5 Remixe

Posted: June 23rd, 2011 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , | No Comments »

Inner Life

Ain’t No Mountain High Enough (The Garage Version) (1981)

Schon die 1970er-Version von Diana Ross war ein Klassiker der frühmorgendlichen Sleaze-Phase legendärer Clubs und DJs, aber erst die vom Disco-Wunderproduzenten Patrick Adams betreute Interpretation legte das ganze hymnische Potential des Songs frei. Von Jocelyn Brown geschmettert, klang die Musik nun tatsächlich im gleichen Maßstab wie die Naturgewalten im Text, und Larry Levan legte in seinem Remix noch etliche Schippen drauf. Ein unsterbliches Denkmal, für ihn, die Paradise Garage, und Disco überhaupt.

 

Kraftwerk

Tour de France (François Kevorkian Remix) (1984)

Ein sehr beeindruckender Zwischenstand, den Kraftwerk in das jahrelange Warten zwischen “Computerwelt” und „Electric Café“ setzten. Kevorkian gelang es in seinem wenig später folgenden Remix, die fragile Schönheit der Melodie zu bewahren, die noch auf Jahrzehnte die Fernsehbilder über den Lieblingssport der Düsseldorfer begleiten sollte. Aber er unterstrich auch  mit wenigen, aber wirksamen Akzenten die Physikalität des Themas, und brachte den Track in die hedonistischste Höchstleistungszone, den Club.

 

Nicolette Larson

Lotta Love (Jim Burgess Remix) (1978)

1978 gab der Disco-Boom derart dominant den Takt vor, dass Plattenfirmen selbst Neil Young-Songs singenden ehemaligen Neil Young-Backgroundsängerinnen einer Tanzflächenbehandlung unterzogen. Glücklicherweise erhielt hier Jim Burgess den Zuschlag, der genau wusste mit welchen subtil-eleganten Mitteln man tausende von hyperemotionalen Tänzern durch den Morning Music-Engtanz geleitet. Und zwar so genau, dass zwischen den Second Hand-Preisen der Original- und Remixversion ein erhebliches Preisgefälle besteht.

 

Nightmares on Wax

Aftermath (LFO Remix) (1990)

LFO ließen von der schon sehr guten Originalversion nicht viel mehr übrig als das Vocal-Sample von Main Ingredient und ein paar verteilte Soundschlieren, und addierten dazu die Grundelemente, die sie in der Frühphase von Warp Records so originär und konsequent einsetzten, dass sie eine ganze Weile als die einzig legitimen Nachfolger von Kraftwerk gehandelt wurden: möglichst hohe Frequenzen (Bleeps), möglichst tiefe Frequenzen (Bass), und dazwischen ein nicht mehr menschlich klingender, psychotischer Maschinen-Funk.

 

Musikexpress 7/11


Deep House 3.0 – Die Sache mit dem Preset-Traditionalismus

Posted: March 22nd, 2011 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , | 31 Comments »

Es gab eine Zeit, grob eingeteilt gegen Ende der 80er Jahre, in der man House und Techno noch nicht auseinanderdividieren konnte. Detroit Techno war noch weitestgehend ein Spezialistenthema, und bevor man via England die Massenkompatibilität entdeckte, war unmittelbar nach der Acid-Ära noch alles House, wenn auch in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Doch dann fand eine grundlegende Trennung statt, die bis heute Bestand hat. House ist seitdem die Musik von Traditionsbewusstsein, Disco-Erbe, Deepness, dem großen Gefühl, dem ewigen Groove, der wahren Wahrhaftigkeit. Techno hingegen der vermeintlich futuristische Gegenentwurf, die Suche nach der Alternative, die Lossagung der Clubmusik von der eigenen Geschichte, und natürlich auch der musikalische Hort des Rave. Lange Jahre fanden große Teile der Techno-Gemeinde House spießig und schwul, und große Teile der House-Gemeinde fanden Techno stumpf und oberflächlich. Natürlich konnte der echte Deep House Soldier ebenso wenig mit kommerziellen Handtaschen-House anfangen, wie der echte Detroit Techno- oder IDM-Fan mit den Love Parade- oder Mayday-Horden, und natürlich konnte man auch mit House und Techno gleichzeitig glücklich sein, aber die Schubladen waren offen und man sortierte sich größtenteils aneinander vorbei. Dann kam der Siegeszug von Minimal, erst mit House-, dann mit Technoanbindung, und beide Lager hatten solange Einbußen zu verzeichnen, bis der Dancefloor der ständigen Reduktion auf das Wesentliche wieder überdrüssig wurde, und die Wiederkehr zu deutlicheren Signalen wieder an der Reihe war.

