How To Label (Design) – Interview mit Michael Hain
Posted: September 29th, 2011 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: de:bug, Interview, Michael Hain | No Comments »Als jemand der schon seit vielen Jahren jeden Tag aufs Neue mit Artworks für Vinyl-Veröffentlichungen umgeben ist, hat sich die Herangehensweise an das Thema von Label-Seite geändert, seit die Produktionsbudgets schrumpfen?
Ich habe in puncto Vinylgestaltung zwei gegenläufige Trends beobachtet, um mit der oft beschworenen Krise umzugehen; einerseits der Stamp/DIY-Ansatz, der u.a. von Veröffentlichungen, die mit Hard Wax assoziiert werden (z.B. MMM, WAX oder MDR), losgetreten wurde und andererseits, besonders in den letzten ein, zwei Jahren, auch eine Tendenz zum aufwändig und professionell hergestellten Vinyl-Release. Dabei denke ich besonders an einige Labels aus UK. Daneben gibt es auch Mischformen, wie ein clever gestaltetes Universalcover, das mit Hilfe von Stempeln oder Aufklebern an das aktuelle Release angepasst wird, oder auch mit Siebdruck oder anderen Handarbeitstechniken hergestellte Fast-Unikate. Im Grunde steht immer die Frage im Raum: wie bei kleinen Absatzzahlen trotzdem zumindest auf eine schwarze Null kommen? Produktionskosten gering halten oder teurer zu verkaufende Sammlerobjekte schaffen?
Ist Artwork für ein neu gegründetes Vinyl-Label immer noch ein Aspekt, in den investiert werden sollte? Was kann man mit einem gut gestalteten Release heute noch erreichen?
Ja, auf jeden Fall sollten wenn nicht mal unbedingt Geld, doch zumindest Gedanken investiert werden. Wie bei jedem Produkt, das man an den Mann oder die Frau bringen möchte, ist die Verpackung natürlich wichtig. Ich zum Beispiel orientiere mich sehr stark an Cover-Gestaltung, wenn ich Platten suche. Nach einer Weile entwickeln sich Heuristiken, mithilfe derer man Musik finden kann, die einem gefällt. Daher kann sich ein Label mithilfe von Artwork und Design in eine bestimmte Traditionslinie oder Kultur einordnen, um wiederum die potentiellen Fans gezielt anzusprechen. Persönlich empfinde ich es so, dass ein gewisser Aufwand auch Selbstvertrauen und Zuversicht in die Musik ausdrückt. Wenn man gerade mal die Minimalanforderungen für eine Vinylveröffentlichung erfüllt, dann frage ich mich als Plattenkäufer auch, wie viel Herzblut in der Musikproduktion steckt. Daran, dass man die Musik zu allererst mal visuell wahrnimmt, haben Downloads und Internet-Plattenversender nichts geändert: man sieht immer erst das Cover-Thumbnail, bevor man auf den Anhör-Button klickt. Im Plattenladen ist es ja noch offensichtlicher. Du weißt ja selbst, was es bedeutet, wenn eine Platte im Hard Wax an der Wand hinter dem Tresen hängt und durch ein herausragendes Artwork auffällt: natürlich wird nach dieser häufiger gefragt.
Braucht man heutzutage noch einen Grafikdesigner, oder wird das, wie auch andere Aspekte der Plattenproduktion, eher in die eigene Hand genommen um Kosten zu sparen? Wie wichtig ist dabei die Professionalität? Wie reagiert das Gewerbe auf DIY-Typo und Bildbearbeitung aus dem Internet? Wie stellst du dich als Grafikdesigner auf veränderte Ansprüche ein?
Ich bin ja auch nur ein Autodidakt und habe nie Grafikdesign studiert. Grafikdesigner sind gerade in Berlin ja ziemlich einfach zu finden. Es muss nicht immer eine teure Agentur sein, die einem das Cover gestaltet, damit es ein gutes Release wird. Wichtiger ist, dass der Grafiker die visuelle Einordnung oder wie man das auch immer beschreiben möchte, bewerkstelligt. Es sollte irgendwie passen. Das kann durch einen befreundeten Grafiker passieren oder durch eine professionelle Agentur. Bei Agenturen oder professionellen Grafikern habe ich aber manchmal das Gefühl, dass diese eigene Trends haben, denen sie nachgehen. Es gibt Monate da kommen zwei, drei Platten auf unterschiedlichen Labels heraus, die sehr ähnliche Cover haben oder zumindest ähnliche Gestaltungsprinzipien verfolgen. Ich denke dann immer, dass die bestimmt alle das gleiche Gestalter-Magazin abonniert haben.
Sollten Labels noch auf eine Corporate Identity setzen?
Wenn man als Label wiedererkennbar sein möchte, dann ja. Es gibt aber sehr unterschiedliche Möglichkeiten. Die meisten Labels in unserer Szene sind ja keine Labels im Ursprungssinn, sondern die Veröffentlichungsplattform eines Künstlers oder Künstlerkollektivs. Zur Label-Arbeit gehört ja traditionellerweise A&R. Das fällt weg, wenn ein Künstler selbst sein Label gründet. Wenn ein Label für Qualität steht, dann ist es natürlich auch gut, wenn es erkannt wird. Aber das muss man im Einzelfall sehen. Es gibt unendliche Möglichkeiten, vom Standardcover bis zum kleinen Logo irgendwo in einer Ecke.
Gestempelte White Labels oder Platten ohne Cover sind ja eine Strategie, die gerne mit dem Hard Wax-Umfeld assoziiert wird und auch heute noch vielfach angewandt wird. Wie siehst du heute dabei die Gewichtung bzw. Wechselbeziehungen von ästhetischer Überzeugung, ökonomischen Zwängen und Abgrenzungsüberlegungen? Hat sich die Wirkung evtl. schon verbraucht?
