Interview: Motor City Drum Ensemble
Posted: January 9th, 2009 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: de:bug, Interview, Motor City Drum Ensemble | No Comments »Die Divenschnipsel und die wohligen Flächen können bei vielen Trittbrettfahrern der House-Wiederkehr nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der aseptische Grundklang nur schwerlich mit den tradierten Grundfesten des Sounds vereinbaren lässt, und sich entsprechend auch nur rudimentär von der Preset-Beliebigkeit der TechHouse-Schwemme der letzten Jahre unterscheidet. In der Flut solcher Missverständnisse ragen schon seit geraumer die Produktionen vom Stuttgarter Boy Wonder Danilo Plessow heraus, der eben genau jene notwendige Emotionalität und Dreck in seine Tracks impft. Die Geschichte mit House und dem Feeling halt.
Wobei es eigentlich seit der Teenie-Genese von etwa Ron Trents Frühwerk nicht weiter verwundern sollte, dass jemand in jungen Jahren schon dieses Feeling aufweist. “Das Thema mit dem Alter ist zwar schon in Inverse Cinematics-Zeiten überstrapaziert worden, aber trotzdem: ich habe schon sehr früh angefangen, Musik zu machen. Erst am Schlagzeug, dann mit billigen Software-Sequencern. So sind die ersten Releases auf Pulver entstanden. Durch Jazzschlagzeug und die Liebe zu Hip Hop und das Finden von Samples begann die Suche nach Jazzplatten. Ich bin in einer Kleinstadt mit nur einem Plattenladen aufgewachsen, aber da der Typ auf Death Metal spezialisiert war, konnte ich mit Schülergeld an einige Schätze kommen. Unter meinen ersten fünf LPs waren John Coltranes “Love Supreme”, The Awakening auf Black Jazz Records und auch Moodymanns “Silent Introduction”, wobei mir letztere erst mit 15, 16 Jahren, nach dem ersten Clubbesuch, so richtig als Meisterwerk bewusst wurde. Das war noch in den Anfangszeiten des Internets, d. h. man hatte noch nicht die Möglichkeiten in Sekunden an jedes Release zu kommen, war auch gut so. Ich hatte also nur meinen kleinen Mikrokosmos aus wenigen Platten, die ich immer wieder hörte, und ich hatte Glück, die richtigen für mich zu erwischen.“ Die Spuren, die jene fokussierte Musiksozialisation hinterlassen hat, sind jedenfalls immer noch gut rauszuhören. Jazz, Disco und der tiefe Mumpf von House der Prägung Detroit schlieren sich durch die Tracks von Plessows zahlreichen Projekten und vermengen sich mit einem sicheren Verständnis, diese Einflüsse für den Club kompakt und effektiv zu bündeln. Die Alte Schule, die dafür Pate steht, ist als Idee drin, nicht als Verpflichtung. „Ich kann in der Musik aus Detroit ähnliches finden wie bei Jazz und Soul. Eine Sehnsucht, eine Zeitlosigkeit, ein Aufbegehren gegen Standards und Konventionen. Für mich als Musikliebhaber und -sammler geht es in erster Linie darum, etwas zu schaffen, dass mich berührt, auf welcher Ebene auch immer. Zu viele Releases heutzutage klingen so glatt, ohne Seele und ohne Fehler. Ich sehne mich nach Musik, die ganz platt gesagt “Eier hat”. Old School ist für mich kein Prinzip, aber wenn der Aufguss von schlechtem 80er Sound New School ist, dann bin ich gerne Old School.“ Die Krise von Nu Jazz und Broken Beats, die gerade deren Bastion Süddeutschland schwer erwischte und einige Produzenten über ungelenke Umwege bei House landen ließ, ist jedenfalls in diesem Fall kein Thema. Motor City Drum Ensemble ist keine Neuorientierung, sondern im Grundgedanken schon da gewesen, und etwaige Missverständnisse bei Inverse Cinematics wackeln sowieso. „Gerade letzte Woche hat mir ein Kollege ein Youtube-Video geschickt, in dem Villalobos meine erste EP spielt. Das war ganz klar House, ging nur leider unter, weil es auf einem Nu Jazz-Label erschien. Inverse Cinematics hatte immer einen Bezug zu House und Detroit, aber ich gebe gerne zu, dass Broken Beat auch für mich ein Thema war. Leider gab es seit Jahren nichts Originelles mehr, aber ich arbeite gerade selber daran, für Inverse Cinematics einen zukunftsträchtigen Stil zu finden. Gebrochene Beats sind nicht tot, es ist nur ähnliches passiert wie bei Minimal: zu viel Gleiches auf einmal.“ Die Tendenz, die deutsche Landkarte, wie unlängst in Mannheim, Hamburg oder Leipzig geschehen, in House-Metropolen einzuteilen macht für Plessow keinen Sinn, obwohl Stuttgart natürlich schon explizit im Raum steht. „Man kennt und schätzt sich, aber es ist jetzt kein großes Kollektiv, das zusammenarbeitet. Der Name “Motor City” ist in Stuttgart schon lange etabliert – mittlerweile gibt es sogar Porsche Cayenne Krankenwagen – man ist einfach damit konfrontiert und natürlich ist der namentliche Link zur amerikanischen Autokonkurrenz auch ein Augenzwinkern.“ Genauso wichtig wie die Produktionen sind aber auch die aufstrebenden Label an denen er beteiligt ist: Four Roses Recordings, das er mit dem Produzenten Sebastian Gaiser alias Icasol und Mujaba betreibt, und das eigene Outlet MCDE. „Beide Label verfolgen die gleichen Ziele mit unterschiedlichem Fokus. Bei Four Roses ist der Soul etwas abstrakter, elektronischer, bei MCDE wird auch gerne mit Samples gearbeitet. Die Releases werden überschaubar bleiben, dafür soll die Qualität stets gewährleistet sein.“ Tja, was machen derart Berufene? Sie machen weiter. „Auf Four Roses wird es als nächstes eine Split 12″ mit Mujaba und mir geben, einige Remixes stehen aus, eine 12″ für 20:20 Vision im Februar, und einige dreckig-soulige Geheimwaffen auf MCDE. Geschlafen wird im nächsten Leben!”
De:bug 01/2009
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