Doch nun ist es der klassische House-Sound, der auf einmal das Lauffeuer entfacht hat, und Techno ist das zeitweilige Annektierungsgebiet, was in den Jahren zuvor eher umgekehrt war. Und wie es dann immer ist wenn ein Sound die Vorherrschaft übernimmt, ist jeder schon immer dabei gewesen, und jeder will nichts anderes mehr produzieren, anderweitige Diskografien oder späte Geburtenjahrgänge hin oder her, egal wie man sich auch wieder um- oder zurückorientieren mag wenn die Hausse wieder schwächelt. Und natürlich hat jede Generation das Recht sich bei neuen Produktionen aus dem Reservoir der vorherigen zu bedienen, das war schon zur Disco-Ära so, zur House-Pionierphase, und bei nahezu allem was danach kam. Das Rad, es lässt sich wohl tatsächlich nicht neu erfinden, wenn der Track vernünftig rollen soll.

Es ist aber trotzdem erstaunlich, wie wenige Produzenten zumindest versuchen, sich vom Referenzspektrum der House-Geschichtsbücher mit einer eigenen Handschrift zu emanzipieren. Es mag daran liegen, dass der Zugang gerade bei der jüngeren Generation zu frisch ist, man muss sich erst einmal abarbeiten, und in Zeiten, in denen jede noch so obskure Kleinstlabel-Veröffentlichung ohne weiteres im Netz zu finden ist, und sich jeder einstmals noch so individualistische Soundentwurf binnen kürzester Zeit im Software-Studio nachbauen lässt, muss man vielleicht noch etwas warten, bis sich aus der reinen historischen Aufarbeitung neue Impulse ergeben. Gerade jetzt findet das offensichtlich kaum statt. Eine erdrückende Vielzahl von aktuellen House-Produktionen möchte zuallererst möglichst genau die Klassiker imitieren, denn womöglich sind sie aus gutem Grund zu Klassikern geworden. So klingt man in der Regel nach Früh-Chicago-Schmutz oder Früh-New York-Eleganz, oder Theo oder Kenny, Moritz und Mark, Larry oder Bobby, oder Rheji und Ronald oder Chez und Trent, aber meist wenig nach sich selbst. Man wildert vielleicht auch bei unbekannteren Inspirationsquellen, aber nicht minder eins zu eins, und somit mit keinem größeren Mehrwert.

Die einzige Anbindung an das Jetzt sind dann oft nur die modernen Preset-Sounds, bei deren Anwendung dann gerade die Qualitäten verlorengehen, die einst die Klassiker gerierten. Dass das einfach nicht gut funktioniert, demonstrieren auch so manche alte Helden, die im hastigen Versuch den Anschluss wiederherzustellen, ebenso glatt, emotionslos und mittelmäßig klingen wie ihre Nachahmer. Die Sache mit House und dem Feeling, sie scheint leichter zu sein als sie ist, und sie lässt sich mit ein paar nach dem Schulbuch gesetzten Flächen, Akkorden und Vocal-Samples nicht automatisieren. Da nützt es auch nichts, wie bei der Midtempo- bis SlowMo-Brigade, die Musik zu verlangsamen. Wenn die Musik an sich schon zu wenig bietet, könnte man sie auch wieder hochpitchen, und sie würde immer noch zu wenig bieten. Und auch wenn die UK-Jungspunde alters- und wissensbedingt erst jetzt genau den Reiz der Disco-Acapellas auf ihren Sample-CDs entdecken, den einst etwa Todd Terry als Signatur von seinen eigenen Wurzeln in seine Gegenwart rekontextualisierte, es ändert nichts an der Tatsache, dass man sich überhaupt noch bei Sample-CDs bedient, anstatt selber etwas samplen, was noch nie benutzt wurde. Wenn sich in DJ-Sets das wahre Alter eines Tracks nur darüber entlarvt, dass es beim Abspielen knackt und knistert und mit den Klangzutaten weniger taktgenau und strukturformatiert umgegangen wird als in den paar Mimikry-Produktionen davor und danach, ist etwas grundlegend faul im Staate Baukasten-Prinzip, und das kann nur mit einer guten Portion Individualismus, Eigeninitiative und Forschergeist behoben werden. Hat schon oft genug vorher geklappt, und wirkt auch langfristiger, sonst müsste man da ja auch überhaupt nicht mehr ständig ansetzen. In diesem Sinne.

de:bug 04/11


Vorwärts immer, Rückwärts immer

Posted: February 19th, 2011 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , | No Comments »

Vorwärts immer, Rückwärts immer


“Forward Ever Backward Never” lautete der Titel der Mayday-Compilation von 1992. Man glaubte noch aus vollem Herzen an die von elektronischer Tanzmusik und -kultur ausgelöste Revolution. Es lief ja auch gut. Die Strukturen waren noch elastisch und ausbaufähig, der Pioniergeist beflügelte die Kreativität, und auch die ökonomische Kurve zeigte steil nach oben. Natürlich war unter diesen Umständen alles davor irrelevant.

In den 18 Jahren danach hat sich aber einiges anders entwickelt, als man es damals für möglich gehalten hätte.
Auf der einen Seite hat sich schnell herausgestellt, dass der musikalische Fortschritt ganz ohne Rückbezüge eine Utopie bleiben musste. Nichts entwickelt sich schneller als der Sound der Clubs, die nötige Innovation um nur forward zu bleiben konnte nie aufgebracht werden.
Und wenn forward nicht mehr so viel passiert, kann man auch backward schauen, auf all das, was im Schwung der Dinge noch nicht mal verarbeitet war.