Ganz am Anfang war das überhaupt keine Strategie. Wenn ich mich richtig erinnere, waren Erik und Fiedel mit MMM die ersten, die es so gemacht haben. Und damals – es war immerhin 1996 – war es tatsächlich eine rein ökonomische Überlegung. Nach der was-weiß-ich-wievielten Auflage hätten sie sich auch sicher gedruckte Labels spendieren können, aber dann haben die beiden es einfach weiter so gemacht wie bisher. Die Stempel-Releases jetzt stehen ja auch für ein gewisse Herangehensweise: es gibt keine Vorab-Promos, keine Info-Sheets mit halb erzwungenen Statements von DJs etc.: die Platten kommen aus dem Presswerk, werden dann gestempelt und stehen dann auf der Hard Wax-Webseite – “quick white label action” wie es unser Chef-Einkäufer Torsten so schön genannt hat. Das Design war also direktes Ergebnis der Produktionsweise. Andere haben das dann als Erfolgsrezept angesehen und aufgegriffen, oft jedoch nur den Aspekt des Stempel-Designs beibehalten. Wenn es das ganze Promo-Tamtam gibt, dann ist das Lo-fi-Erscheinungsbild ein bisschen albern. Ich denke auch, dass es jetzt zur Masche verkommen ist und dass wir wohl nicht mehr viele neue Stamp-Release-Labels – zumindest aus dem Hard Wax-Umfeld – sehen werden.
Was hältst du von alternativer Gestaltung, z.B. Inserts, Stempel, Sticker, Lochung etc. Ist das eine kreative Begrenzung oder eine Notlösung, oder ist da noch viel künstlerische Luft? Kann man auch mit geringem Aufwand ein Artwork umsetzen, das vom Material her aufwändiger ist? Sollte man das sogar?
Ich finde alles gut, wenn es in sich irgendwie Sinn ergibt. Dieses auf Biegen und Brechen Unikat- und Sammlerobjekt-sein-wollen finde ich auch komisch. Da ist für meinen Geschmack eine Schieflage in die andere Richtung erreicht: die eigentliche Musik tritt vor den limitierten, durchnummerierten, farbigen oder sonst wie auratisch aufgeladenen Vinyl-Sammlerstücken in den Hintergrund. Das wirkt oft so, als wäre die Platte direkt für den Discogs-Gebrauchtmarkt hergestellt worden. Prinzipiell sollte man alles ausreizen dürfen, was die Fertigungspalette hergibt, solange es als Gesamtprodukt funktioniert und nicht zu sehr gewollt wirkt. Ich habe zum Beispiel gerade sehr viel Freude beim Entwerfen von mit Lyrics bedruckten Inner-Sleeves gehabt. Das ist so was Klassisches, was einen Mehrwert für den Käufer der Platte darstellt.
Ist das Vollcover trotz Krise wieder auf dem Vormarsch?
Ich denke ja. Nach dem Trend der steigenden Release-Zahlen, um die schrumpfenden Verkaufszahlen pro Release zu kompensieren (was eine Milchmädchenrechnung ist), wird es eine Tendenz zu mehr Qualitätskontrolle und Begrenzung geben. Die klassischen Label-Tugenden wie gutes A&R, Künstleraufbau etc. werden in kleineren Rahmen wieder an Bedeutung gewinnen und die Musik wieder langlebiger werden. Damit kann auch wieder mehr in einzelne Releases investiert werden. Das ist aber nur zur Hälfte meine Einschätzung und zur anderen meine Hoffnung.
Es wird heute auch bei Vollcovern meistens nicht mehr viel in Material und Druck investiert. Wird das so bleiben, und kann man das umgehen und dennoch “aufwändige” Effekte erzielen?
Für einen kreativen Kopf stellen Limitierungen ja auch immer Herausforderungen dar. Ich mache mir da keine Sorgen. Die Technologien haben sich immer verändert und die Leute mussten zu jeder Zeit alles herausholen. Selbst wie Kartoffeldruck wirkende Reggae 7″s sehen ja teilweise genial aus. Und man kann sich immer nach neuen (oder alten) Techniken umschauen, wenn einem der Laser-Print von Online-Druckereien nicht gefällt. Honest Jon’s hat z.B. wundervolle Platten mit Prägedruck und Buchbinde-Rücken herausgebracht und ist sowieso ein gutes Beispiel für hervorragendes Plattendesign. Wie oben schon angedeutet, gibt es einen Zusammenhang von der Qualität der Musik und dem Design. Wenn eine Platte eine Halbwertzeit von ein paar Wochen hat, dann investiert man natürlich auch nicht unendliche Summen in das Erscheinungsbild.
Wird das Artwork immer ein integraler Bestandteil von Label-Arbeit sein, wenn man physikalisch veröffentlicht?
Auf jeden Fall, denn das ist ja gerade der Unterschied zum nur-digital-veröffentlichen, dass man etwas mit vielen Sinnen Erfahrbares produziert. Das merkt man auch an den ganzen eben erwähnten Techniken, die in letzter Zeit öfters benutzt werden, wie z.B. Prägungen. Das kann man als 600×600 Pixel-Bild natürlich nicht wiedergeben. Der Drang, etwas zu erschaffen, was sich von dem Vorangegangenen unterscheidet, erstreckt sich auch auf das Cover-Design und sollte es tun. Dafür ist allerdings die Grundvoraussetzung, dass man sich tatsächlich unterscheiden möchte.
