Plattenbau

Posted: March 9th, 1999 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Der ebenfalls von TFSM/MFOC präsentierte Auftritt von Bradley Strider im Januar ist in Kiel wohl in guter Erinnerung geblieben, denn die Tanzdiele war am Samstag gut besucht, als Super Defekt, Elektropasha und DJ Subtropic im Rahmen der Plattenbau-Tour die Plattenspieler bedienten. Die rege Neugier der Kieler wurde dann auch reichhaltig belohnt, denn die drei DJs lieferten einen facettenreichen Abend in Sachen anspruchsvoller elektronischer Musik. Super Defekt und Elektropasha starteten eine Aufwärmphase auf hohem Niveau, die stilistisch von englischen Produktionen der 90er Ära geprägt war, als Labels wie Rephlex oder Warp das etwas unglückliche Genre „Intelligent Techno“ begründeten. Gut zusammengemixt gab es Musik in der Art von Richard D. James, B12, Kirk Degiorgio oder Autechre, also den musikalischen Gegenentwurf zu gleichförmigen Technosets, die sich eher über Härte und Geschwindigkeit als über Ideenvielfalt und Mut zum Risiko definieren. Am Anfang des Abends schien das Publikum damit etwas überfordert zu sein und nur zögerlich traute man sich zu, sich zu bewegen. Die DJs zogen daraus die Konsequenz und schwenkten flexibel von den ungeraden und zerhackten Beats britischer „Artificial Intelligence“ zu aktuellem Electro und tiefem Technohouse a la Planet E und Baby Ford. Infolgedessen regte sich nun die Partylaune und so entstand der notwendige Nährboden für Jake Smith alias DJ Subtropic aus Brighton, dessen Plattenauswahl aber zuerst kaum an subtropische Gefilde denken ließ. Düstere Science-Fiction Filme lagen als Assoziation schon etwas näher, da er seinen Set mit ziemlich hartem Darkstep begann und konsequent knackigen Drum and Bass mit Boller-Baß und sägenden Synthies auflegte. Da wurde einem ordentlich der Kopf gewaschen und es kam Bewegung in die Anwesenden. Dankenswerterweise verzichtete Subtropic auf übermäßige Tempomachererei, so daß auch Drum and Bass-Unkundige zu dem dunklen Soundgewitter tanzen konnten. Als sich dann schon jeder auf eine wuchtige Breakbeat-Party eingestellt hatte, wechselte Subtropic gekonnt das Register und schwenkte zu einem kompetenten Freestyle-Set über, welches in punkto Mixfertigkeit und Zusammenstellung einiges zu bieten hatte. Er überrumpelte die aufnahmebereiten Zuhörer mit Sprüngen zwischen Hip Hop, Electro, Filter Disco, House und Downtempo Breakbeats und immer wieder zurück zu Drum and Bass. Glücklicherweise war an diesem Abend jeder in der Laune für Abwechslung und Experimentierfreude, denn der Bereich um den DJ war durchgehend prall gefüllt. Nach DJ Subtropic sorgte dann Labelmacher Ralf Köster selbst mit ausgesuchten House- und Technoperlen für den runden Abschluß einer gelungenen Nacht. Es bleibt nur zu hoffen, daß die Tanzdiele auch weiterhin mit ihm zusammenarbeiten kann, denn Veranstaltungen von diesem Kaliber kann das Kieler Nachtleben wahrlich gut gebrauchen.

Kieler Nachrichten 03/99