schlage eines Darren Aronofsky (Slam – Alien Radio). Wong Kar-Wai punktet souverän mit einer 1:1 Direktübertragung seiner Kinoarbeiten für DJ Shadow, das schöne Gebrüder Grimm meets Kompakt-Video vom Superpitcher ist enthalten, die Imbisstypen in Richard Anthonys Clip für Garniers rotgesichtigen Mann sind immer noch lustig und Designers Republic haben für Funkstörung einen formschönen Update von Sign Of The Times fabriziert, inklusive Nerd-Statistiken und schamloser Promotion, in grauer Vorzeit ja mal Sinn und Zweck des Mediums. Nun aber ist es Art, baby, in your face.

De:Bug 10/05


V. A. – Wicked Weekend (Slip ‚N’ Slide)

Posted: October 7th, 2005 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Für alle die sich fragen, was britische Lizenznehmerlabels der gehobenen Mittelklasse heute so treiben, hier ein Zwischenstand. Aseptisch zusammen geschoben von einem Dienstleister namens Christian Larsson wird munter das möglichst heftige Wochenende ausgerufen, welches natürlich total f-u-n-k-y ist. Daraus ergibt sich ein Purgatorium aus Elementen, die Engländer schon immer wahnsinnig aufregend und wochenendhaft fanden: Klimperpianos, ausladende Breaks mit Trommelwirbeln und zerhackten Divenstimmen, dazu filtrige Disco-Harmonien die so weit von ihren Quellen entfernt sind, dass man nicht mal mehr von Samples sprechen kann. Erstaunlich wie man so störrisch an dem Großraumsound der mittleren 90er Jahre festhalten kann, der Phase also als House komplett ideenfrei vor sich hin polterte. Der Tod der Superclubs war eine Falschmeldung, es will nicht enden. Wie um die unerschütterliche Effizienz dieses grinsdämlichen Mahlstroms endgültig zu demonstrieren, rauschen ein paar Namen wie Eric Kupper, Blaze, Paul Johnson oder Kerri Chandler vorbei, mit denen man voreinst die gehobenen Tickets im Clubtourismus verbunden hat und nicht die Holzklasse. In diesem Format macht das alles keinen Unterschied. Eigentlich kann sich niemand sicher sein, dass nicht demnächst zu seinen Klängen fröhlich die Handtasche umrundet wird. Die Hipster, die zur Zeit die Wiederkehr des eklektischen Balearic-Sounds der stilprägenden alten Schule als nächste Zündstufe wissender Kulturverwaltung betreiben, sind wohl vorerst noch auf verlorenem Posten.

De:Bug 10/05


Peter Shapiro: Turn The Beat Around – The Secret History Of Disco (Faber And Faber)

Posted: August 7th, 2005 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Nach langer Stagnation ist die Disco-Geschichtsschreibung mittlerweile in vollem Gang. Gültig waren auf Jahre hin die in der klassischen Ära entstandenen Werke von Kitty Hanson und Albert Goldman, doch nun ist genug Zeit verstrichen, um sich genauer mit dem diffusen Phänomen Disco zu befassen, was angesichts der Hartnäckigkeit der mit dem Sound und dem Lifestyle verbundenen Traditionen und Mythen auch durchaus angebracht erscheint. Peter Shapiro, Wire-Autor und Verfasser von einigen dieser Rough Guides im Taschenformat, hat gegenüber dem eher systematisch-informativen Ansatz von Brewster/Broughton und der detailliert-eingrenzenden Herangehensweise von Lawrence den Ehrgeiz, Disco in möglichst viele kultur- und sozialgeschichtliche Einzelteile zu zerlegen. Er greift sich Aspekte wie beispielsweise Wurzeln, Musik-Charakteristika, Sexualität oder Kultur-Kontext heraus und gibt dann mittels eigener Analysen oder Interviews alles wieder, was ihm im direkten Zusammenhang erwähnenswert erscheint. Dementsprechend ist der Text keine linear-chronologische Abfolge der Geschehnisse, sondern ein Gesamtbild, das sich bei allen Zwischenhalten die erforderlichen Informationen und Schlussfolgerungen zusammen sammelt. Das hat den Vorteil, dass er sich nicht in nerdiger Ausführlichkeit verzettelt und dennoch eine komprimierte Annäherung schafft, in der alle wichtigen Namen und Ereignisse fallen. Gebündelt mit einem enthusiastischen Stil bis zum häufigen Fan-Superlativ fängt er den Laien auf, der angesichts der gebotenen Informationsfülle den Faden verlieren könnte und grenzt sich gegenüber den Konkurrenten im Forschungsgebiet ab, indem er aktuelleren Themen wie Hi-NRG, Euro-, Italo- und Cosmic Disco sowie Post-Punk den angemessenen Raum einräumt und einen Epilog zum aktuellen Stand der Dinge im Gespräch mit Daniel Wang anschließt. Somit als Kompletteinführung für Novizen als auch als Informationsergänzung für Kenner geeignet.