How To Label (Design) – Interview mit Felix K
Posted: September 28th, 2011 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: de:bug, Felix K, Interview | No Comments »Als ihr eure ersten Vinyl-Veröffentlichungen auf den Markt gebracht habt, gingen die Umsätze schon zurück. War das Artwork der Platten schon eine Reaktion auf veränderte Voraussetzungen?
Ehrlich gesagt haben wir uns über den Markt kaum Gedanken gemacht. Wir wollten Schallplatten machen, weil es das beste Medium für Musik ist. Das Design für das erste Release kam aus frühen Entwürfen, als einer von uns noch Flyer gestaltet hat, und war eigentlich auch kein großes Thema für uns. Viele Gedanken haben wir uns darum am Anfang nicht gemacht. Eigentlich wollten wir auch einfach nur wissen wie es ist, eine Schallplatte gemacht zu haben und wir waren ziemlich froh, dass das geklappt hat.
War das Artwork für euch ein integraler Bestandteil der Release-Produktion?
Das Artwork ist für uns auf jeden Fall ein integraler Bestandteil am Spaß, eine Platte zu machen. Dafür nehmen wir auch Extra-Arbeit in Kauf. Wir scheuen uns auch nicht davor, Nächte lang zu stempeln oder Transparentpapier zu schneiden. Umso mehr freuen wir uns dann über das fertige Produkt.
Welche Überlegungen führten zu dem visuellen Endergebnis? Wie korrespondierte der Inhalt mit der Gestaltung?
Bisher lief es so, dass wir unsere Ideen diskutiert und uns irgendwann für eine grafische Umsetzung entschieden haben. Meistens hörten wir uns die Musik für die Releases an, bis eine Idee für das Artwork kam. Im Laufe der Produktion hat sich jedoch meistens alles anders entwickelt, weil unsere Idee entweder doch nicht so einfach umsetzbar wie erwartet war, oder weil kurz vor Ende noch eine bessere Idee kam. Bei der QNS-Reihe fanden wir, dass zu der Musik ein einfaches Design passt. Daher haben wir uns für Stempel entschieden. Weil wir nicht bloß einen Logo-Stempel draufmachen wollten, haben wir uns dafür entschieden, eine Serie zu machen um eine kleine Mini-Geschichte erzählen zu können. Die Geschichte sollte das Konzept “Quantity not Sufficient” thematisieren. Weil wir die Musik schließlich mit Science Fiction-Filmen assoziiert haben, kamen wir zu den Stempelmotiven, die eine Freundin für uns entworfen hat. Bei der Solaris-Reihe war der Prozess anders. Wir sind große Fans von Tarkowskis Solaris-Film und hatten uns früh dafür entschieden, eine Serie zu machen, die den Film thematisiert. Als das Konzept soweit stand, haben wir nach Musik Ausschau gehalten. Für das Artwork kam uns die Idee, für jede Platte der Solaris-Reihe unterschiedliche Motive auszuwählen. Das heißt unterschiedliche Designs für knapp 900 Platten. Wir wollten es aber unbedingt ausprobieren. Die Idee kam uns vor einiger Zeit, als wir die QNS-Reihe zu Hard Wax brachten, um uns damit vorzustellen. Wir hatten alle sechs QNS-Platten mit fertigem Artwork mitgebracht und dort dachte man, es wäre nur die erste QNS mit unterschiedlichen Stempelmotiven. Man hielt uns für verrückt. Wir fanden das allerdings so gut, dass wir den Gedanken bei der Solaris-Reihe aufgriffen. Anstelle der Stempel haben wir dort allerdings auf Transparentfolie zurückgegriffen und jede mit einem eigenen Bildausschnitt aus dem Solaris-Film versehen.
Was hat euch dazu bewogen, die Vorgehensweise von QNS gegenüber der Solaris-Serie zu ändern?
Bei QNS haben wir eine Idee ausprobiert, bei Solaris eine andere. Das ist eigentlich das ganze Konzept, dass dahintersteht. Wir wollten uns mit der einen Reihe nicht bewusst von der anderen Reihe abgrenzen. Dahinter stecken eher die Faszination und das Ausprobieren von Möglichkeiten. Zum einen mögen wir den Gedanken, uns immer wieder neu zu erfinden. Das Serienkonzept ermöglicht es, dass wir uns nicht für alle zukünftigen Releases festlegen müssen. Wir können dadurch Musikstile und Designs ausprobieren. Außerdem gefällt uns der Gedanke, Arbeiten abschließen zu können. Zum anderen ermöglichen es uns Schallplattenreihen, “out of the box” zu denken. Eine Reihe wie QNS oder Solaris gibt den einzelnen Musikstücken daraus eine über sie hinausgehende Bedeutung.
Gibt es auch Formen der Gestaltung, die ihr heutzutage ablehnen würdet, z. B. Vollcover, bestimmte Materialien etc.?
Nein.
Wie wichtig ist Artwork für die jetzige Label-Landschaft und Musikwirtschaft? Ist das eher eine traditionelle Beziehung, oder geht das darüber hinaus?
Bei einigen Labels besteht das Artwork gerade darin, kein Artwork zu haben. Wir würden sogar behaupten, Vinyl kommt auch ohne Artwork aus, weil Vinyl als solches schon Artwork ist. Es gibt zwar viele Acts, beispielsweise aus dem Gitarren-Bereich, die aufwendige Cover und Musikvideos haben. Dort hat man aber auch das Gefühl, dass da ein richtiges Management dahintersteckt und dass dort viele unpersönliche Produktionsschritte ablaufen, bevor das Musikstück zum Kunden kommt. Bei elektronischer Musik ist das oft anders. Da ist ein Management aufgrund der relativ einfachen Musikproduktion nicht erforderlich und traditionsgemäß spielt Selbstdarstellung keine allzu große Rolle. Entscheidend ist vielmehr, ob die Musik gut ist. Das beste aufwendigste Artwork hilft einem nicht unbedingt dabei, einen Vertrieb oder Käufer zu finden.