Und so landet der Sound von 1992, vermutlich schon Ende des gleichen Jahres hoffnungslos veraltet, in Bruchteilen im Jahr 2010 und man hat sich an eine Wiederkehr dieser Art schon längst gewöhnt.
Die Zyklen, in denen ältere Tendenzen aufgegriffen wurden, wurden immer kürzer, gleichzeitig ging man auch immer weiter zurück. Die ältere Generation wurde somit mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, und die jüngere Generation machte aus derselben Vergangenheit ihre Gegenwart, und beides geschah auf der Suche nach dem Neuen.

Folglich war 2010 ein Konsolidierungsjahr. Man wollte das Rad gar nicht mehr neu erfinden, man gestaltete es um. Wozu man in den Clubs feierte, unterschied sich nicht maßgeblich von den vielen Jahren davor, nur dass die vielen Jahre davor nun gebündelt zu hören waren, in einer modernisierten Auslegung, in der der Fortgang oftmals nur an Nuancen ablesbar war, und das auch nur mit einem gewissen Maß an altersbedingter oder eigeninitiativer Vorbildung.

Die “Krise”

Den Takt der Ereignisse gab nach wie vor die Krise der Musikindustrie vor, die viele dazu bewog, sich für den kurzen Erfolg an gängige Mittel zu heften, andere dazu, für den anhaltenden Erfolg ihre Meriten eher zu verwalten als weiterzuentwickeln, andere wiederum dazu, ungeachtet von Erfolg oder Misserfolg den ökonomischen Niedergang als Chance zu sehen, sich kreativ erst recht auszutoben.

Die Demokratisierung der Produktionsmittel in Zeiten von billiger Soft- und Hardware und verkürzten Vertriebswegen führte in jedem Fall zu einer Schwemme von Trittbrettmusik und Geringverdienern, und jeder kämpfte um die schwindende Halbwertzeit, die die Medien in ihrem proportional wachsenden Themenhunger noch zuließ.
Man konnte sich aber stets sicher sein, zu jedem erdenklichen Aspekt mehr Podcasts, Soundcloud-Sets und Webdiskussionen zur Verfügung zu haben, als man je bewältigen könnte.

Auf der anderen Seite erwies sich die Clubkultur als nahezu krisenresistent. Den Feiernden waren die zeitgenössischen Bürden der Kreativen letzten Endes egal. Sie wollten einfach nur feiern wie eh und je, und das war natürlich ihr gutes Recht. Auch wenn alle Vulkane Islands gleichzeitig ausgebrochen wären, hätten sich immer noch genügend DJs gefunden um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Nachrichten von insolventen Großclubs wie dem Londoner Matter/Fabric blieben nur Zwischenrufe, auf die man in ebenso großen Clubs auf Ibiza oder in anderen Großstädten gar nicht reagierte, oder reagieren musste.

Die national und international magnetische Berliner Clublandschaft etwa, die Tobias Rapp 2009 treffend in seinem Buch „Lost and Sound“ einfing, verlor mit der Bar 25 einen Protagonisten, über dessen Verlust man allerdings schnell hinwegschritt. Man eroberte sich flugs weitere Freiluftflächen, etliche neue Veranstaltungsräume, und die weiterhin einströmenden Easyjetsetter ließen sich nun zum Teil nieder, und wurden nicht nur von DJ-und Produzentenseite, sondern auch als Veranstalter und Clubbesitzer aktiver Teil des Ganzen.

Folglich musste noch weiter zusammengerückt werden, und es rumorte an den Konfliktherden. Die lästig gewordene nationale Berichterstattung über die Szenerie verspielte es sich nach ersten unbeholfenen Versuchen, die Clubkultur zu verstehen, mit reflexartig auf den Sündenpfuhl zeigenden Outsider-Informationen, denn die Kultur kam mittlerweile ohne Berichterstattung aus.

Die Leitmedien und etliche sich zu Kommentaren berufen fühlende Personen des öffentlichen Lebens nahmen anlässlich des Love Parade-Desasters fast schon nachtragend und entschieden zu lange den Hedonismus der Szene an Stelle der unfassbaren Inkompetenz der zuständigen Organisatoren ins Visier und gruben den Graben damit noch tiefer.

Die Sendung mit der Maus


Nicht nur bei der Musikproduktion tobte 2010 ein Analog-vs.-Digital-Glaubenskrieg, sondern auch bei der technischen Umsetzung im Club. Panasonic entschied sich die Produktion des legendären Technics SL 1200-Plattenspielers einzustellen, des Gerätes, das Dekaden von DJ- und Clubkultur maßgeblich geprägt hatte.

Die unterlegene Analogfraktion erklärte dies mit dem unwürdigen Bequemlichkeitsaspekt und den niedrigen bzw. meist gar nicht vorhandenen Kostenfaktoren über Promo- und Filesharing-Plattformen beschaffter Musik, die Digitalfraktion erklärte dies mit dem unwürdigen Unbequemlichkeitsaspekt und den beschränkten mixtechnischen Möglichkeiten des Vinyls und der dazugehörigen Hardware.

