It – Women In Toilets (Electro-Choc)

Posted: January 5th, 2007 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Nur gelegentlich gibt es Sichtungen vom Franzosen Stefan Manceau, der einst vor zehn Jahren in Detroit das Label Starbaby gründete, das er jetzt in seiner Heimat weiterführt. Dabei finden sich nicht nur bemerkenswerte Eigenproduktionen, sondern auch Veröffentlichungen und Remixe von Fabrice Lig, Dan Curtin und Morgan Geist im übersichtlichen Backkatalog. Für das französische Label mit dem dusseligen Namen nun also dieser Track, der verhalten an „Rej“ erinnert, vor dessen Opulenz aber stets auf weniger befahrene Straßen ausweicht, auf denen sich versprengte Spuren zu einem kribbeligen Funk zusammenschließen. Für Stefan Goldmann hingegen scheint das nur eine Startformation zu sein, denn sein Remix macht sich zielsicher in die Tiefe davon und ist dabei so umsichtig konstruiert, dass clevere Geräuschtransformationen und angezählte Melodieschlieren zwischen Vorder- und Hintergrund Kreise ziehen können. Das bewegt sich dann so kompakt voran als hätte man modernem Deep House zwischen Berlin und New York gerade noch rechtzeitig mit einem Stahllineal auf die Finger gepatscht, bevor sich das Arrangement ausladend zum großen Gefühl hochduseln konnte. Formstark.

De:Bug 01/07


Sally Shapiro – Disco Romance (Diskokaine)

Posted: January 5th, 2007 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Der Schwede Johan Agebjörn hat sich neben seinen Ambient-Projekten schon etwas länger in die Plastikherzen der Italo-Disco-Revisionisten gepoppt. Den Backkatalog muss er aber auch wirklich erschöpfend studiert haben und derart entschlossen beteuert er die für Italo typische falsche Unschuld, ersetzt aber die mediterrane Skrupellosigkeit in der Herangehensweise an Pop mit dem Anspruch eines mit Produktionsmitteln gut ausgestatteten Tüftlers, der sich ehrlich um den guten Song bemüht. Damit erreicht er zwar nicht den billigen Charme von Valerie Dore-Platten, aber die durchaus ähnliche Stimme von Sally Shapiro singt durchaus ähnliche Melodien in Stücken von elastischer Finesse und Texten voller ungeschickt zögerlicher Intimität und doch kalkulierender Verführungskraft, zu denen man eigentlich nur Getränke bestellen sollte, die in der Dunkelheit fahl leuchten, und wer zuerst auf der Tanzfläche den Blick erwidert, hat verloren.

De:Bug 01/07


Yentown (Rapid Eye Movies)

Posted: January 5th, 2007 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Yentown bezeichnet sowohl Nicht-Japaner, die am Rande Tokyos dem Gaunerglück hinterherhustlen, als auch deren tristen Peripherie-Lebensraum, der mit dem schicken urbanen Futurismus anderer japanischer Megacity-Filme nicht mehr viel gemein hat. Chinesische und amerikanische Immigranten, die den gesellschaftlichen Statuscheck nicht bestanden haben, bilden hier eine streetsmarte Gemeinschaft von kleinkriminellen Stehaufmännchen, Huren, Junkies und kaputten Bohemiens, die wie gesellschaftliche Parasiten auf den Wirt warten, der sie in die Stadt bringt und doch schon zuviel trotzigen Stolz und Integrität entwickelt haben um sich im dortigen Milieu assimilieren zu können. Als die städtischen Yakuza bei einem Ausflug in dieses Niemandsland eine Blaupause für Falschgeld verlieren gerät dieser Haufen in Bewegung und drängt sich durch den Spalt zur sozialen Akzeptanz, doch das Leben dahinter ist ein ungastliches Terrain, das sich nur für den Preis der Selbstverleugnung und des Verrats besiedeln lässt. Je weiter die Individuen wieder nach Yentown zurückgedrängt werden, desto mehr laden sie sich wieder mit dessen Kraft auf und schlagen drastisch gegen die Zirkel der Großstadt aus. Im steten Bildstrom der flirrigen Handkamera wirft dieser Film den Zuschauer zwischen Momenten poetischer Intimität, karger Schönheit, kaputter Tragik und heftiger Gewalt hin und her die lange nachhallen und die Inszenierung wirkt nicht nur beim schrägen Ensemble und offensichtlichen Zitaten so, als wäre Inwai in einer dieser infernalischen Opiumhöllen Fellini erschienen, und beide hätten sich auf die Zersiebung filmischer Konventionen geeinigt.