Wie sollte ein neu gegründetes Vinyl-Label mit dem Thema Artwork umgehen? Lohnt es sich, darin zu investieren? Gehört das unabdingbar dazu?
Für uns ist Artwork ein wichtiger Grund, um zusätzlichen Spaß an der Release-Produktion zu haben, weniger ein Kaufgrund.
Seht ihr Trends in der Gestaltung, die sich aus den momentanen Gegebenheiten ableiten lassen?
Naja, es werden kleinere Stückzahlen gepresst. Vielerorts regen sich Leute auf, dass sie von einem Release keine Kopie abbekommen haben, oder sie regen sich darüber auf, dass es kein digitales Release davon gibt. Tatsächlich sind die kleinen Stückzahlen eine Anpassung an die Gegebenheiten und eine Reaktion auf die Entwertung der Musik durch beliebige Reproduzierbarkeit im Internet. Die Knappheit erzeugt bei Schallplatten eine Wertsteigerung. Auf Discogs kann man beobachten, zu welch verrückten Ergebnissen das leider führt. Die teuren Platten sind jedoch nicht immer die hübschesten. Was mit den kleineren Stückzahlen einhergeht, sind die wachsenden Möglichkeiten bei der Gestaltung des Artworks. Es ist plötzlich möglich, jede Kopie eines Releases einzeln zu designen. So persönlich war die Musikindustrie noch nie. Es ist auch relativ leicht, derzeit ein schönes Produkt bestehend aus Musik und Design herzustellen. Ein aufwendiges Stempeldesign etwa wäre bei Stückzahlen von über 1000 Stück kaum denkbar.
Wie wichtig ist die Gestaltung noch als identitätsstiftendes Element eines Labels?
Uns ist unsere eigene Label-Identität gar nicht in dem Maße bewusst, als das wir wüssten, welchen Einfluss unser Artwork darauf hätte. Wir sind uns zwar über die Wichtigkeit eines Labels für die Veröffentlichung von Musik bewusst, unser Ziel ist jedoch schon erreicht, wenn wir durch unser Design niemanden vom Kauf abhalten. Generelle Aussagen für andere Labels sind schwer zu treffen, weil es darauf ankommt, welche Vorstellung die Labels von ihrer Musik und ihrer Selbstdarstellung haben. Die meisten Labels definieren sich doch eher über ihren Sound als über das Design. Das Design hilft dann bei dem Wiedererkennungswert oder als ein Medium für ein ästhetisches Zugehörigkeitsgefühl. Das kann auch ein einfaches, nicht aufwendiges DIY-Artwork leisten.
Sollte man denn einen professionellen Grafikdesigner beschäftigen, oder kann man auch mit einer DIY-Strategie erfolgreich sein?
Das hängt davon ab, was man unter Erfolg versteht. Heutzutage ist man ja schon erfolgreich, wenn man die Platten die man presst auch verkaufen kann. Dafür ist DIY sogar eher geeignet. Der DIY-Markt ist relativ groß und ein handgefertigtes Artwork wird von vielen Seiten gewürdigt. Will man dagegen eher den Rockstar-Erfolg, dann ist wohl ein identitätsstiftendes Design gefragt, das einen medialen Mehrwert erzeugt. Dafür ist ein professioneller Designer besser geeignet, wenn es darum geht eine ganze Kampagne mit Video usw. zu machen. Der Profi sorgt allerdings auch nicht dafür, dass das Artwork immer gut aussieht. Es gibt auch jede Menge hässliches aufwendiges Artwork (siehe UK). Wir dagegen haben Spaß an DIY und beschäftigen keinen professionellen Designer. Das heißt nicht, dass unser Design nicht von Leuten käme, die auch als professionelle Designer arbeiten könnten. Wir beauftragen jedoch keine Agentur damit, sondern Freunde, die verstehen was wir wollen und mit denen wir gerne Zeit verbringen und mit denen wir gerne planen.
In welcher Art und Weise möchtet ihr Design-Möglichkeiten künftig nutzen?
Am besten wäre es, wenn wir uns immer wieder selbst überraschen.
@ Summer Of De:Bug
Posted: July 7th, 2011 | Author: Finn | Filed under: Gigs | Tags: ://about blank, Berlin, de:bug | No Comments »Deep House 3.0 – Die Sache mit dem Preset-Traditionalismus
Posted: March 22nd, 2011 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: de:bug, Deep House | 31 Comments »Es gab eine Zeit, grob eingeteilt gegen Ende der 80er Jahre, in der man House und Techno noch nicht auseinanderdividieren konnte. Detroit Techno war noch weitestgehend ein Spezialistenthema, und bevor man via England die Massenkompatibilität entdeckte, war unmittelbar nach der Acid-Ära noch alles House, wenn auch in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Doch dann fand eine grundlegende Trennung statt, die bis heute Bestand hat. House ist seitdem die Musik von Traditionsbewusstsein, Disco-Erbe, Deepness, dem großen Gefühl, dem ewigen Groove, der wahren Wahrhaftigkeit. Techno hingegen der vermeintlich futuristische Gegenentwurf, die Suche nach der Alternative, die Lossagung der Clubmusik von der eigenen Geschichte, und natürlich auch der musikalische Hort des Rave. Lange Jahre fanden große Teile der Techno-Gemeinde House spießig und schwul, und große Teile der House-Gemeinde fanden Techno stumpf und oberflächlich. Natürlich konnte der echte Deep House Soldier ebenso wenig mit kommerziellen Handtaschen-House anfangen, wie der echte Detroit Techno- oder IDM-Fan mit den Love Parade- oder Mayday-Horden, und natürlich konnte man auch mit House und Techno gleichzeitig glücklich sein, aber die Schubladen waren offen und man sortierte sich größtenteils aneinander vorbei. Dann kam der Siegeszug von Minimal, erst mit House-, dann mit Technoanbindung, und beide Lager hatten solange Einbußen zu verzeichnen, bis der Dancefloor der ständigen Reduktion auf das Wesentliche wieder überdrüssig wurde, und die Wiederkehr zu deutlicheren Signalen wieder an der Reihe war.
