Synthie-Disco hat ja eine lange Tradition in den Beneluxstaaten und der Megamix ebenso. Wenn die Erben von Telex und Ben Liebrand sich dann mittels DJ-Software ans Werk machen, kommt daher wohl unweigerlich etwas heraus wie diese Mix-Compilation, der umfassende Mash Up-Rundumschlag, das Feuerwerk der guten Laune. Auf der ersten CD von Starski & Tonic gehen in etwa Früh-House-Klassiker von Tyree, Risse oder KC Flightt mit Booka Shade, Les Rhythmes Digitales und Oliver Koletzki Hand in Hand, mit ein bisschen Disco von Chilly und Moroder obendrauf, immer tüchtig draufgehalten. Stark angetrunken kann das dein Main Floor sein. Die zweite CD von TLP geht dann runter auf ein bisschen jiggy Hop, Pop und Disco. Zwischen Luniz, Stretch, Terence Trent D’Arby, Diana Ross und Michael Sembello geht alles. Stark angetrunken kann das deine Betriebsfeier sein.
Um ein paar Stücke erweiterte Neuauflage des Albums von 1995, welches seinerzeit half die Renaissance von Easy Listening und Trash-Soundtracks anzukurbeln, während der man so manchen Musikinteressierten mit Hugo Strasser-Platten unter dem Arm über den Flohmarkt pirschen sah. Natürlich gibt es nach wie vor in diesem Feld zwischen Käseigel-Tanzparty, Dinnerjackett, Library-Musik, B-Movie-Scores und genuinen Autoren der leichten Unterhaltung unzählige Perlen des Genres zu ergattern, aber das Thema hatte sich irgendwann ausgehypt und man beschränkte sich wieder auf übergroße Genies wie Bacharach. Ob das jetzt noch mal funktioniert, ist fraglich. In Verbindung mit den Nackedei-Vampiretten in den Filmen Jess Francos ist das einfach schöner als isoliert von dem ganzen Unsinn. Zwar hat Ennio Morricone einige seiner schönsten Soundtracks für Softpornos geschrieben, aber dies ist wenig mehr als Beschallung für das Unterbewusstsein. Für Anhänger puristischer Funktionalität (und säuischer Covergestaltung).
Master C&J, alias Carl Bias und Jesse Jones, haben den Test der Zeit oft besser überstanden als ihre Weggefährten der Chicago-House-Frühphase, weil sie sich bereits rechtzeitig nicht vollends auf Jack-Parolen, Handclap-Orgien und Cheapo-Synthies geworfen haben. Ihnen gelang regelmäßig etwa genau die goldene Mitte zwischen Kenny Jammin Jason und Larry Heard, also ein früher, dunkel gefärbter Deep House-Entwurf mit genügend Drive und Bass zum Tanzen. Ihre Trumpfkarte war aber die Verbindung ihrer zeitlos schönen Grooves mit der ungewöhnlichen Stimme und Street-Credibility von Liz Torres, zu ihrer Blütezeit eine echt eigentümliche Diva, deutlich mehr Pavement als Penthouse, die selbstbewusst ihren Claim zwischen Geschlechterrollen-Problematik, Straßenrealität, drogigem Club-Hedonismus und vor allem viel zupackendem Sex absteckte. Leider setzte sich bald danach für lange Zeit flächendeckend das Diven-Modell von etwa Kym Mazelle durch, La Torres ist seit den frühen 90ern völlig verschollen und geistert nur noch regelmäßig als Zitat irgendwo zwischen LFO, Beltram und Dub-House durch die Maschinen. Auch wenn diese Musik in Liebhaberkreisen immer noch sehr verehrt wird, eine Retrospektive war längst überfällig. Hier ist sie also, in ihrer ganzen sleazigen Pracht, still playing mind games.
Schon bei ihren ersten Veröffentlichungen zur goldenen Ära des Samplings gab es neben den Hits diesen Anflug des halbgaren Sammelsuriums, doch diese Rückmeldung ist in der Originalversion wirklich schauderhaft. ‚Politischer’ Agit-Prop-Rap mit Wummerbeats und Jon Spencer an der Schweißgitarre, das will so unbedingt rocken und dabei noch die korrekte Message haben, dass peinlich berührt sein ansatzlos in pures Fremdschämen übergeht. Trevor Jackson als Underdog, Solid Groove, DJ Kentaro und die Qemists versuchen es zwischen Entschlackung, Tanzflächenoptimierung, Turntablism-Kinkerlitzchen und Jump Up, doch aus dem Bruckheimer will einfach kein Autorenkino werden. Immer noch zuviel dumpfer Bratz drin.