De:Bug 01/07


Demon Pond (Rapid Eye Movies)

Posted: December 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Zwar gab es auch schon vorher formalexperimentelle Exkursionen im Schaffen Miikes, doch mit einer klassischen Theateraufführung war wohl nicht unbedingt zu rechnen. Miike sucht in seiner Inszenierung dabei nicht die polarisierende Konfrontation mit dem Medium, also etwa anhand eines direkten Bühnentransfers seiner Schocktaktiken aus berüchtigten Werken wie „Audition“, „Ichi – The Killer“ oder „Izo“, sondern bewegt sich durchaus in den Konventionen der Theaterregie. Wie schon bei Lars von Triers vergleichbaren Experimenten gibt es jedoch eine perspektivische Kameradramaturgie, die im minimalistischen Bühnenbild dem Treiben der Schauspieler folgt, von denen einige Gesichter auch in seinen Filmen zu finden sind. Inhaltlich balanciert Miike gekonnt komische und dramatische Züge im Kontext einer Legende, in der mythische und reale Welt koexistieren, was auf Dauer natürlich nicht gut gehen kann. Ein sehr schöner Stoff, mit dem Miike ohne zu moralisieren menschliche Gesellschafts- und Kulturtradition auseinandernimmt und ein paar Seitenhiebe in Richtung der Imperialisten aus Übersee gibt es noch obendrauf.

De:Bug 12/06


Der Mythos (Splendid)

Posted: December 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Jackie Chan ist ein wenig wie Gene Kelly, ein Bewegungsgenie, dem man seine Virtuosität nicht ansieht. Seine Art in Würde zu altern ist es, in dieser Hongkong-Großproduktion seinen geschundenen Körper in irrwitzigen Choreographien abermals zu malträtieren, jedoch in einem Film, der mit seinen Hollywood-Expeditionen nur noch wenig gemein hat. Das Brimborium, das hier aufgefahren wird, erfordert vielmehr die beträchtliche Auffassungsgabe eines Konsolenprofis, der nach einem zwanzigstündigen Arbeitstag in seiner kartongroßen Heimstatt zur Entspannung das Home Entertainment Center hochfährt. Es gibt alternierende, Jahrhunderte überbrückende Handlungsstränge zwischen Traum und Wirklichkeit, große Liebe, große Mythologien und Dynastien und allgemein großes Getöse in verstörenden Set Designs zwischen Kurosawa und Gilliam, mit Legionen von Komparsen. Es enthüllt sich das Rätsel der Tonsoldaten, der Unsterblichkeit und der Wiedergeburt und ein Satz wie „Der Kaiser von China hat mit Hilfe des Meteoriten eine Welt der Schwerelosigkeit erschaffen“ ist im Zusammenhang weniger hanebüchen als er klingt. Der Subtext ist jedoch ein wehmütiger: eine Boom-Nation, die im Expansions- und Fortschrittsdrang ihre Werte verrät. Dieser Film zeigt eindrucksvoll, was man verliert.

De:Bug 12/06


Foremost Poets – Reasons To Be Dismal? (Nu Groove)

Posted: November 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Von allen Exzentrikern im House ist Johnny Dangerous ganz weit oben in der Thronfolge und dies ist sein erstes Opus. Kaputte Spuren von Love Committee und Eddie Kendricks trudeln durch ein psychedelisches Meisterwerk in vier Aufzügen, in dem Phaser auf gut Glück in die Dunkelheit schießen, die Basslines sich mindestens vom Kern der Erde in die sündigen Großstädte zurückwühlen und die Tastenklänge sich meilenweit in ungeahnte Tiefen schlieren, wobei darüber der Schöpfer dieser wahrhaft erschütternden Musik ungerührt über unser aller sterbliche Hoffnung und Verdammnis philosophiert. Die archaische Steintafel des Deep House, you better believe.

