Im Gespräch mit Gerd Janson über “Bobby Konders & Massive Sounds” von Bobby Konders & Massive Sounds (1992).
Wie und wann bist Du auf “Bobby Konders & Massive Sounds” gestoßen?
Der Name Bobby Konders fiel mir zum ersten Mal 1994/95 im Rahmen einer Nu Groove Records-Retrospektive des Size!-Magazins auf. Das war eines jener selig machenden Fanzines, die damals die Funktion heutiger Blogs übernahmen und sich bevorzugt mit House und Techno aus dem Detroit-Chicago-New-York-Triangel beschäftigten bzw. den europäischen Brüdern im Geiste. Die dort beschriebene Konders-Disziplin aus Deep House, seitwärts getragenen Baseballmützen, Krankenkassenbrillen, Langhaarmatte und Dub-Reggae-Einflüssen klang sehr plausibel und sein greatest hit „The Poem“, das vom Dub-Poeten Mutabaruka eingeleitet wird, stieß dann sozusagen das Tor zum Fantum himmelweit auf. „Bobby Konders & Massive Sounds“ hat mir ein guter Freund daraufhin geliehen und es ward um mich geschehen.
Wie hast Du das Album beim erstmaligen Hören empfunden? Wie würdest Du es beschreiben und was macht es so wichtig für Dich?
Ein wenig angeekelt und fasziniert gleichzeitig. Das Debütalbum von Bobby Konders ist ein Paradebeispiel für die gescheiterte Ehe von underground dance music und dem Versuch, diese für den Massenmarkt tauglich zu machen. Das Resultat ist meist weder Fisch noch Fleisch. Vor allem in der causa Konders. Der Boy aus New Jersey mit Wohnsitz Brooklyn expandierte seinen Vibe aus House, Reggae, Hip Hop und Soul um einige Unzen Pop. Einer US-amerikanischen Version der Erfolgsformel aus Jazzie B und Soul II Soul gleich, betörte und bezirzte Konders diesen Markt – wohl relativ erfolglos für die damaligen Verhältnisse. Was dieses Scheitern so charmant macht, ist allerdings der unbedingte Wille, die dominanten Machismos der Dancehall und das Straßenimage von Hip Hop mit den doch eher ambivalenten Geschlechterrollen und philanthropischen Utopien der Housemusik zu vereinen, unter einem Regenschirm von Soul und R&B. Solchen Querdenkern und Querulanten kann man nicht genug Respekt bezollen. Read the rest of this entry »
Auch wenn er vermutlich niemals aus dem Kollektivgedächtnis der House-Liebhaber verschwinden wird, es soll hier, aus zu immer gegebenen Anlass, abermals an den legendärsten Abtrünnigen in der Geschichte von House erinnert werden: Bobby Konders. Er mastermixte sich bis Anfang der 90er Jahre bei New Yorks Radiosender WBLS einen klangvollen Namen mit House, Reggae, Hip Hop und Disco-Klassikern, dann erschütterte er in einem überschaubaren Zeitraum von 1989 bis 1993 die Clubkultur mit Platten, in denen er die oben genannten Musikstile zu Produktionen verknüpfte, die immer noch ihresgleichen suchen. Seine Soundidee klingt in der Theorie simpel, war aber in der Ausführung zum Verzweifeln originär. Konders injizierte die Bassschwere und das Raum- und Zeitgefühl von Dub in den House-Sound, reicherte dies mit der Tiefe und Virtuosität von Peter Daous Keyboards an, dem wohl klassischsten aller New Yorker Studiomusiker der dortigen Szene, und erzeugte so eine Musik, die gleichzeitig drücken und schweben konnte, und bei aller rohen Unmittelbarkeit stets erhaben und überlegen schien. Selbst bei einer etwas wirr anmutenden Abfolge von Remix-Auftragsarbeiten zwischen den Associates, Foremost Poets bis hin zu Herb Alpert, ließ sich dieses Patentrezept problemlos übersetzen, stets war das Ergebnis der pure Bobby Konders-Zauber, in bestechend konsistenter Qualität. Diese EP von 1990 ist das Manifest dieser Schaffensperiode. Egal ob dubbiger Acid („Nervous Acid“), deeper Flöten-House (“The Poem“), technoider Freestyle (“Let There Be House“), oder rootsiger Hypno-House (“Massai Women”), mit den dazugehörigen Versions, jeder der sechs Tracks wurde zu einem Klassiker, fortwährendes Zeugnis vom immensen Talent eines Produzenten, seine Vorlieben und Ideen scheinbar mühelos in einen Trademark-Sound zu transferieren, der stets gültig bleibt, und an dem sich bis in alle Zeiten die Epigonen die Zähne ausbeißen werden. Und was macht das Genie, das viel besungene? Es pfeift auf die bedingungslose Verehrung seiner Anhängerschar, legt sich auf seine erste, größere Liebe zu Reggae und Dancehall fest, und produziert nie wieder einen House-Track. Keine Retrospektiven, Überredungskünste oder Gagenangebote, die sich zu Clubkultur verhalten wie Abba zu Pop, haben daran etwas ändern können. Es hat natürlich auch nicht geholfen, dass seine Karriere in diesem… anderen… Betätigungsfeld seiner Wahl ähnlich legendär und einflussreich verlief, und wesentlich mehr Geld einbrachte. Was bleibt ist ein Werk von erdrückendem Ausnahmestatus, und die Erkenntnis, dass es niemals wieder vorkommen sollte, dass jemand von solchen Gaben einfach abspringt. Von noch so einer Verschmähung, solch einem tiefen Schock, würde sich House wohl nicht mehr erholen können.
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