Passend zur Mark Stewart-Retrospektive auf Soul Jazz gibt es jetzt diese Werkschau von LeBlanc, ebenfalls Mitglied der Maffia, Tackhead, On-U-Sound und vormals Sugar Hill Gang. Zudem war er als Schlagzeuger, Programmierer oder Produzent an beeindruckend zahlreichen Veröffentlichungen beteiligt, das reicht von Mick Jagger bis Miles Davis. Entsprechend sind auf diesem Album kein Groove der nicht zupackt und kein Beat der nicht knallt. Alles ist supertight. Diese ganze monolithische Wucht zwischen Industrial, Dub, No Wave und Hip Hop ist wirklich einnehmend, auch die menschliche Stimme in Form von Agitprop-Schnipseln, Melle Mel und vor allem Bim Sherman fügt sich ansatzlos in die Gesamtfunktionalität. Gelegentlich ist das fast schon zu bolzig und in den Wummerfunk schleichen sich ein paar Rockismen zuviel ein, aber insgesamt kann das immer noch sehr gut dem standhalten, was man aktuell unter der Verbindung von knalligen Breakbeats, urbaner Funkiness und einer Botschaft versteht. Sample-Musik dieser Bauart wirkt natürlich nicht mehr so futuristisch wie in den 80ern, hat aber auch über den Prototypen-Status hinaus genug Relevanz.
Nach dem andauernden Ritt auf der Welle allgemeinen Wohlwollens folgt hiermit das opulente Update der norwegischen Sicht auf Space-Disco im Albumformat. Es wird nicht explizit gesamplet, aber eine Menge Bausteine lassen sich ziemlich genau in einer langen Linie von Paten verorten, die ausgehend von Giorgio Moroder Disco mit einer guten Dosis Weltraumromantik-Arpeggios versehen haben bis hin zu den moderneren Entwürfen von Larry Heard, Daniel Wang oder den Idjut Boys. Von diesen Vorlagen fehlen etwas die Virtuosität, der naive Charme, der Boogie oder der Dub, was aber durch folkig-krautrockige Psychedelia und Frühelektronik-Einflüsse im Sinne eines durchgehenden Wohlklangs aufgefüllt wird. Da wird sich schon zuweilen etwas hippiesk versäuselt, so als hätte man beim Studieren der originalen Cosmic-Mixtapes die eklektischen Ausreißer für die Tanzfläche übersprungen. Wenn man das als vorläufige Manifestierung einer zeitgemäßen Sicht auf Balearic ansieht, möchte man schon etwas mehr Brüche, Humor und Schub vorschlagen. So bleibt ein konsequentes und entspanntes Konzeptalbum zur aktuellen Blütezeit des Edits, es wird sich zeigen wie gut das altert.
Dies ist der dritte Teil der EP-Serie zum anstehenden Remix-Album im Frühjahr 2006 und er klingt formidabel. Für die Drum And Bass-Gemeinde bauen Marky & XRS exakt den Vocal-Clubhit, den man von ihnen erwarten konnte. Auf diesen sonnendurchfluteten Flow haben sie quasi ein Abo, dass geht ihnen flugs von der Hand, ist aber auch immer noch sehr schön anzuhören. Etwas gewagter sind die restlichen Adaptionen. Jeremy Newall gelingt ein 1A spaciger Boogie, der an die guten Tage von Clubsoul erinnert, steht wohl wieder unmittelbar vor der Tür. Mr V macht aus “In Your Mind Part II” zwei schöne TechHouse-Versionen, die sich rechtmäßig im Umfeld der guten Seite von San Francisco Deep House und Londoner Boompty niederlassen können. Pepe Bradock geht auch in die Tiefe, aber wesentlich weiter, bis er schon dunkel-psychedelische Gefilde vorstößt, in denen der Groove mit allen Bauteilen reduziert und seziert wird, um als kühner Entwurf wieder an die Oberfläche zu kommen. Beeindruckender House-Dub, in großen Buchstaben. Lobenswert bei allen Beiträgen ist zudem die fehlende Scheu vor den originalen Vocals, das wird nach Bedarf auf Ayers selber oder auf die Gastsängerinnen konzentriert, aber immer smart.
