Lindsay J & Sneak Thief – Open The Door (Mighty Robot Recordings)

Posted: September 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Teile der Glasgower Szene fungieren schon etwas länger als ideologischer Außenposten des Cybernetic Broadcast System von I-F und dessen vorwiegenden Soundkoordinaten Italo, Electro und WBMX. Nach bereits bemerkenswerten Releases von Ra-X, Voigt Kampff und Martin van der Vleuten folgt jetzt diese EP von Sneak Thief und Lindsay Joy-Griffin, deren Stimme sehr sweet an die großartige Rah Band erinnert. Im Original ist „Open The Door“ noch ein delikater Space-Lovesong, der dann in den Bearbeitungen von den Polygamy Boys, Truffle Club und Imatron Voima ebenso schön in die Gefilde von Dub-Boogie, Sewer Electro und futuristischem R&B übertragen wird. Die Vocoder sind auf sachte Verführung geschaltet, der Bass glitscht zufrieden und die 808 schnurrt wie die Tigerkatze. The long hot summer just passed me by.

De:Bug 09/06


Rotorik – Live At The Rotodrôme (Acido)

Posted: September 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Auf den vorherigen drei Releases des Labels Acido wurden auch schon auf höchst bemerkenswerte Art und Weise Parameter elektronischer Möglichkeiten abgeklopft, doch Rotorik macht wirklich Ernst. In seinem Kopf muss es wahrlich wüst zugehen. Anders als bei seinem Projekt TET, wo er auch mal in Tarnhose und fachgerechter Sonnenbrille EBM-Parolen in den Verzerrer jagt, geht es auf diesen sieben Tracks um experimentellen Techno für irrsinnige Tanzflächen, der unbequem und störanfällig durch die Echokammer kracht. Harter, aber auch sehr faszinierender Tobak, der wie eine archaische Gesteinsformation ewig lange Zeit über dem Tunnelausgang in der Ferne hing und dann doch irgendwann als chaotischer kleinteiliger Regen heruntergerauscht ist und keiner kommt jetzt mehr raus.

De:Bug 09/06


V.A. – 7“ Up (Crippled Dick Hot Wax!)

Posted: September 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , , | No Comments »

Diese Compilation schreibt sich auf die Fahne, dem Medium 7“ Inch den nötigen Respekt zu zollen und Vergessenes vor der endgültigen Vergessenheit zu bewahren. Das ist löblich, aber wird auch sonst flächendeckend und stilübergreifend auf dem Reissue-Markt praktiziert, ob man sich da speziell auf 7“s wirft, das Prinzip ist identisch. Der Trackauswahl zufolge geht es vor allem darum, einem bestimmten Sound Tribut zu zollen und zwar britischem Post Punk der Zeit von 78 bis 82, also die Hochphase von Rough Trade, Cherry Red, Y Records usw. Das bietet sich natürlich an, da der entsprechende US-Gegenpart im Schwung der 80er-Rückbesinnung schon fast erschöpfend aufgearbeitet wurde. Man möchte sich fast wünschen, dass diesen Songs ein ähnlich ruppiger Transfer in den heutigen Hip-Diskurs samt Clubanbindung erspart bleibt. Allerdings geht es hier nicht um Tanzflächen, sondern um exzentrische Popentwürfe, die man sich auf billigem Equipment ausdenkt, in grauen Städten mit Dauerregen. Da entsteht dann solch derangierter Synthpop wie der von Gerry & The Holograms oder Henry Badowski, Powerpop von den Moondogs und den Cult Figures, es gibt störrische Einzelkämpfer wie Mark Beer und Thomas Leer, aber auch zeitlos Großartiges wie die mythenumflorten Monochrome Set und Weekend. Alles immer noch so fein wie damals. Überhaupt damals.

De:Bug 09/06


V.A. – Collectors Series Pt. 1 – The Modernist – Popular Songs (Faith Recordings)

Posted: September 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Diese neue Compilation-Serie soll ein Forum für Tanzmusikgeschichte werden, in dem Prominente ihre persönliche Auswahl präsentieren. Den Anfang macht Jörg Burger, der eine aussagekräftige Ansammlung poppiger Kölner Elektronik und Buddies zusammengestellt hat, gelegentlich eingestreute Lieblingszitatopfer wie Green Gartside, Paddy McAloon und Basic Channel inklusive (Zitat Promowisch: „Moritz von Oswald mit seinem brandneuen Future Classic Round Two“. Sauber!) Für einen Nicht-DJ hält Burger das Ganze sehr schön im Fluss, arbeitet eigene Exklusivproduktionen und Edits ein und beweist treffsicheren Sinn für Dramaturgie und Originalität. Da gibt es gar nichts zu beanstanden. Im Gegenteil, so manche Mix-CD in diesem Sektor liegt da abgeschlagen zurück. Musiker sind vielleicht die besseren Computerjockeys.