Letztlich wählte der Großteil der Clubs den Mittelweg und unterstützte digitale Abspielsysteme, mit denen man Audiodateien mit der Haptik eines Platten-oder CD-Spielers auflegen konnte. Das Potential der mixtechnischen Möglichkeiten solcher Geräte nutzten aber nur wenige DJs, was die Fronten weiter verhärtete.

Ungeachtet dessen schoben sich aber die Performer noch weiter als integraler Bestandteil in die Line-ups der Clubs, und bei ihren Auftritten spielte analoge Ausrüstung eine noch geringere Rolle. Im Gegensatz zu DJs ließen sich Live-Acts besser in die zahlreichen Veranstaltungen einbauen, bei denen sich elektronische und rocktradierte Musik im Programm und beim Publikum vermischten, wovon letztlich alle Seiten profitierten. Oft vertreten waren der zum Konsensthema hochgeschriebene Paul Kalkbrenner, Modeselektor, die national fast allein auf weiter Flur die zahllosen Bass-Bewegungen der englischen Szene einfangen und zurückzuschleudern schienen, und die Wiener Band Elektro Guzzi, die mit einem klassischen Setup aus Bass, Gitarre und Schlagzeug eine originäre Auslegung von Techno umsetzten.

Je mehr der Fokus sich von der herkömmlichen Position des DJs zum traditionellen Auftritt verschob, desto klarer wurde in der Konsequenz, dass es nahezu unmöglich geworden war, eine Karriere als DJ zu beginnen, ohne selbst Musik zu produzieren.

Was war/ist House?


Für House war 2010 ein Jahr weiteren Wachstums, wobei für das Genre die fortlaufenden Referenzen aus dem reichhaltigen Disco-Erbe eine ebenso wichtige Rolle spielten wie die Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln.

Die erwähnten technischen Erleichterungen in der Musikproduktion und verkürzten Vertriebswege verstärkten die Flut von Edits und Bootlegs bekannter oder obskurer Titel abermals. Als Klangbild waren House und Disco aber nicht mehr auseinanderzudividieren, ähnlich wie in den Pioniertagen, als House noch als Evolutionsschritt von Disco aufgefasst wurde, und nicht als ablösendes Phänomen.

Die entscheidenden Pole waren Deepness, Disco in allen seinen Spielarten und vorwärtsorientiertes Geschichtsbewusstsein, und sie wurden in Deutschland am erfolgreichsten von Running Back und Permanent Vacation repräsentiert, und besonders dem auf beiden Labels veröffentlichenden Hamburger Produzenten Tensnake, dessen internationaler Erfolg darauf hinzudeuten schien, dass das Potential der Sounds noch lange nicht ausgeschöpft ist, vor allem wenn man die zeitliche Verzögerung als Maßstab nimmt, mit der Minimal in vielen Ländern erst den Schwung aufnahm, der bis heute anhält.

Die flächendeckende Renaissance der Alten Schule bewirkte allerdings auch zwangsläufig einen sehr traditionalistischen Umgang mit dem Genre. Ein Großteil der letztjährigen Produktionen begnügte sich mit der Rekonstruktion bewährter Soundmodelle von US-Produktionen von Ende der 80er bis Mitte der 90er-Jahre, aber es gelang nur wenigen Produzenten, diesen Vorgaben mit modernen Mitteln die Frische, Seele, Emotionalität und Individualität beizugeben, die die ungebrochene Faszination der Vorbilder ausmachen.
Etablierte Labels wie Dial/Laid festigten ihren Status, u.a. mit dem Album von Efdemin, die Hauptstadt sorgte mit den ersten erfolgreichen Schritten von Labels wie etwa Retreat oder Produzenten wie Hunee für Aufsehen, aber vor allem die lebendige ostdeutsche Szene rund um Workshop, und Mikrodisko konnte international individuelle und kreative Impulse setzen.

Auffällig war, dass viele House-Tracks sich dezidiert unter der 120 bpm-Marke bewegten, und man sprach nun von Autoren-House, um die tendenziell introspektive Musik von erfolgreichen Newcomern wie John Roberts oder Nicolas Jaar zu kategorisieren. Eine Bezeichnung, über die der Individualismus eines DJ Koze schon hinausgewachsen ist, der mit originellen Remixen, eigenem Label und Komplizen aus der ersten Blütezeit von deutschem House seinen Spielraum erweiterte.

Triumph der Bastionen


Die Erfolgsgeschichten des Techno, die sich 2009 entwickelten, setzten sich auch im folgenden Jahr fort.
Ostgut Ton verfestigte sich als international stilprägende Exekutive des Berghain-Imperiums, und trug auch weiterhin die geschlossenen Reihen der eigenen Residents in die Welt hinaus, mittels Künstleralben der Aushängeschilder Shed und Marcel Dettmann, aber auch mit einer luxuriösen Compilation, auf der alle Künstler des Labels Field Recordings aus dem Club in eigene Tracks einarbeiteten.