Doch nun ist es der klassische House-Sound, der auf einmal das Lauffeuer entfacht hat, und Techno ist das zeitweilige Annektierungsgebiet, was in den Jahren zuvor eher umgekehrt war. Und wie es dann immer ist wenn ein Sound die Vorherrschaft übernimmt, ist jeder schon immer dabei gewesen, und jeder will nichts anderes mehr produzieren, anderweitige Diskografien oder späte Geburtenjahrgänge hin oder her, egal wie man sich auch wieder um- oder zurückorientieren mag wenn die Hausse wieder schwächelt. Und natürlich hat jede Generation das Recht sich bei neuen Produktionen aus dem Reservoir der vorherigen zu bedienen, das war schon zur Disco-Ära so, zur House-Pionierphase, und bei nahezu allem was danach kam. Das Rad, es lässt sich wohl tatsächlich nicht neu erfinden, wenn der Track vernünftig rollen soll.
Es ist aber trotzdem erstaunlich, wie wenige Produzenten zumindest versuchen, sich vom Referenzspektrum der House-Geschichtsbücher mit einer eigenen Handschrift zu emanzipieren. Es mag daran liegen, dass der Zugang gerade bei der jüngeren Generation zu frisch ist, man muss sich erst einmal abarbeiten, und in Zeiten, in denen jede noch so obskure Kleinstlabel-Veröffentlichung ohne weiteres im Netz zu finden ist, und sich jeder einstmals noch so individualistische Soundentwurf binnen kürzester Zeit im Software-Studio nachbauen lässt, muss man vielleicht noch etwas warten, bis sich aus der reinen historischen Aufarbeitung neue Impulse ergeben. Gerade jetzt findet das offensichtlich kaum statt. Eine erdrückende Vielzahl von aktuellen House-Produktionen möchte zuallererst möglichst genau die Klassiker imitieren, denn womöglich sind sie aus gutem Grund zu Klassikern geworden. So klingt man in der Regel nach Früh-Chicago-Schmutz oder Früh-New York-Eleganz, oder Theo oder Kenny, Moritz und Mark, Larry oder Bobby, oder Rheji und Ronald oder Chez und Trent, aber meist wenig nach sich selbst. Man wildert vielleicht auch bei unbekannteren Inspirationsquellen, aber nicht minder eins zu eins, und somit mit keinem größeren Mehrwert.
Die einzige Anbindung an das Jetzt sind dann oft nur die modernen Preset-Sounds, bei deren Anwendung dann gerade die Qualitäten verlorengehen, die einst die Klassiker gerierten. Dass das einfach nicht gut funktioniert, demonstrieren auch so manche alte Helden, die im hastigen Versuch den Anschluss wiederherzustellen, ebenso glatt, emotionslos und mittelmäßig klingen wie ihre Nachahmer. Die Sache mit House und dem Feeling, sie scheint leichter zu sein als sie ist, und sie lässt sich mit ein paar nach dem Schulbuch gesetzten Flächen, Akkorden und Vocal-Samples nicht automatisieren. Da nützt es auch nichts, wie bei der Midtempo- bis SlowMo-Brigade, die Musik zu verlangsamen. Wenn die Musik an sich schon zu wenig bietet, könnte man sie auch wieder hochpitchen, und sie würde immer noch zu wenig bieten. Und auch wenn die UK-Jungspunde alters- und wissensbedingt erst jetzt genau den Reiz der Disco-Acapellas auf ihren Sample-CDs entdecken, den einst etwa Todd Terry als Signatur von seinen eigenen Wurzeln in seine Gegenwart rekontextualisierte, es ändert nichts an der Tatsache, dass man sich überhaupt noch bei Sample-CDs bedient, anstatt selber etwas samplen, was noch nie benutzt wurde. Wenn sich in DJ-Sets das wahre Alter eines Tracks nur darüber entlarvt, dass es beim Abspielen knackt und knistert und mit den Klangzutaten weniger taktgenau und strukturformatiert umgegangen wird als in den paar Mimikry-Produktionen davor und danach, ist etwas grundlegend faul im Staate Baukasten-Prinzip, und das kann nur mit einer guten Portion Individualismus, Eigeninitiative und Forschergeist behoben werden. Hat schon oft genug vorher geklappt, und wirkt auch langfristiger, sonst müsste man da ja auch überhaupt nicht mehr ständig ansetzen. In diesem Sinne.
