Irgendwie rumort es im einstmals rein spirituell-afrozentrischen Gebälk der New Yorker Deep-House-Community vom Schlage Body & Soul. FKs letzter Essential Mix war fast durchgehend pumpend elektronisch, Joe Claussell geht mit seiner Mix-CD „Translate“ ab von von den Roots und hin zur Digi-DJ-Ästhetik und jetzt Ibadan-Macher mit diesem Set, angeblich live im Club „Electric Pussycat“ in Brooklyn mitgeschnitten. Statt Authentizitäts-Live-Mucker-Anspruch mit angepeilter samstagnächtlicher Erleuchtung werden jetzt Smoking und Fliege angezogen und der Anspruch heißt „Electronic Cabaret“. Das klingt dann so, als hätte man die Rush Hour von Dixon at Inner City und Mayer at 672 zusammengezogen. Rej, Brutalga Square, Carl Craigs Darkness, Leave My Head Alone Brain und Mathew Jonson und smarter Acapella-Einsatz obendrauf. Die hiesige technoide Uminterpretierung von Deep House zieht wahrlich globale Kreise und die Hippies haben vorerst das Gebäude verlassen.
Es schien schon bei seinem Debüt „Fordtrax“ so, als hätte Peter Ford etwas anderes für Acid House im Sinn als die räudigen Vorläufer aus Chicago, womit er den Hang der englischen Auslegung zu mehr Pop- und Glamversprechungen im 303-Regime anführte. Sein zweites Album war dennoch ein unerwartetes Erlebnis. Der dünnste Elektroniker aller Zeiten legte sich kühn zwischen Wigan Casino, T-Rex, Shoom, Garage, Disco und Strand- und Wiesenidyll quer und wollte beherzt mit diesem Entwurf in Richtung Top Of The Pops davonpreschen. Ich hätte ihm das Leben des Superstars aus vollem Herzen gegönnt, doch es sollte nicht sein. Stattdessen konvertierte er das Konzept auf seinem dritten Album in einen letzten krachig-düsteren Post-Aids-Trauma-Latex-Konfrontationskurs und verabschiedete sich anschließend bis heute in die Reduktion.
Sammlung älterer Veröffentlichungen von 1997 bis 2003, bewegt sich soverän zwischen gut gealtert und gut weiterentwickelt. Ein schönes Echo der ersten Zündstufe von Minimal/Tech House, das völlig zu recht retrospektiv ausgewertet und zum Klassiker geadelt sein muss. Es gibt auch immer noch viel zu entdecken bei all den perkussiven Verschachtelungen, unerwarteten Melodien und dem Bernard Sumner-Gesang auf “Initiate II”. “Beau Mot Plage” gibt es im epischen Freeform Mix, der seinerzeit ja rund um den Erdball erschallte, soviel Dankbarkeit muss sein. Wer so konsequent voranschreitet wie Isolée, sollte jederzeit mal kurz innehalten dürfen.
Sachte hingetupfte Twilight-Hybriden vom Macher der Labels Cynosure und Revolver, seine Dani heißt Anais und mäandert sich auf vier Tracks angemessen lasziv durch diesen Film, der irgendwie David Lynch anpeilt und doch eher bei Luc Besson landet. Wenn schon verruchte Atmosphäre und Minimal meets Jazzbesen, dann vielleicht lieber so verschroben, dass es von sich aus schon mysteriös wirkt. Bis dahin bleibt das Copyright bei Badalamenti.
Nach den ganzen Remix-Packungen und historisierenden Huldigungen haben sich die belgischen Synthpop-Pioniere nun für ihr eigenes Update tatsächlich wieder an die Geräte gesetzt. Der Humor ist der gleiche geblieben und manifestiert sich wie gewohnt vor allem in merkwürdigen Coverversionen, freundlich dass sie dabei neben Rock-Dekontruktionen (“On The Road Again”/”Jailhouse Rock”/”La Bamba”) auch die soundmäßigen Weggefährten Sparks zu ihrer Moroder-Phase grüßen und die eigenen Landsleute mit dem Grand Prix-Abräumer “J’aime La Vie”. Telex wissen anscheinend genau, was gerade als schick gilt. Dem Sound of Now wird wird nicht hinterhergehinkt, aber dennoch ist das alles noch so plastikpoppig und sympathisch-naiv wie einst. Für Freunde alberner Melodien und abstruser Ideen.