Dieses Bekenntnis zum aufwändigen Produkt, das auch das Traditions-Label Perlon mit seiner Superlongevity-Compilation vollzog, stand in der Techno-Landschaft einer Vielzahl von Veröffentlichungen gegenüber, die in Sound und Design den klassischen Platten aus dem Umfeld der Berliner Institutionen Basic Channel bzw. Hard Wax und den angeschlossenen Labels nachstrebte.
Es gab zahlreiche handgestempelte Platten ohne Credits und Interpreten, die anonym bleiben wollten. Dabei war nicht immer klar, inwiefern die Marketingverweigerung Überzeugung, oder wiederum Marketing war.

Der einst von Mark Ernestus und Moritz von Oswald initiierte Dub Techno-Sound, blieb auch 2010 ein unumgängliches Leitmotiv, etwa für Labels wie Prologue oder Stroboscopic Artefacts.
Ernestus selbst legte sein Augenmerk dagegen auf afrikanische Rhythmik, so wie auch das indirekte Umfeld mit T++ und Shackleton, und von Oswald brachte nach seiner von einem Schlaganfall bedingten Pause erfolgreich seinen Sound mit einem Trio auf die Bühne.

Der etwas beliebige Minimal-Techno der Vorjahre wurde bei anderen Künstlern für einen massiven und unmittelbaren Grundklang aufgegeben, der sich gleichermaßen an den dunkleren Techno-Produktionen der 90er orientierte, als auch an der Post Punk- und Industrial-Ästhetik der 80er.
So emanzipierte sich Chris Liebing mit seinem Label CLR erfolgreich von den einst selbst gerufenen Schranz-Geistern, und wo in der Electroclash-Hausse, noch Fashion- und Performance-Aspekte die künstlerischen Überlegungen beeinflussten, beriefen sich zu Teilen aus Berlin operierende Labels wie Sandwell District nun direkt auf die Klangexperimente und Artworks von Bands wie Throbbing Gristle oder Cabaret Voltaire, und übertrugen deren Vorleistungen auf ihre eigene Arbeit.

2010 war aber auch ein guter Jahrgang für die Synthese von Club- und Hochkultur.
Der von Stefan Goldmann ins Leben gerufene Elektroakustische Salon im Berghain wurde serienreif, der Produzent selbst erweiterte seinen Spielraum sowohl mit cluborientierten Produktionen, als auch einer Ballettkomposition, die im Rahmen des Time Warp-Raves am Nationaltheater Mannheim aufgeführt wurde. Ähnlich experimentierfreudig auch der Kölner Altmeister Wolfgang Voigt, der von der Bildenden Kunst zur elektronischen Musik zurückkehrte, aber nicht ohne beides mit neuen Ansätzen verbinden zu wollen.
Ebenso willkommen auch die künstlerischen Rückmeldungen von Kreidler, Oval, Alva Noto, und Hauschka, die allesamt in einem clubkulturellen Klima auf vielbeachtete neue Wege gingen, das nicht mehr derart auf reine Tanzflächenkompatibilität fixiert war wie in den Jahren zuvor.

Die Musik klang im letzten Jahr zwar oft ohne Sonne, aber andere Ideen mussten nicht mehr im Schatten bleiben.

Rückblick für das Goethe-Institut – Elektronische Musik aus Deutschland 02/11

English Version


Rewind: Klaus Stockhausen über “Party Boys”

Posted: November 29th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Klaus Stockhausen über “Party Boys” von Foxy (1980).

Wie bist Du auf „Party Boys“ gekommen? Beim Plattenkaufen für DJ-Gigs? Du hattest ja 1980 schon mit Auflegen angefangen, als die Platte rauskam.

Die Platte ist, denke ich, von 1979, aber es war wohl 1980. Angefangen habe ich drei Jahre vorher. Ehrlich gesagt war ich in Amsterdam in einem Plattenladen, Rhythm Import, und es war der Nachfolger von „Get Off“, und „Get Off“ ging relativ gut ab. Ich habe in drei Clubs gearbeitet zu dieser Zeit. Donnerstags/Freitags in Frankfurt in so einem Armee-Schwuchtelladen, der hieß No Name. Da waren nur stationierte Soldaten, sehr amerikanisch. Samstag/Sonntag Coconut in Köln, und Montag in Amsterdam im Flora Palace, was hundert Jahre später zum It-Club wurde. Und du hattest drei verschiedene Musikrichtungen. In Köln war es diese Hi-NRG-Nummer mit sonntags Schwuchtel-Tea-Dance, Poppers etc., bei den Amis hattest du funky to Disco, und Amsterdam war britisch angehaucht. Diese Fusion war ganz gut.

Wie hat sich denn das Britische in der Musik in Amsterdam manifestiert?