The Flying Lizards – The Flying Lizards
Posted: November 11th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Rezensionen | Tags: David Cunningham, de:bug, Platte des Tages, The Flying Lizards | No Comments »Die Sound-, Konzept-, und Stilideen der klassischen Post-Punk-Zeit, auf unzählige Veröffentlichungen auf Klein- und Großlabels verteilt, bilden einen solchen Riesenwust von Referenzpotential, dass die nachfolgenden Generationen mit der Aufarbeitung kaum hinterherkommen. Diese Bemühungen gehen schon seit den 90ern voran, und immer noch gibt es neue Aspekte, die es aufzugreifen lohnt. Erst konzentrierte man sich bei Electroclash auf die eher übergreifenden Hits, Mode, und Performance, dann folgten die Spezialisten und gruben bis in die entlegensten Winkel nach Vergessenem, Unveröffentlichtem, und möglichen Wiederveröffentlichungen. Und nun geht Techno allerorten zu seinen alternativen Wurzeln zurück, und man beruft sich eher auf Throbbing Gristle denn auf Kraftwerk, grieseliges Grau statt knalliges Neon, Haltung statt Pose, Konzept-Elitismus statt Pop-Gegenentwurf. Bevor man sich in diesen ganzen Verhältnismäßigkeiten verheddert, kann man aber auch einfach auf die Flying Lizards zurückgreifen, die auf einem Album eigentlich alles anticken, was die Musik in diesem Kontext so großartig macht: respektlose Pop-Dekonstruktionen etwa, möglichst desinteressiert von einer blasierten New Wave-Schönheit interpretiert (“Money”, “Summertime Blues”), Tschingderassabumm-Speed-Opern (Mandelay Song), zweckentfremdeter Rock ‘n’ Roll-Klassizimus (“TV”), verqueres Songwritertum (“Her Story”, “The Window”) oder Dub-Labortests (man beachte die brilliante Abfolge “The Flood”, “Trouble”, Events During Flood”). Man kann David Cunningham nicht wirklich einen unterschätzten Künstler nennen, aber was er hier mit u. a. Steve Beresford, David Toop, Vivien Goldman, Deborah Evans und Mitgliedern der Pop Group und This Heat verantaltet, ist wirklich außergewöhnlich. Das Nachfolgealbum “Fourth Wall” ist nicht so zerstreut, aber ähnlich genial, und ist eine merkwürdige, aber gern genommene Samplequelle für Detroit Techno (z. B. “Steam Away”). Das dritte Album “Top Ten” erschöpfte sich etwas in der Idee der gelangweilten Schepper-Coverversionen, auf den B-Seiten der Single-Auskoppelungen “Sex Machine” und “Dizzy Miss Lizzie” tummeln sich aber sehr bemerkenswerte und einflussreiche Proto-Techno-Wildheiten (“Flesh And Steel”, Gyrostatics”). Cunningham ist natürlich sowieso ein überragender Produzent von Palais Schaumburg, General Strike, This Heat bis Wayne/Jayne County & The Electic Chairs, anerkannter Avantgarde-Haudegen und, ich vermute mal vermutlich unfair, derjenige, der Michael Nymans Musik u .a. für Peter Greenaway zur Erträglichkeit dirigiert hat. Und dank Staubgold zum ersten Mal auf Vinyl im Erscheinen begriffen ist “The Secret Dub Life Of The Flying Lizards”, eine Sammlung von Dub-Aufnahmen von 1978, mit Jah Lloyd auf Jamaika aufgenommen. Ich finde das braucht man alles, wenn nicht mehr.
The Flying Lizards – The Flying Lizards (Virgin, 1980).
Landlord – I Like It
Posted: October 20th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Rezensionen | Tags: de:bug, Landlord, Nick Fiorucci, Platte des Tages | No Comments »In der House- und Technogeschichte gibt es reichlich Auswahl an Signaturklängen, die auch Dekaden nach ihrer Entstehung noch bestens funktionieren und deswegen auch weiter und weiter benutzt werden. Wenn Derrick May jedesmal Geld bekommen würde, wenn jemand die Bassline von “Nude Photo” verwendet, er hätte sich nicht nur die mit den Jahren immer unnachvollziehbareren Erklärungen sparen können, warum er keine Musik mehr produziert, er hätte nichtmal mehr auflegen müssen. Larry Heard hätte sich mit stetigen Tantiemen der Bassline von “Can You Feel It” nie mehr mit dem Musikbusiness rumärgern müssen, dito Kevin Saunderson, sei es mit seinem patentierten Bassgrummeln oder den Euphorieakkorden von “Good Life”. Der Flurschaden-Staubsauger von Joey Beltrams “Mentasm”, und so weiter und so fort. Es gibt diverse solche kanonisierten Großklassiker, welche die fortwährende Verehrung ihrer Urheber rechtfertigen, auch wenn ihnen mit den Jahren die Ideen ausgegangen sind. In Hinblick auf die eine geniale Idee hat die Clubkultur durchaus ein Elefantengedächtnis und man kann lange davon zehren. Und dann gibt es diese Platten, die fast aus Versehen zur Legende werden, ohne große Auswirkungen auf die Karriere des Produzenten. “I Like It” von Landlord ist dafür ein Paradebeispiel. Wer nach mehr Releases von Landlord sucht, wird nichts finden, es gibt nur dieses eine. Bereits 1989 auf dem klassischen kanadischen House-Label Big Shot erschienen, hatte der spätere Hi-Bias Hausproduzent Nick Fiorucci wohl nichts anderes im Sinn als eine amtliche House-Produktion. Er tat sich mit einem Sänger mit dem ziemlich unglaublichen Namen Dex Danclair zusammen (der außer auf “I Like It” nie wieder in Erscheinung trat), und machte das, was er desöfteren machte: Deep House mit Gefühl und leicht angedunkeltem Sanftmut, nicht zu kickend, nicht zu dramatisch, nicht zu tief schürfend. Aber selbst in den konventionelleren Versionen des Tracks schrauben sich an clever gesetzten Punkten diese Stabs hoch, die man, einmal gehört, einfach nie mehr aus dem Kopf bekommt. Fiorucci schien das Potential dieser Akkordfolge durchaus abgesehen zu haben, denn der “Blow Out Dub” besteht dann aus nicht anderem als einer Bassline, eher dezenten New York Freestyle-Breaks, und eben diesem Piano-Riff, immer und immer wieder. Und was sich auf Zimmerlautstärke schon beeindruckend effizient anhörte, richtete im Club ungeahnte Verheerungen an. Ein archetypisches Rave-Signal, aus einer so schönen wie unspektakulären Vocal-House-Platte geboren. Generationen von Produzenten konnten davon nicht mehr die Zitatfinger lassen, bis zum heutigen Tag. Natürlich kommt das nicht von ungefähr, man kann mit diesen wenigen Akkorden aus jedem unscheinbaren Track eine Stimmungsschleuder zusammenmixen, und aus jedem schon guten Track etwas, das wie ein außerordentlich guter Track wirkt. Wer das nicht glauben will, möge das gerne mit der aktuellen Preset-Produktion überprüfen, wo noch das gewisse je ne sais quoi fehlt. Aber bitte vorsichtig.