De:Bug 08/05


Anthony Haden-Guest – The Last Party – Studio 54, Disco, And The Culture Of The Night

Posted: December 7th, 2004 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Der Journalist, Cartoonist und Schriftsteller Haden-Guest betreibt mit The Last Party eine persönliche Aufarbeitung New Yorker Nightlife-Kultur von der Eröffnung der ersten Disco Clubs Mitte der 70er Jahre bis zu den Großclubs Mitte der 90er Jahre. Schwerpunkt und Fallbeispiel ist dabei der Aufstieg und Niedergang vom Studio 54 bzw. dessen Betreibern Steve Rubell und Ian Schrager. Als eine Art mehr oder weniger beteiligter Chronist Tom Wolfe’scher Prägung und regelmäßiger Gast gelangt er zu detaillierten Eindrücken vor und hinter den Kulissen und schob damit eine Wiederbelebung öffentlichen Interesses an der klassischen Disco-Ära an, die dann auch Hollywood 1998 mit den Filmen Studio 54 und Last Days Of Disco aufgriff. Ein Blick in den Index offenbart augenblicklich, worum es dem Autor geht; musikalische Protagonisten und DJs stehen in einem ausgeprägten Missverhältnis zu all den Celebrities, die den Ruf der Discoclubs als Hort von Glitz und Glamour begründeten. Auf eine Schwadron von Anekdoten über Truman, Bianca, Liza und Andy kommen nur ein paar über Nile, Larry oder Richie Kaczor, immerhin der langjährige Resident DJ des Studio 54. Francis, Nicky, Walter oder Francois finden gar nicht erst statt. Die Musik als Soundtrack des Ganzen gerät sehr arg zur Hintergrundbeschallung. Dennoch gelingt Haden-Guest bei allem Namedropping eine authentische Darstellung des Promi-Faktors und der nächtlichen Exzesse, beides natürlich auch ein wesentlicher Bestandteil des Phänomens Disco. Vor allem am Beispiel von Steve Rubell und dem Clubkid-Killer Michael Alig erhält man interessante Einblicke in drogenvernebelte Hybris und dessen Konsequenzen, denn beträchtliche Episoden des Buches befassen sich mit den gerichtlichen Auseinandersetzungen der Nightlords mit den Behörden, welche letztendlich die heutige repressive Situation nach Guiliani vorwegnahmen. Haden-Guests snobistisch-abgeklärter Kolumnenstil transportiert den Hedonismus und die Skandale angemessen und sehr unterhaltsam und auf all die Dramen zwischen Samtkordel und Katakomben des Studios gibt es durchaus auch Einblicke auf die andere Seite der Discokugel, da er seiner Szene-Entourage auch in alternative Läden wie Mudd Club, Mine Shaft oder Hurrah’s folgt. Wenn auch sein Augenmerk eher auf Neil Bogarts Casablanca Records liegt, fällt dann eben auch Michael Zilkhas ZE Records ab. The Last Party ist folglich eine prächtige Sittenchronik, die bei allem Klatsch einen Gutteil an Disco-Wissen abwirft, ich wusste zum Beispiel vorher nicht, dass Kevin Kline bei Cristinas ‚Disco Clone’ den männlichen Part sprechsingt. Plattensammler und Kulturhistoriker mit dem Schwerpunkt DJ-Kultur müssen dennoch weitgehend woanders nachschlagen.

De:Bug 12/04