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Posted: May 28th, 2013 | Author: | Filed under: Gigs | Tags: , , , , , , | No Comments »

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Voices In My Mind – House und Soul

Posted: October 9th, 2007 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Irgendwann Anfang der 90er, Unit am Nobistor in Hamburg, eine dieser von einer Sprudel-, Zigaretten- oder Sportschuhmarke gesponserten Partys, die damals regelmäßig durch das Land zogen. Im Aufgebot: als DJs einige lokale Technohelden, dazu Deee-Lites Wunderrusse Dmitry sowie ein Liveauftritt des Sängers Ce Ce Rogers, dem einige Freunde und ich unseren Respekt zollen wollen. Obwohl House zu dieser Zeit längst im Konsens angelangt war, ist der Ort nicht gut gewählt. Dementsprechend erlahmt die Mitarbeit auf der Tanzfläche vom Stammpublikum des Ladens schon merklich, als Supa DJ Dmitry sein Set beginnt. Die Pillentypen können mit den Houseplatten überwiegend New Yorker Herkunft offensichtlich nicht viel anfangen. Zuviel Groove, zuviel Stimmen, zuwenig Druck. Das Pillengrinsen wird schmallippig, die ersten gehen. Unser Blick wandert schon gelegentlich auf die kleine schmucklose Bühne, wo wenig verheißungsvoll ein kleines Keyboard steht, wie es auch Spiegelglassonnenbrillentastentypen beim ZDF-Sommergarten gerne benutzen. Mit Trademarksympathie und gutem Gespür stemmt sich Dmitry gegen die verschränkten Arme auf der Tanzfläche, doch es scheint an der Zeit, dass Ce Ce Rogers diesem müden Haufen am Mikro einen tüchtigen Schrecken einjagt, solange überhaupt noch Leute da sind. Und tatsächlich, man tippt mir auf die Schulter, „da ist er ja“, und er nestelt verstohlen im Halbdunkel der Bühne an den Kabeln des Keyboards herum. Allerdings wirft der Mann immer nervösere Blicke ins Rund, irgendwas scheint nicht zu funktionieren, und zwar ganz und gar nicht. Die Plattentaschen Dmitrys gehen langsam zur Neige, das Publikum sowieso und die Technikabteilung des Clubs scheint alle Balljungen abgezogen zu haben. Als wenig später die Musik ausläuft und irgendjemand peinlich „Mr. Cey Cey Rojäs frohm Nuh Jörsi“ ins Mikro schmettert, passiert: nichts. Rogers kann nicht mal seinem Unmut übers Mikro Luft machen, es funktioniert ja ebenfalls nicht. Frustriert schmeißt er sein Jackett in die Ecke und stürmt ins Off. Hastig füllt Dmitry mit beachtlich würdevollem Improvisationstalent die entsetzte Stille und trotzig kommt tatsächlich etwas Bewegung auf, aber neben enttäuschten Ravern ziehen jetzt auch enttäuschte Housefans ab und es ist auch nicht abzusehen, ob hier noch irgendetwas passiert. Wir haben uns schon fatalistisch in Trotztrinkerei ergeben und diskutieren das weitere Vorgehen für den Rest der Nacht. Es ist immerhin schon halb 4 Uhr morgens, als jemand bemerkt, dass Ce Ce Rogers wieder auf der Bühne ist. Und tatsächlich, er hockt da, im Hemd, Ärmel hoch, und frickelt mit einem Techniker an der Anlage herum. Ein schneller Blick in den Rest des Clubs kann vielleicht noch einen harten Kern von vierzig Getreuen ausmachen, die sich im Dunkel ziemlich verlieren. Von diesen sind jetzt aber Anfeuerungen zu hören, „Ce Ce“-Sprechchöre kommen auf, Rührung greift um sich und ein „Jetzt erst recht“-Gefühl stellt sich ein. Es dauert noch eine schier endlose Dreiviertelstunde, bis Rogers endlich dem erschöpften Dmitry ein Zeichen gibt, die Musik auslaufen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Erwartungshaltung des verbliebenen Publikums am Anschlag, die Solidarität hat das Potential, politische Systeme zu stürzen, der Glaube ist rein und unerschütterlich. Alle sind sehr betrunken. Als der Applaus verebbt sind es noch einige Momente, dann rückt sich Rogers das Mikro zurecht und spielt auf dem erstaunlich massiv klingenden Keyboard das Intro mit dem typischen Marshall Jefferson-Basslauf seines ersten Hits „Someday“. Dann diese Akkorde! Alle Anwesenden sind sofort eingenommen, Augen geschlossen, scheinbar in direkter Erinnerung an Momente, zu denen diese simple aber unvergessliche Pianoakkordfolge gehörte. Ce Ce Rogers singt, erst behutsam einsetzend, dann die erste Strophe mit zunehmender Intensität. Dann der Refrain: “Someday, we live as one family in perfect harmony. Someday, when we all be together, we will all be free. Someday…” In diesem Moment hätte ich mich für Kreuzzüge anwerben lassen, auf Seelenverkäufern angeheuert, wäre in einem Denim-Overall von Edwin quer über St. Pauli krakeelt, hätte alles getan, damit dieser Song nicht aufhört. Ein schneller Blick auf die Leute um mich bestätigt meinen emotionalen Höhenflug: alle fliegen mit mir. Danach: tosender Applaus, Soul Clapping, Sprechchöre. Kleine Zwischeneinwände im Kopf („Ist das jetzt so gut, oder bin ich so einfach/betrunken/unvernünftig“) werden spätestens als totaler Unsinn verworfen, als ein von dieser Nibelungentreue sichtlich bewegter Rogers in „All Join Hands“ übergeht, wie die Hymne davor endlos ausgedehnt, die Atmosphäre in sich saugend und als Regen von Glück wieder auf uns niederprasselnd. Alle Arme in die Luft! Umarmungen! Rogers hat jetzt feuchte Augen, alle anderen sowieso. Dann „Brothers & Sisters“. Als nach dem wunderschönen, Larry Heards „Can You Feel It“ entlehnten, Intro die Bassdrum reinkickt, brechen alle Dämme. Die Tänzer sind jetzt nicht mehr nur kollektiv ekstatisch, sondern eine verschworene Gemeinde, ein vollends aus den Fugen geratener Gottesdienst, aus dem die Kollekte säckeweise raus getragen werden könnte.