Landlord – I Like It (Bigshot Records, 1989)
Eric B & Rakim – Follow The Leader
Posted: September 21st, 2010 | Author: Finn | Filed under: Rezensionen | Tags: de:bug, Eric B & Rakim, Platte des Tages | 4 Comments »Wenn heutzutage ein DJ in einem Techno- oder Houseset eine von der Geschwindigkeit passende Hip Hop-Platte auflegen würde, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit augenblicklich Stille im Saloon, der betreffende Booker würde Stoßgebete gen Himmel richten, und die Forenserver gingen in Rauch auf. Gelegentliche Ausflüge von Erfolgsproduzenten -und Rappern in die Dance-Kultur einerseits, man erinnere sich beispielsweise an Snoop Doggs famosen Flötenhouse-Ausrutscher “Sexual/Sensual Eruption”, und gelegentliche Ausflüge von Erfolgsproduzenten- und DJs in die Hip Hop-Kultur andererseits, man erinnere sich beispielsweise an unselige Gastauftritte auf irgendwelchen Ed Banger-Platten o.ä., haben im Prinzip den Burgfrieden nicht wieder hergestellt. Hip Hopper halten Clubmusik für oberflächlich und schwul (oder auch für nicht lukrativ genug, zu wenig materialistisch, zu wenig poppende Glocks), und Clubmusiker halten Hip Hop für oberflächlich und nicht schwul genug (oder auch für zu lukrativ, zu materialistisch, zu viel poppende Glocks). Man wirft sich gegenseitig vor, falsche Botschaften auszusenden, und bezichtigt sich der Irrelevanz. Die eine Fraktion schüttelt den Kopf über falsche Drogen und Gehampel und sinnlose Eskapismen, die andere Fraktion schüttelt den Kopf über falsche Drogen, Statussymbole und sinnlose Gangsterismen. Die gemeinsamen Wurzeln, sie werden geschichtsklitternd unter den Teppich gekehrt. Die Zeiten, als im Club beides ging, sowieso. Alle Behauptungen, dass man sich da wieder annähern würde, sind Nischeneinblicke ohne Realitätsanbindung. Zulange hat es sich die große Mehrheit der Hip Hop-Kultur unterhalb der 120er-bpm-Grenze in Kopfnickertempi gemütlich gemacht, zulange hat sich die Tanzmusikkultur damit begnügt, der anderen Seite ein generelles inhaltliches Armutszeugnis auszustellen.
1988 etwa war das alles noch kein Problem. Der energetische Sloganismus von Public Enemy oder das unterschätzte Frühwerk der Stereo MCs liefen auf jeder amtlichen britischen oder kontinentaleuropäischen Acid House-Party (wo entgegen dem gegenwärtigen clubkulturellen Revisionismus keineswegs nur 303-Geblubber lief, sondern alles zwischen Barry White und Lisa Stansfield einen Auftritt haben konnte), und selbst ein düster-dräuendes Biest wie “Follow The Leader” war eine frenetisch gefeierte Hymne. Und warum auch nicht? Rakim, der weltcoolste MC, war schon früh via Sampling in den Dance-Kanon aufgenommen, und der soundtrackhafte Charakter des Stücks passte bestens in die funktionale Psychedelik der Strobonebelwelt. Noch war alles gemeinsam 4/4, und solange die DJs es schlüssig zusammenbringen konnten, war es schlüssig zusammengebracht. Und eigentlich könnte das jetzt wieder klappen. Die Slow Motion-House-Bewegung hat sich schon fast so heruntergedrosselt, dass man bei der überwiegenden Hängerdynamik von Hip Hop anklatscht, jeder dritte Pos(t)erboy-Emo-House-Produzent behauptet im ersten Interview, in der Jugend quasi nichts anderes gehört zu haben, ein bisschen House vielleicht noch, und die Rap-Elite ist auf der Sinnsuche immerhin schon bei Daft Punk und Haddaway angelangt. Man könnte also auch problemlos die Edit-Kanone aufeinander richten. Entweder es gibt dann wieder einen Leader mit reichlich Followern, oder man redet anschließend überhaupt nicht mehr miteinander, vielleicht nicht einmal mehr übereinander. Aber probieren geht über studieren.