Es war soulig, Hi-NRG, aber später auch so etwas wie Loose Ends. Es waren Elemente von Rare Groove drin. Und bei „Party Boys“ fand ich einfach diesen Hook so toll, der eben wesentlich eleganter war als zum Beispiel „Cruisin’ The Streets“ von der Boystown Gang. Eigentlich könnte man diese beiden Platten übereinander legen, es funktioniert perfekt. Und diese schrägen Stimmen. Ich mag Stimmen gerne, und wenn sie slightly off sind, mag ich sie noch viel viel lieber. Read the rest of this entry »


Rewind: Marcel Dettmann über “Ich und die Wirklichkeit”

Posted: October 25th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Marcel Dettmann über “Ich und die Wirklichkeit” von Deutsch Amerikanische Freundschaft (1981).

Die entscheidende Frage zuerst, wie bist Du zu DAF gekommen?

Ich komme aus dem Ostteil Deutschlands, und nachdem man zu DDR-Zeiten nur Depeche Mode, Madonna oder Prince hatte, die richtig dicken Pop-Acts, kam kurz nach der Wende ein ganzer Schwall von Musik, wie z. B. auch DAF, Throbbing Gristle oder Front 242, später auch Nitzer Ebb. Der Bruder eines Freundes von mir hat uns ständig mit CDs ausgerüstet, da war ich 12, und habe das erste Mal DAF gehört und fand das total verrückt.

Du hattest vorher nie von ihnen gehört?

Nein. Ich hatte vorher Ultravox, Erasure oder Depeche Mode gehört. Poppige Sachen. Und dann kamen DAF oder auch Nitzer Ebb, was ja artverwandt ist, sie waren ja quasi die englische Version von DAF. Wir hörten „Der Räuber und der Prinz“ und „Der Mussolini“ auch im Jugendclub, der von vier Uhr nachmittags bis abends um zehn offen hatte. Dort wurde in Runden gespielt, eine Runde für die Hip-Hopper, eine Runde für die Elektronikleute usw. Read the rest of this entry »


Queer Anthems

Posted: October 18th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , | No Comments »

Lesley Gore – You Don’t Own Me (Mercury, 1963)

Der prototypische Selbstbestimmungssong. Lesley Gore sah ihn eher als geschlechtsloses “humanist anthem”, aber dass die Feministinnen und die Gay Rights-Bewegung den Song später für sich einspannten, hat ihr sehr gut gefallen.

Nina Simone – See-Line Woman (Philips, 1964)

Eine schöne und stolze schwarze Frau in teuren Kleidern, die den Männern das Geld aus der Tasche zieht und ihre Herzen bricht, und trotzdem bewundert wird. Drag Queens aus armen Verhältnissen erkoren dies bis heute zu ihrem theme song.

The Carpenters – Let Me Be The One (A&M, 1971)

Die Geschwister Carpenter waren eher asexuell, aber die Campness ihrer Musik und die tragischen Komponenten ihres Lebens waren nicht nur in Todd Haynes’ legendärem Barbiepuppentrickfilm „Superstar“ höchst ikonentauglich.

David Bowie – John, I’m Only Dancing (RCA, 1972)

Egal, ob der Tänzer des Songs seinen Freund beschwichtigt, oder den Freund seiner Mittänzerin, Bowie ließ sich sein Gender bending nicht nehmen und die „boys“ blieben für ihn stets beschwingt, mitsamt Zwischentönen. Einer musste eben auf seinem Level den Anfang machen, und das war er am liebsten selbst.

Lou Reed – Walk On The Wild Side (RCA, 1972)

Der Song für alle unverstandenen Außenseiter, die ihr bisheriges Leben verabschieden und in der Großstadt angespült werden. Der Glam den sie dort finden ist selten der eingeplante, aber es ist immer noch Glam.

Jobriath – I’maman (Elektra, 1973)

Mit vereinten Kräften versuchte man aus Jobriath den alles überstrahlenden Megastar des Glam Rock zu machen, und es wurde ein fürchterliches Fiasko. Er starb früh und vereinsamt an AIDS, und erst eine von Morrissey lancierte Retrospektive konnte später beweisen, dass er überhaupt je existierte.

The Elton John Band – Philadelphia Freedom (MCA, 1975)

Zum Erscheinungsdatum der Single versteckte sich Sir Elton noch weitestgehend im Schrank, aber diese Hymne an die lesbische Tennislegende Billie Jean King und den Sound der City Of Brotherly Love zeigte schon, dass er auf einem guten Weg war.

South Shore Commission – Free Man (Wand, 1975)

Eigentlich ein Mann-Frau-Duett, aber der geschlechtlich nicht eindeutig einzuordnende Gesang und markige Textzeilen wie „I’m a free man and talking ‘bout it” und „Freedom is the key to loving me” führten schleunigst zur Rekontextualisierung.

Candi Staton – Young Hearts Run Free (Warner Bros. Inc, 1976)

Wer jung ist, soll seine Jugend genießen und selbst bestimmen wohin er seine Liebe wirft. Der traurige Rest kommt schon noch früh genug. Wird von Ignoranten oft mit Rod Stewarts „Young Turks“ verwechselt.