Wenig später ist alles vorbei, immer noch taumeln alle enthusiastisch durcheinander, der Star geht zaghaft durch die Menge, wird umarmt, beklopft, bejubelt, eingeladen. Es macht überhaupt nichts, dass es vorbei ist, es hätte gar nicht länger dauern können. Niemand hätte das verkraftet. Es ist auch völlig egal, dass das irritierte Management schon wenig feinfühlig das Putzlicht einschaltet, die Gladiatoren sind so von Sinnen, dass sie das beim Verlassen der Arena schon nicht mehr mitbekommen, und irren anschließend glückselig in die Dämmerung.

Diese Nacht war nicht die erste und auch nicht die letzte, die mir gezeigt hat, dass Soul bei House genauso heimisch ist wie bei anderen Arten von Tanzmusik. Demzufolge hat mich Häme aus dem Puristenlager auch kaum angefochten, als House noch als kalte Computerversion von Disco verpönt war, wobei Disco ja schon davor als kalte Unterhaltungsversion von 70’s Soul verpönt war, und davor 70’s Soul als Verglättung von 60’s Soul. I can feel it!

Ein paar weitere essentielle House-Sänger:

Robert Owens

Dieser Mann ist ein Phänomen. Er ist immer noch aktiv, seit nunmehr über 20 Jahren, doch seine helle und immer etwas melancholische Stimme altert nicht und hat immer noch diese einnehmende Signalwirkung, zu hören auf zahllosen Platten mit seiner Beteiligung. Bekannt wurde er als Mitglied von Larry Heards Fingers Inc., wo er subtile Produktionen wie „Never No More Lonely“ (1989/Jack Trax) graziös interpretierte. Fantastisch auch „I’m Strong“ (1987/Alleviated) und sein Evergreen „Tears“ (1989/FFRR). Er ist ein Sänger, der bei mittelmäßig bis guten Songs den entscheidenden Mehrwert ausmacht und wirklich großartige Songs zu legendären macht. Und das ist nicht mal übertrieben.

Paris Brightledge

Paris Brightledge wurde vor allem wegen zwei Platten auf Rosen gebettet in die House Hall of Fame geleitet, die er als Sänger für Sterling Void machte: „It’s Allright“ (1987/DJ Interantional), später als Coverversion von den Pet Shop Boys in die Charts bugsiert, und „Runaway Girl“ (1987/DJ International). Weniger legendär, aber ähnlich gut ist eine weitere Sterling Void-Kollaboration, „Set Me Free“ (1989/DJ International). Diese Veröffentlichungen sind ganz im Geiste vieler früher House-Produktionen aus Chicago: ungehobelte Groovebolzen mit geradezu primitiver Rhythmusausstattung, die einzigen Details sind eine gnadenlose Bassline und tonnenweise Handclaps. Wenn dann allerdings der Gesang einsetzt, mit diesen funktional-falschen Pianos und billigen Synthieflächen, ist es einfach umwerfend. Eher der klassische Gastsänger, hat es unter seinem eigenen Namen nur zu einer Veröffentlichung gereicht, aber „Learn To Love“ (1988/DJ International) ist dafür umso schöner und muss unbedingt für immer vor der Vergessenheit bewahrt werden.

Ricky Dillard

Die erste Platte, die Dillard mit seinem wuchtigen Prachtorgan adelte, war „Feel The Fire“ (1986/DJ International), eine echt brutale Nummer, mit der man wirklich vorsichtig umgehen muss. Sie ist aber auch wirklich beeindruckend. Ähnlich roh sind seine Gastauftritte auf Farley Jackmaster Funks Stevie Wonder-Coverversion „As Always“ (1988/Trax) und Frankie Knuckles’ Billy Paul Coverversion „Only The Strong Survive“ (1987/DJ International). Tatsächlich ist von der Opulenz dieser beiden Originale gar nicht viel übrig geblieben, Dillard singt das in Grund und Boden. Unsterblich geworden ist er aber mit „Let The Music Move You“ von den Nightwriters (1987/Danica), eine weitere Frankie Knuckles-Produktion. Dieses Stück scheint aus nichts anderem zu bestehen als übersteuerter Percussion und eindringlichen Keyboardflächen, die nicht mehr aus dem Kopf zu kriegen sind. Dazu singt sich Dillard um Kopf und Kragen. Gleich bei der ersten Zeile, „This song is from my heart, it wasn’t easy from the start“, bin ich schon verloren.

Text für das Fanzine zum Hamburg Soul Weekender 10/07