Ein erschlagendes Manifesto als 150. Release mit drei Stunden Doku, Clips, Live-Gigs und Interviews des gesamten Stammbaums. ‚Freak Show’ zeigt, wie sich Hell mit all seinen Frisuren weltweit an den Reglern festwippt, Entourage und Kollegen immer drum herum. Die Kamera hält schon in der wohl nicht zufällig bestens dokumentierten Frühphase so entschieden auf diverse Hip-Accessoires (Roller Skates, Schampus, Autorückspiegelgebamsel, wilde Tanzflächenkostümierungen usw.) als hätte man das Imperium schon immer geahnt. Wie selbstverständlich hat er sich erfüllt, der Traum des Kindes vom eigenen Spielzeugladen, in dem es originalgetreue Versionen von allem gibt, was der Hell’schen Vision von Glam und Spaß je entsprochen hat. Alles ist so bruchfrei durcharrangiert, dass das grandios-scheußliche Pullover-Video von den Twins fast schon mahnend daran erinnert, was an Schlimmen in der Gegenwart bereits das Fundament für die Label-Erfolgsgeschichte der Zukunft sein könnte. Im Referenzsystem Gigolo altert die kreischige Mischung aus Performance-Kink, Disco-Elektronik und Gunther Sachs beim Zusehen, jedoch sehr kurzweilig. Es gibt auch (noch) genug ernstzunehmende Ideen zum Abfedern.
So einem hartnäckigen Geschmacksverfechter wie Peterson, der höchstwahrscheinlich nichts Peinliches besitzt oder in der Kneipe mitsingt, könnte man leicht saturierte Musikverwaltung anheften, aber auf dieser Zusammenstellung von exklusiven Aufnahmen aus Sessions seiner Worldwide-Radioshow aus den letzten fünf Jahren sind ganz schön verschrobene Nummern drauf. Natürlich entspricht ein Gutteil der illustren Gäste Petersons bewährter Idee von gut abgehangenen Vibes zwischen Clubsoul, Nu Jazz und Hip Hop im Bandformat aber neben Peven Everett, Amp Fiddler, den Roots oder Dwele haben eben auch Spektrum und Matthew Herbert im Studio herumgejammt. Es ist sympathisch, dass hier etwa ein ziellos-schrulliger Studioauftritt von den Neptunes vertreten ist, eine eher grauenvolle Klampfennummer von Beck oder ein trunkener Roots Manuva im Low Key-Modus. Da fällt dieser schlimme Jamie Cullum, Pharrells „Frontin’“ covernd, fast gar nicht auf. Diese Stücke, die nicht auf Knopfdruck der Erwartungshaltung entsprechen, machen mehr Spaß als die Vertreter, die sich immer noch dankend in diese latent esoterischen Acid Jazz/Talkin’ Loud-Koordinaten verabschieden. Denen will man wirklich langsam den Rhodes wegnehmen.
Wenn die ganzen flinken Deckchamps sowieso auf Horden von Mixtapes Beats unter die Originale schrauben und die Editierwut längst den Backkatalog erreicht hat, kann man die Aufpolierung ja auch offiziell in Auftrag geben, mit Betonung auf poliert. Wie dann zu erwarten war, haben Talkum-Soul-Traditionalisten hier wenig zu lachen, Barhocker-Soul-Nicker um so mehr. Für letztere wurde auch sichergestellt, dass nicht allzu viele Tracks aus dem gesicherten Chart-Hit-Kanon herausfallen und dass bei einigen Uptempo-Originalen die verschwitzte Energie soweit gedrosselt wird, dass nix überschwappt. Bei dieser wie auch anderen Remix-Retrospektiven liegt der Schwerpunkt auf der funkigen Seite, dass lässt sich so gut ins heutige Soundspektrum rüberholen. Übrig bleibt zumeist ausreichend sich verbeugender Vibe, aber meistens so gut abgehangen, dass man nach dem reichlichen Essen einen Kurzen haben möchte. Tagessieger erwartungsgemäß Kenny Dope gegen Gladys Knight und DJ Spinna gegen Eddie Kendricks, im breiten Mittelfeld Paul Simpson, Jazzy Jeff, ?uestlove, Z-Trip und andere. Für Deutschland überrascht DJ Friction mit einem handlichen Jackson 5-Acapella und die Marketing-Abteilung hat sich für die Weihnachtsfeier mit Turntablerocker gegen Edwin Starr einen Wunsch erfüllt.
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