Carl Bean – I Was Born This Way (Motown, 1977)

Ein gläubiger Gospelsänger und Reverend hält Seite an Seite mit Tom Moulton, dem legendärsten Mixer der Discogeschichte, ein glühendes, stolzes, mutiges und total umwerfendes Plädoyer für Toleranz, Nächstenliebe und schwules Selbstverständnis. Read the rest of this entry »


Rewind: Ralf Schmidt über “Songs Of Leonard Cohen”

Posted: October 11th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Ralf Schmidt über “Songs Of Leonard Cohen” von Leonard Cohen (1967).

In jüngeren Jahren kannte ich Leonard Cohen weitestgehend aus dem Radio, meine Mutter hatte zwar Platten von ihm, die ich aber lange Zeit ignoriert habe. War es bei Dir auch so eine Inspiration aus der elterlichen Plattensammlung?

Definitiv, das war eine der ersten Sachen mit denen ich musikalisch in Berührung kam, schon als sehr kleines Kind. Vor allem meine Mutter hörte und hört immer noch gerne seine Musik. Diese frühe Prägung ist sicherlich einer der Gründe, weshalb mich die Musik von Leonard Cohen so berührt. Natürlich hatten meine Eltern auch noch andere Platten im Schrank stehen, die mir nicht so sehr ans Herz gewachsen sind – es gibt also noch andere Gründe, aus denen ich mich für Cohen so begeistern kann. Welche das sind – ich kann es nicht genau sagen. Ich glaube auch, wenn ich es genau wüsste, wäre die Begeisterung nicht so groß. Die wirkliche Beschäftigung mit Cohen kam auch erst, nachdem ich schon lange von zu Hause ausgezogen war. Damals gab es für mich eigentlich nur HipHop, Soul & Funk und elektronische Musik.

Auch wenn man sich anfänglich nicht für Leonard Cohen interessiert, wenn man ihn einmal gehört hat, erkennt man ihn sicherlich immer wieder. Seine Stimme, und seine Art Songs zu schreiben sind schon sehr eigen. Was macht ihn für Dich so besonders? Sind es bestimmte Einzelteile, oder ist es ein Gesamtbild?

Rein musikalisch ist es natürlich als aller erstes seine Stimme, die einen hohen Wiedererkennungswert hat – eigentlich keine im traditionellen Sinne besonders “schöne” Singstimme. Es ist oft eher eine Art Sprechgesang, nicht immer genau im Takt, manchmal fast schon brüchig. Zudem ist seine Art und Weise, mit Melodien und Harmonien umzugehen sehr eigen. Besonders in der Anfangsphase waren seine Arrangements auf den ersten Blick sehr minimalistisch, nur wenige Elemente, meist Akustikgitarre, Streicher, Frauenchöre und sparsam eingesetzte Rhythmuselemente, die jedoch in ihrem Zusammenspiel eine unheimliche Dichte erzeugen. Bei genauerem Hinhören kann man dann jedoch in beinahe jedem dieser Stücke versteckte Schichten freilegen, Effekte, leise Geräusche, teilweise sogar synthetisch anmutende Klänge. Was ihn zudem für mich einzigartig macht, ist seine Fähigkeit, seine Texte, obwohl voll von Metaphern und Bildern, dennoch sehr offen zu halten und dem Hörer die Möglichkeit zu geben, sein eigenes Leben in die Lieder hineinzulegen – ohne dabei beliebig zu wirken. Read the rest of this entry »


Rewind: Boris Dlugosch über “Dance To The Music”

Posted: September 27th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , , , | 2 Comments »

Im Gespräch mit Boris Dlugosch über “Dance To The Music” von Junior Byron (1983).

Hast Du Junior Byrons “Dance To The Music” zum ersten Mal gehört, als Du anfingst ins Front zu gehen?

Ich glaube, ich hatte den Titel zuerst auf einer Front-Cassette, die ich von einem Freund bekommen hatte. Also nicht ‘live’ im Front.

Du warst ja damals noch ziemlich jung. Wie bist Du eigentlich darauf gekommen dort hinzugehen? Hattest Du von Freunden gehört, dass man dort Musik zelebrierte, die Dir gefiel?

Also es war 1984, ich war 16 und die Schwester meines besten Freundes kannte den Kassierer des Front, Boris Breit. Er gab uns Front-Cassetten und hatte zwei Plattenspieler und ein Mischpult. Bei ihm zuhause verbrachten wir dann die Nachmittage nach der Schule und versuchten uns an seinen Plattenspielern und dem Mischpult. Er hatte vor allem Disco-Platten, kaufte aber auch fleißig aktuelleres Zeug bei Tractor-Schallplatten, dem damals besten Laden in Hamburg für Dance-Musik. Er hatte also die Musik, die im Front lief, bei ihm hörte ich die Sachen zuerst und dann wollte ich natürlich unbedingt einmal dorthin. Read the rest of this entry »


Rewind: Tobias Freund über “Take Away/The Lure Of Salvage”

Posted: September 13th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Tobias Freund über “Take Away/The Lure Of Salvage” von Andy Partridge (1980).

