Omniverse – Antares

Posted: July 27th, 2010 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Eins musste man den Italienern schon immer lassen, sie wissen meist sehr zeitig welcher Sound sich in qualitativer und kommerzieller Hinsicht zu kopieren lohnt. Das zieht sich von Adaptionen amerikanischer Discomusik der klassischen Phase bis hin zu heutigem Minimalgeklacker. Natürlich hat das auch oft zu sehr originären Interpretationen geführt, teilweise wurde auch etwas ganz Neues daraus was sich an die Ursprungsländer als Ursprung zurückverkaufen ließ. Die musikalisch fortschrittliche Fraktion von Italo Disco wäre ein Beispiel, diverse ältere House- und Technoproduzenten in den US-Metropolen können es bestätigen. Ein wirklich glückliches Zusammentreffen war die italienische Annektierung von House. Wurden die ersten Chicago-Trax noch mit massivem Pianoeinsatz und plakativsten Disco-Diven-Samples Ende der 80er zu Chartbreakern à la Blackbox verkehrt, an denen sich insbesondere die englische Breakbeat-Szene schon seit Jahren erfreut und abarbeitet, griff man Anfang der 90er den New Yorker House-Sound auf, für den vor allem Labels wie Strictly Rhythm, Nervous und Nu Groove standen, neben zahllosen anderen anbetungswürdigen Kleinstadressen mit gelegentlichen Geniestreichen. Auf einmal erschienen Importe aus Italien, die in der Sanftheit und Emotionalität der US-Prototypen geradezu badeten, denn in den Großclubs in Rimini und Riccione wie Peter Pan oder Ethos Mama reichten die großzügigen Flächen und Bassgrooves von Produzenten wie Wayne Gardiner, Bobby Konders, Mood II Swing, den Burrell-Brüdern oder Nathaniel X nicht einmal aus, da ging es um andere Räume und ein anderes Gemeinschaftsgefühl auf der Tanzfläche, da musste mit dem großen Pinsel nachgebessert werden. Wenn man Italo House dieser Jahre beschreibt, verfällt man deswegen schnell in azurblaue Klischees, denn tatsächlich eint alle diese Stücke, dass sie eine mediterrane Selbstzufriedenheit ausstrahlen, die mit dem vom urbanen Alltagskampf geprägten Melancholieklang amerikanischer Großstädte nur noch in Resten zu tun hat. Stattdessen bekommt man hier eine reiche Palette an Sounds und Arrangements, die teilweise bis knapp unter die Kitschgrenze stoßen, auf der Tanzfläche aber nicht nur für die kollektive Glückseligkeit aufgebrezelter Einheimischer und der clubeigenen Fächertänzerinnen sorgten. Reichlich Urlauber waren genauso von dieser warmen Umarmung eingenommen, und reisten mit einer musikalischen Utopie in ihre grauen Vorstädte zurück. So etwas erzielt man natürlich nur mit Könnerschaft, und die Produzenten hinter Omniverse beispielsweise, Ricky Montanari und Moz-art, wussten schon seit etlichen Jahren was bei ihren Tänzern funktioniert und was nicht. Beide waren seit den 70ern hinter den Decks, ersterer fing eher als klassischer Disco-DJ an, letzterer war einer der wenigen Cosmic-Pioniere, die heutzutage jeder schon damals kannte. Und „Antares“ ist neben „Alone“ von Don Carlos die Genredefinition, sechs Minuten wie ein übermütiger Sprung in einen glitzernden Pool, und wenn man am anderen Ende wieder auftaucht, sieht man schöne Menschen in luftiger Bekleidung und schweißtreibenden Bewegungen, und da kommt auch schon der erste Drink. Es geht auch ohne Kopf.

Omniverse – Antares (Antima, 1991)

de:bug 07/10