Crispin J. Glover hatte eine Vision von House, in der Acid und Deep House eng umschlungen über den Abspann von Wild Pitch tanzten. Zuerst erblickte „Northern Lights“ auf seinem eigenen Label Matrix die Nacht, ein bockiger 303-Groove, in dem sich plötzlich Himmel öffnen und Meere weiten, um dann in einem wuchtigen Crescendo alles in Schutt und Asche zu legen, an das man vorher geglaubt hatte. Auf der Strictly Rhythm-Ausgabe kommt dieses Erlebnis kongenial in zwei Kapitel dosiert, auf das man den Gehalt dieser nachhaltigen Erfahrung rechtmäßig unter den Brüdern und Schwestern verteilen möge.
Ich gebe zu, Hip House war nicht gerade ein Ausbund an lyrischer Tiefe, doch wenigstens seine Partytauglichkeit ist absolut zu Unrecht in Verleugnung geraten. Bei dieser Platte jedoch passierte eine verblüffende Harmonie von Wumms und Hirn. KC Flightt, der Hip House-New Jersey-Repräsentant, nimmt die Perspektive des Besuchers aus dem Weltraum ein, der seine bissigen Beobachtungen der weißen („Group A“) und schwarzen („Group B“) menschlichen Spezies im urbanen Lebensraum in sein Logbuch notiert. Das erinnert an „Cities“ von den Talking Heads, doch es ist deren „Once In A Lifetime“ das hier als Sample über eine Acidline sinniert, die brummt wie eine Motte im Wandschrank, die über Nacht auf dreißigfache Größe mutiert ist. David Byrne hatte im Videoclip einen Gastauftritt. „And who got the pay? Well, eventually Group A.”
Dies ist der Nachfolger des ersten ‘Secret Rhythms’-Albums von 2002 und abermals gelingen Friedman und Liebezeit schöne Exkursionen zwischen Elektronika und Jazz. Liebezeit ist und bleibt ein Ausnahme-Schlagzeuger, der kompakt die vielen melancholischen Klänge zusammenhält, die Friedman aus seinem Archiv beigibt. Die beiden wissen ziemlich genau, wie man die Inhaltstoffe dosiert. So klingen die getragenen Momente nicht tranig und die komplexen Momente nicht verfrickelt. Für diesen winterlichen Flow hätten sie auch keinen geeigneteren Gastsänger finden können als David Sylvian, der auf ‚The Librarian’ ganz der wehmütige Crooner sein darf, der er immer sein sollte. Dieses Album sollte man am besten allein in einem verfallenden Landsitz hören, in dem einzigen Raum der noch beheizt ist.
Irgendwie hatte sich bei mir das Cover des originalen Albums “Landcruising” von 1995 im Kopf verhakt, weil es der Musik so gut entsprach. Städtische Lichtquellen wischen halluzinogen am Blick durch das Autofenster in der Nacht vorbei, auf dem Weg durch die nächtliche Inner City. Die Musik bewegte sich ähnlich romantisch sicher in einem Assoziationsfeld von Kraftwerk-Klassik, General Motors-Ästhetik und Detroit-Techno-Moderne. Ich war damals etwas überrascht von den vielen wohlklingenden Flächen, die direkt an den Vangelis-Soundtrack von Blade Runner anmuteten, im Verbund mit dem zappeligen Funk der Rhythmen. Das klang wie eine schlussendliche Liebeserklärung an die Stadt und die eigene Vision von Sound. Ich weiß nicht ob Craig mit der damaligen Rezeption unzufrieden war, vielleicht geht es ihm im Moment auch um eine angemessene Verwaltung vergangener Großtaten angesichts einer Flut von Bootlegs und Unzugänglichkeit im Backkatalog. Auch sein mythenumranktes Label Retroactive ist wieder aktiviert, da werden so einige Internet-Wucherer hadern. Wie wichtig ihm “Landcruising” ist, zeigt diese CD, kein bloßer Reissue, sondern Aufarbeitung, Version, ergänzt mit neuen Stücken, die wohl aus der entsprechenden Entstehungsphase stammen. Und es ist genau so chromblitzend erhaben und klassizistisch wie beim ersten Hören, ohne Einschränkungen.
Justin de Nobrega aus Kapstadt visiert ganz entschlossen die Union von Hip Hop und Elektronika an und verheddert sich dabei etwas in den genretypischen Gegebenheiten. Auf der elektronischen Seite des Unterfangens hapert es ein bisschen an wagemutiger Klangforschung und bei dem Hip Hop fehlt der kaltschnäuzige Bums. Die Tracks sind groovy und präzise aber etwas zu eindimensional, um an wahrscheinliche Vorbilder wie Prefuse 73 oder Timbaland heranzureichen. Es bleibt dieser Gesamteindruck von weder noch. Ein paar Rhymes wären in diesem Fall vielleicht die Lösung gewesen.
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