Auf Deiner Myspace-Seite steht, dass Du seit 1980 Musiker bist, das Jahr also, in dem “Take Away/The Lure Of Salvage” erschien. Ich nehme an, Du warst schon früh ein Fan von XTC?

Die erste Platte von XTC hab ich 1979 entdeckt, „Go 2“. Ich lebte damals in Frankfurt am Main und bin mit meinem Freund öfters nach der Schule in einen Plattenladen nach Offenbach gefahren. Es war einer der einzigen Läden zu der Zeit, der neue außergewöhnliche Platten verkaufte. Ich erinnere mich, dass es immer total spannend war in den Laden zu fahren, man hat immer irgendetwas Neues, Unbekanntes gefunden. Neben XTC hab ich unter anderem das „Black And White“-Album der Stranglers entdeckt, auch eine meiner damaligen Lieblingsplatten. Mich hat immer sehr das Artwork einer Platte angesprochen, ich hab mir des Öfteren platten “blind” gekauft, allein weil mir das Cover gefallen hat. Meistens bin ich nicht enttäuscht worden. Bei „Go 2“ war es genau so, das Cover hat mich gleich fasziniert, noch heute finde ich es eines der besten Artworks, simpel und effektiv. Weiße Schrift auf schwarzem Untergrund über die ganze Vorder- und Rückseite. In dem Text wird das Artwork erklärt und der Leser wird manipuliert die platte zu kaufen. Ich habe die Idee des Covers für die nsi.-Veröffentlichungen auf meinem Label Non Standard Productions aufgegriffen. Allerdings nur das Layout, Courier ist seitdem für mich der Punk unter den Fonts.

Waren XTC eine typische Band dieser frühen Post Punk-Phase, oder waren sie einzigartig?

Für mich waren XTC einzigartig, sie waren frischer, witziger und haben sich nicht zu ernst genommen, außerdem sind es unglaublich gute Musiker. Sie haben sich mehr getraut gewohnte Strukturen aufzubrechen, auf ihren Platten gab es immer Experimente. Zum Beispiel konnte Andy Partridge seine Stimme wie ein Instrument einsetzen, er hat versucht jedem Lied eine eigene Note zu geben, zornig, verrückt oder hysterisch. Read the rest of this entry »


Rewind: Richard Zepezauer über “LFO”

Posted: September 6th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Richard Zepezauer über “LFO” von LFO (1990).

“LFO” ist eine dieser Platten, die sich ganzen Generationen ins Gedächtnis gebrannt haben. Was war Dein “erstes Mal” mit dem Track?

An mein erstes Mal mit dem Track kann ich mich gar nicht so genau mehr erinnern, ich war damals 13/14 Jahre alt. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob ich es im Radio bei BBC gehört hatte, oder ob ich es quasi nachrecherchiert hatte, weil ich davon gelesen hatte, ich glaube es war im Radio gewesen.

Ich kann mich aber noch sehr gut an das absolut überwältigende Gefühl erinnern das entstand während ich den Track zum ersten Mal hörte. Als Musikliebhaber ist man ja irgendwie immer im Sisyphos-Modus auf der Suche nach dem perfekten Stück Musik, und bei dem Track hatte ich für eine kurze Zeit das Gefühl da ist es! Wie es halt so ist, hielt sich das absolute Gefühl nicht so lange, aber es ist bis heute einer der ganz wenigen Tracks geblieben, der für mich persönlich dem sehr sehr nahe gekommen ist und bis heute immer wieder neu auf die alte Art zu begeistern weiß. Der Hörgenuss war schon ziemlich vollgepackt, denn davon mal abgesehen dass „LFO“ von LFO mit seinem unwiderstehlichen melancholischen Futurismus eine Vielzahl von Gefühlen beim Hören aktiviert, wurde bei dem Track damals als Bonus noch ein Aha-Erlebniss mitgeliefert, denn so etwas hatte man wirklich noch nie vorher in dieser Form und Intensität gehört.

Hattest Du Warp Records damals schon als ein Label auf dem Radar, bei dem sich spannende Entwicklungen anbahnen würden?

Ja unbedingt! Ich war zwar noch kein fanatischer Fan dieses Stils der Bleeps und Clonks, aber Releases wie die Forgemasters “Track With No Name” oder DJ Mink “Hey Hey Can You Relate?” oder auch Nightmares on Wax mit “Dextrous” bzw. “A Case of Funk” haben bei mir schon früh die Kinnlade fallen lassen und zählten zu meinen damaligen Lieblingstracks. Trotzdem passierte damals in so vielen Bereichen elektronischer Club Musik Neues, dass zumindest ich, mit dem Wissen eines 13 Jährigen, das Potenzial des Labels schwer einordnen konnte. Es war eine Zeit, in der ununterbrochen eine revolutionäre Aufbruchstimmung bemerkbar war. Man konnte aber rückblickend schon erkennen das trotz schneller, von der Presse initiierten “Bleeps & Clonks” Hype-Schlagzeilen, etwas mit mehr Substanz als ein Zeitgeisttrend dahinter steckte. Read the rest of this entry »