Eric B & Rakim – Follow The Leader (MCA, 1988)
Everything But The Girl – Eden
Posted: September 15th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Rezensionen | Tags: de:bug, Everything But The Girl, Platte des Tages | No Comments »1984, als “Eden” erschien, war der große Bruder doch noch nicht am Ruder, jedenfalls nicht in der englischen Popmusik. Gewisse Reglementierungen waren aber schon zu spüren. Irgendwo musste es hin, das schnelle Geld, und irgendwie musste es revidiert werden, das gute englische Stilempfinden. Den spätgeborenen Mods und Soulboys war Mod und Soulboy sein nicht mehr ausreichend, man entdeckte im großen Stil die Freuden von gefälliger Jazzmusik, Stil-, Literatur-, Film-, Literatur- und Designklassiker der 50er bis 60er Jahre und vor allem Londons Rare Groove-Szene brodelte dann so heftig, dass eine musikalische Ausgeburt in den Charts nur eine Frage der Zeit war. Blue Rondo À La Turk waren für Sohos Wag Club das, was Kid Creole & The Coconuts für die New Yorker Danceteria waren, Paul Weller war so von den Möglichkeiten eingenommen, dass er dafür The Jam opferte (deren Spätphase war der Nachfolgeband The Style Council eigentlich ähnlich, aber das neue Personal war einfach passender), und dann kam Sade, die vor allem bei männlichen Journalisten für ungeahnte Verwirrung sorgte, und aus einer Szene eine Bewegung werden ließ. Man konnte Everything But The Girl allerdings kaum Mitläufertum unterstellen, Tracey Thorn hatte bereits einige Meriten als tragendes Mitglied der legendären Marine Girls und eine umjubelte Lagerfeuer-Soloplatte vorzuweisen, und tatsächlich ließ sich die frühe Musik der Band eher mit dem Young Marble Giants-Nachfolger Weekend vergleichen, als mit Viktor Lazlo. Aber für den Erfolg von “Eden” hat das überwiegende Tristeza-Bossa Nova-Songwritertum der Songs auf “Eden” sicher nicht geschadet, und der Zeitgeist breitete folglich jovial die Arme aus. Sie wollten nicht so dringend die Coolness ihrer Vorbilder erreichen, vernestelten sich nicht so sehr mit ungelenkem Anti-Thatcher-Salonsozialismus und waren generell nicht so oberflächlich wie andere Vertreter jener Zunft. Man kann sicher argumentieren, dass Tracey Thorns Stimme so markant ist, dass jeder Song mit ihrer Beteiligung quasi automatisch schon immer ganz melancholisch wird, aber so schön wie hier fasste ihr Gesang Musik und Text selten zusammen. Und “Eden” ist bis heute eines dieser Alben, das deprimierte Grundstimmungen ergänzt und erklärt, ohne deprimierend zu sein, da kann kommen was wolle. Everything But The Girl blieben aber auch später verlässlich, sei es in ihrer kurzen Smiths-Phase auf dem nächsten Album, oder mit dem was sie jetzt sind, nach Ben Watts mysteriöser Erkrankung und Tracey Thorns Zweitkarriere als Gastauftrittsinstitution, sozusagen der altersweise Realitätscheck alternder und sinnsuchender jüngerer Clubber. Demgegenüber ist Paul Weller jetzt Steve Marriott, Sade ist Kate Bush, und der Rest wartet auf das große Acid Jazz-Revival.
Everything But The Girl – Eden (Blanco Y Negro, 1984)
Jeff Mills – The Occurrence
Posted: September 8th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Rezensionen | Tags: de:bug, Jeff Mills, Platte des Tages | No Comments »Das Konzept der alten, nicht rostenden Liebe hat einen schweren Stand in der hastigen Welt der elektronischen Musik, wo der eigene und der an hungrige Hypemaschinen verfütterte Fortschrittsglaube ständig Ausschau hält nach neuen Entwürfen, Klängen und unverbrauchten Themen. Das hält den Motor am Laufen, die Konkurrenz lebendig, und man braucht sowieso nicht das Gleiche in mehrfacher Ausführung, es gibt ja noch so viel mehr da draußen. Jemand, der einfach seinen Ansatz gefunden hat und diesen in jahrelanger Präzisionsarbeit weiter verfeinert, gerät, auch wenn die Ergebnisse fortdauernde Anerkennung durchaus rechtfertigen können und keineswegs irrelevanter werden, schnell in den Ruch desjenigen, der sich wiederholt, zitiert, die Sache nicht voranbringt, man hat davon schon reichlich ähnliche Tracks im Schrank, in der Mappe, auf der Festplatte, im Kopf. Man kann es eigentlich abhaken. Und dann kommen natürlich genau von solchen Produzenten Veröffentlichungen, die in der Tat vorherigen ästhetisch ähnlich sind, nur als schweinepriesterteure multimediale Obistrip-Exzesse über Japan-Umwege zu beschaffen, mit schon wieder so einem spinnert-prätentiösem Konzept, musikalisch eine weitere Variante bestimmter Gefilde des Backkatalogs, in der bekannten, ungelenken Art und Weise verwoben. Und dann ist das alles so zwingend gut, greift so umwerfend ineinander, ist ein so effizientes Katapult in die Gedankenwelt eines anderen Menschen, das alles wieder genauso ist wie früher, beim ersten Mal, und die Male danach, als man solche Überlegungen von Haltbarkeitsdauer, Vertrauensvorschüssen und Kontinuitätsproblemen nie angestellt hätte, und man sich wundert wie es so weit kommen konnte dass man je gezweifelt hat. Und dann rudert man nicht kräftig zurück in die Richtung von jemanden, der offensichtlich nie aufgehört kräftig zu rudern, man rudert kräftig hinterher. This report serves as my testimony to the above occurrence.
Jeff Mills – The Occurrence (Third Ear, 2010)
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