Anthony Haden-Guest – The Last Party – Studio 54, Disco, And The Culture Of The Night

Posted: December 7th, 2004 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Der Journalist, Cartoonist und Schriftsteller Haden-Guest betreibt mit The Last Party eine persönliche Aufarbeitung New Yorker Nightlife-Kultur von der Eröffnung der ersten Disco Clubs Mitte der 70er Jahre bis zu den Großclubs Mitte der 90er Jahre. Schwerpunkt und Fallbeispiel ist dabei der Aufstieg und Niedergang vom Studio 54 bzw. dessen Betreibern Steve Rubell und Ian Schrager. Als eine Art mehr oder weniger beteiligter Chronist Tom Wolfe’scher Prägung und regelmäßiger Gast gelangt er zu detaillierten Eindrücken vor und hinter den Kulissen und schob damit eine Wiederbelebung öffentlichen Interesses an der klassischen Disco-Ära an, die dann auch Hollywood 1998 mit den Filmen Studio 54 und Last Days Of Disco aufgriff. Ein Blick in den Index offenbart augenblicklich, worum es dem Autor geht; musikalische Protagonisten und DJs stehen in einem ausgeprägten Missverhältnis zu all den Celebrities, die den Ruf der Discoclubs als Hort von Glitz und Glamour begründeten. Auf eine Schwadron von Anekdoten über Truman, Bianca, Liza und Andy kommen nur ein paar über Nile, Larry oder Richie Kaczor, immerhin der langjährige Resident DJ des Studio 54. Francis, Nicky, Walter oder Francois finden gar nicht erst statt. Die Musik als Soundtrack des Ganzen gerät sehr arg zur Hintergrundbeschallung. Dennoch gelingt Haden-Guest bei allem Namedropping eine authentische Darstellung des Promi-Faktors und der nächtlichen Exzesse, beides natürlich auch ein wesentlicher Bestandteil des Phänomens Disco. Vor allem am Beispiel von Steve Rubell und dem Clubkid-Killer Michael Alig erhält man interessante Einblicke in drogenvernebelte Hybris und dessen Konsequenzen, denn beträchtliche Episoden des Buches befassen sich mit den gerichtlichen Auseinandersetzungen der Nightlords mit den Behörden, welche letztendlich die heutige repressive Situation nach Guiliani vorwegnahmen. Haden-Guests snobistisch-abgeklärter Kolumnenstil transportiert den Hedonismus und die Skandale angemessen und sehr unterhaltsam und auf all die Dramen zwischen Samtkordel und Katakomben des Studios gibt es durchaus auch Einblicke auf die andere Seite der Discokugel, da er seiner Szene-Entourage auch in alternative Läden wie Mudd Club, Mine Shaft oder Hurrah’s folgt. Wenn auch sein Augenmerk eher auf Neil Bogarts Casablanca Records liegt, fällt dann eben auch Michael Zilkhas ZE Records ab. The Last Party ist folglich eine prächtige Sittenchronik, die bei allem Klatsch einen Gutteil an Disco-Wissen abwirft, ich wusste zum Beispiel vorher nicht, dass Kevin Kline bei Cristinas ‚Disco Clone’ den männlichen Part sprechsingt. Plattensammler und Kulturhistoriker mit dem Schwerpunkt DJ-Kultur müssen dennoch weitgehend woanders nachschlagen.

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