De:Bug 09/06


V.A. – Movements 2 (Perfect Toy Records)

Posted: September 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Der aktuelle Stand deutscher Funkforschung unter Federführung von Tobias Kirmayer. Beim verschwisterten Buddelgebiet Northern Soul ließ man in früheren Tagen bei der Auswahl ja eher den Erhältlichkeitsgrad entscheiden, daher finden sich dann auch im Plattenregal beispielsweise Kent-Compilations mit gefühlten zwei Highlights und einem blassen Rest von Mitläufern, die sich allein über ihre Seltenheit anbieten. Die anderen Highlights, die man noch in petto hatte, wurden einfach knauserig über die nächsten Veröffentlichungen verteilt. Zu jener Zeit gab es allerdings auch nicht so viel Reissue-Konkurrenz in den entsprechenden Fachgebieten. Dementsprechend rutschen die 15 hier vertretenen, schwitzigen Raritäten ohne Ausfälle munter durch und decken dabei das ganze Stilspektrum ab.

De:Bug 09/06


Inner City – Pennies From Heaven (Virgin)

Posted: August 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Kevin Saunderson verstand sich von Anfang an darauf, behände zwischen den klangforschenden Ansprüchen des noch frischen Detroiter Untergrunds und der glitzernden Verheißung von Disco zu rotieren. Inner City war auch wirklich so chromblitzend schöner Pop, dass ihm niemand nachtrug, in regelmäßigen Abständen seine experimentelle Verantwortung als Techno-Gründervater zu vernachlässigen. Er hatte eben auch in New York gelebt und noch die Paradise Garage im Kopf, und ab und zu musste das mit großem Aufwand raus. Diese grandiose Hymne ist der seltene Fall eines einträchtigen Schulterschlusses von Detroit und New Jersey, hier vertreten durch Tony Humphries, der seine emotionale Wucht nie verloren hat. Ein erster Entwurf zu wirklich ausladendem, wunderschönem Garage House in der reinsten Form, dessen Grandezza er später ebenso prächtig in der Gestalt des Reese Project fortschrieb.

De:Bug Online 08/06 


Boogie Nights (Premium Edition) (Arthaus)

Posted: July 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

In Zusammenarbeit mit dem Regisseur Paul Thomas Anderson entstandene Auflage auf zwei DVDs, die neben dem Film geschnittene Szenen, Musikclips, Kommentare und zwei wirklich unterhaltsame Easter Eggs bietet, eine Dokumentation über John Holmes und die Probeaufnahmen zur Schlussszene mit Dirk Digglers Plastikschwengel. Der Film ist ziemlich gut gealtert. Die Idee, die letzten Tage von Disco mit den letzten Tagen des klassischen Pornos zu verbinden und dieses Joint Venture dann inszenatorisch wie Scorsese in Hochform dynamisch vorüberrattern zu lassen, ist einfach gut. Der Film funktioniert ebenso als „period piece“, der Soundtrack ist chronologisch und stilistisch kompetent und die Set Designs, Klamotten und Line Hustles auf der Tanzfläche werfen einen liebevollen Blick auf den Koks-Hedonismus der späten 70er und der Jahre danach. Der Plot verliert etwas an Fahrt, wenn Anderson den Kuriositäten-Charakter seiner Episoden damit überfrachtet, anhand seiner Figuren den Sündenfall der Ära aufzuzeigen. Der Niedergang und die Schattenseiten erscheinen etwas unmotiviert, mit unfreiwilliger Komik und im Verhältnis zum bunten Treiben vorher auch mit weniger Dichte und Konsequenz. Da entwickelt der Film Längen und leidet etwas unter der Fülle von Anliegen und Zitaten, die vor Torschluss noch in die zweieinhalb Stunden Spieldauer rein mussten, ohne dem Film einen wirklichen Mehrwert zu geben, die furiose Szene mit dem vollgedrogten Alfred Molina und seinem asiatischen Gespielen mal ausgenommen. Durchgehend gut und stimmig ist nach wie vor die Besetzung, mit einem angemessen tumben Mark Wahlberg, einem fulminanten Burt Reynolds, Julianne Moore als der tragischen Mutterfigur und den verlässlichen Loser-Nebendarstellern William H. Macy, Luis Guzmán, John C. Reilly und Philip Seymour Hoffman sowie zahlreichen anderen Lichtblicken. Sie geben den Film den Habitus einer schrägen familiären Familiensaga in einer Branche, die in einem hermetischen sozialen Biotop mit allen dazugehörigen Querverbindungen und falschem Glam für die Befriedigung der Massen malocht, tabulos und spießig zugleich.

