The Blow Monkeys – This Is Your Life

Posted: March 17th, 2010 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Die Blow Monkeys waren sicherlich eine der eigenartigsten Bands, die im Windschatten des großen britischen Musiksommers 1982 zu Ehren kamen. Der Haupt-Blow Monkey Dr. Robert war ein archetypischer Popper, und nachdem er und seine Jungs erst nicht so recht vorankamen, stellte sich schnell heraus, dass er wie kaum ein anderer für die Pose des distanzierten Synthpop-Blue Eyed-Soulers geschaffen war. Er war nicht der erste Sänger dieser Zeit, der seine Liebe zum schwarzen Soul- und Discoerbe mit seinen stimmlich begrenzten Mitteln auslebte, aber er pflanzte sich einfach zwischen ABC und Style Council, passte sich deren Kleidungsstil an und auch deren Haltung, pflegte eine smarte Arroganz und wartete den Zeitpunkt ab, an dem er die Konkurrenz mit den eigenen Mitteln schlagen würde. Zur Hilfe kam ihm dabei ein guter Instinkt für Clubkultur. Schon bei „Digging Your Scene“ von 1986, einem der wohl wunderbarsten Midtempoklassiker der Ära, holte er die Latin Rascals an Bord, und als ABC ein Jahr später mit dem Album „Alphabet City“ und den dazugehörigen Singles noch zaghaft die ersten Vorboten der House-Bewegung umgarnten, ging er 1988 den entscheidenden Schritt weiter, und landete im Duett mit Kym Mazelle mit „Wait“ den ersten großen Welthit, der sich zwar song- und produktionstechnisch noch voll aus der Synthpop-Tradition speiste, aber im Groove trotzdem schon House war. Plötzlich war er nun die Speerspitze, und während Style Council mit ihren House-Experimenten schweren Schiffbruch erlitten, und die Pet Shop Boys mit ihren House-Verbeugungen einfach zu weit von der Clubrealität entfernt waren, ging er auf diesem noch weitgehend unerforschten Terrain den Schlaglöchern aus dem Weg, indem er einfach auf die richtigen Insider setzte. Bei seinem Soloausflug „Wait“ ließ er sich noch von Juan Atkins und Kevin Saunderson helfen, aber der wahre Meisterstreich folgte kurz darauf mit „This Is Your Life“. In der originalen Langversion, produziert Stephen Hague, einem wahren Säulenheiligen des Synthpops, ist der Song bereits ein großer Wurf. Eine brillante Mischung aus Hi-NRG-Sequencer-Disco-Restspuren, Camp-Saxofonen, melodramatischen Flächen, pompösen Pop-Pianos, die auf groovige House-Pianos treffen, und einem sich streng himmelwärts dehnenden Spannungsverlauf, der sich natürlich in einem erschütternden Popsong entlädt, dessen Hymnenhaftigkeit erst durch die lakonischen Vorhaltungen Dr. Roberts die wahre Durchschlagskraft erlangt. Denn Hymnen, die nur Hymnen sein wollen, sind nicht immer welche. Aber wenn man den Gesellschafts- und Sozialrealismus schnöseliger Inseldandys mit einer guten Melodie und einem hemmungslos opulenten Arrangement kreuzt, ist man schon gleich auf die Zielgerade eingebogen. Damit nicht genug, Dr. Robert ließ dieses Wunderwerk auch noch auf mehrere 12“s verteilt von Ten City remixen, und die Jungs um das lange Zeit einzig gültige Sylvester-Nachfolge-Falsett von Byron Stingily machen natürlich genau die schwarze Sonntagsmesse daraus, die ihm wohl bei der Idee vorgeschwebt sein mag, und die mit unmittelbarer Wucht den Geist nur so durch die Luft wirbelt, wie eben die besten Tracks Marshall Jeffersons zu dessen Glanzperiode. Ich bin mir sicher, Dr. Robert konnte noch Jahre später in seinem Songer-Songwriter-Balearen-Exil regelmäßig abrupt über diesen Kunstgriff in begeistertes Lachen verfallen, als nun auch ihn die Treffsicherheit jener Tage verlassen hatte, die noch jede vermessene Tat gerechtfertigt erscheinen lässt. Da muss man aber eben auch erstmal hinkommen.

de:bug 03/10