De:Bug 07/06


Dear Wendy (Legend Home Entertainment / Universum)

Posted: July 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Seitdem dieses Gipfeltreffen der beiden Oberdogmatiker Thomas Vinterberg (Regie) und Lars von Trier (Skript) letztes Jahr Premiere hatte, gehen die Meinungen immer noch weit auseinander. Besonders die Kinogänger und Filmkritiker in den USA sind zunehmend irritiert über die sarkastische Hartnäckigkeit, mit der die Dänen in ihren Filmexperimenten die dunklen Traditionen der amerikanischen Gesellschaft sezieren. Weniger statisch-bühnenhaft als von Triers „Dogville“, aber nicht minder allegorisch, mythisierend und konsequent inszeniert Vinterberg ein fiktives Provinznest, in dem jugendliche Außenseiter an Waffen geraten und darüber die schwärmerische Gang der „Dandies“ formieren. Sie sehen sich als bewaffnete Pazifisten mit einem sinnstiftenden Fetisch, doch schon bald durchsetzt die Kraft des Werkzeuges das Gruppengefüge, jede Pistole wird getauft, der Gang durch die Straßen wird breitbeiniger, die Hormone sprießen und der unweigerliche Kugelhagel lauert schon. Eine gut besetzte Initiationsgeschichte, die trotz ihrer distanzierten und artifiziellen Stilistik Wirkung erzielt. Amerikaner sind eben nicht gut mit Ironie und noch schlechtere Verlierer.

De:Bug 07/06


ISoul8 – Balance (Sonar Kollektiv)

Posted: July 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Der Italiener Enrico Crivellaro alias Volcov betreibt die angesehenen Labels Archive und Neroli, mit Anbindung an Londoner Broken Beats und beseelten Deep House aus Detroit und New York. Von dort holt er sich auch zahlreiche Versatzstücke, die im Verbund aber überwiegend wie ein verschollenes Artist-Album klingen, das Naked Music nicht mehr rausgebracht hat. Also Soul der eher summt als brüllt und Tiefe die eher vordergründig fließt als hintergründig abtaucht. Alle beteiligten Vokalisten wurden anscheinend exakt nach dieser Prämisse ausgewählt und der satte Schönklang folgt trockenen Fußes. Diese ganze Vollmundigkeit tritt schon selbstbewusst auf, aber wenn sich wie bei dem großartigen Instrumental-Ausreißer „How I Feel“ ein abseitiger Weg anzubieten scheint, schaltet sich danach der vorgebaute Limiter ein.

De:Bug 07/06


James Figurine – Mistake Mistake Mistake Mistake (Monika Enterprise)

Posted: July 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Jimmy Tamborello (u. a. Dntel, Figurine, The Postal Service) ließ sich von dem Backkatalog friedlichen deutschen Technopops anregen und konzipierte dieses Album, mit Auftritten am Mikro von ihm selbst sowie Sonya Westcott, Morgan Meyn Magler, Jenny Lewis, Erlend Øye und klanglicher Expertenhilfe von John Tejada. Daraus ergibt sich eine versonnen aus dem Fenster schauende Unverbindlichkeit, die an großen Pop-Gesten nicht weiter interessiert ist und sich etwas selbstverliebt in die eigene Introvertiertheit einschlaffelt. Die elektronische Komponente will auch eher zuhause bleiben, wo es sich ungestörter über die Orte reflektieren lässt, in denen die Angesungenen sich eventuell gerade anderweitig amüsieren, verdammenswert oberflächlich natürlich.

De:Bug 07/06