De:Bug 11/06


V.A. – Sunday Afternoon At Dingwalls (Ether Records)

Posted: October 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , , | No Comments »

Gilles Peterson und Patrick Forge lehnen sich mit dieser Sammlung zurück und gedenken des Londoner Alldayers, mit dem der ganze Acid-Jazz-Komplex seinen Lauf nahm. Dingwalls war damals das Auffangbecken für die monotoniegeplagten Hipster, die je nach Blickwinkel unter- oder überfordert nach der musikalischeren Alternative zur Acid – Revolution fahndeten. Zu Rolli und Goatee abgebogene Ex- Mods und Soulboys, Straight-No-Chaser-Abonennten, Anspruchsposer und und Tanzflächenakrobaten schmissen sich in den leichten Jazz der tanzbaren Variante und manifestierten eine robuste Geschmacksbastion, deren Diktat noch immer fingerhebend in den meisten Veröffentlichungen nachhallt, die sich an Jazz mit schwachen Nerven und faltenfreiem Funk abarbeiten. Im Überblick ist das zwischen den warmgeduschten Düdel-ClubSoul-Funk-Brasil-Jazz-Komponenten von Ayers bis Ponty aber auch immer noch so adrett und versnobt, dass man gar nicht weiß, ob man sich für diesen komplett unruppigen Rückblick wirklich bedanken muss. Cecil Taylors Rübe in die Tasten knallen zu sehen, ist auf alle Fälle eine reizvolle Alternative und Musik aus der Steckdose geht irgendwie auch, wie immerhin später auch eingesehen wurde.

De:Bug 10/06


V.A. – The Kings Of Techno (BBE)

Posted: October 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Gekrönte Häupter sind sie also denn offiziell mit dieser Kompilation, auch wenn sie sich bei der Auswahl der Abgaben ganz volksnah geben. Die Trutzburg heißt für beide Regenten Detroit. Sire Garnier kümmert sich hierbei um die ältere und jüngere Vergangenheit der Ländereien, wobei er ganz im Sinne der unlängsten Prunkkutschenfahrt mit Seiner Hoheit Mills ganz früh bei den Stooges, Aretha Franklin, den Temptations und Funkadelic anfängt und sich dann über die ehrwürdigen Vorfahren bis hin zu Dabrye und Arpanet vorarbeitet. Sire Craig wiederum gibt die Komplimente nach Old Europe zurück und sucht Einflüsse und Wechselbeziehungen bei Klassikern von etwa Visage, Nitzer Ebb, Kano und Yello, um dann schließlich bei Black Dog zu landen. Alle Zehnten sind gut gealtert und zu Recht im höfischen Vorratskeller und die beiden Majestäten klopfen sich bei der Zusammenstellung der Tafelrunde auch ein bisschen gegenseitig auf die erlauchte Schulter. Honi soit qui mal y pense. Klapp, Klapp…die Tänzer.

De:Bug 10/06


Basement Jaxx – Crazy Itch Radio (Edel)

Posted: September 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Ich finde überladene Musik eigentlich prima und auf den verheißungsvollen EPs bis zum ersten Album passierte auch schon eine ganze Menge. Aber da gab es auch bewusste Gegenpole und Ruhephasen und der Stilmischmasch erschien wie ein gültiges Statement. Dann entschieden sie sich irgendwann das auf die Spitze zu treiben und wurden dabei nicht immer vielfältiger, sondern immer beliebiger. Die wissenden Eklektiker verrannten sich zu quietschbunten Grinsebären mit dauerhaftem Straßenkarnevalsapostel-Anspruch, abgesegnete Brixton-Multikulti-Wurzeln hin oder her. Es wurde viel auf einmal abgefeuert, aber letztendlich traf eigentlich auch nicht viel. Es bringt vermutlich nix aufzuzählen, was hier so alles erschallt, möglichst gleichzeitig. Da das hier eh eine rappelnde Radiosendung suggerieren soll, denk dir dein Lieblings-Spartenthema, es ist ganz bestimmt auch als Ganzes in den Gumbo-Topf geworfen worden. Der Schirmherr der Parade könnte noch Lord Kitchener sein, aber eben auch André Heller.

De:Bug 09/06


Der ewige Gärtner – Special Edition (Kinowelt)

Posted: September 6th, 2006 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , | No Comments »

Ein gegensätzliches Paar sind Justin Quayle (Ralph Fiennes) und seine Frau Tess (Rachel Weisz). Er ist ein gleichmütiger Bürokrat im Dienst Ihrer Majestät in Nairobi und entspricht meiner Überzeugung, dass Spione in ihrem Verwaltungsapparat ungleich wirkungsvoller anzuschauen sind als ihre sich vom Hubschrauber ins Casino abseilenden Kollegen. Sie ist eine Vollzeitaktivistin der enervierenden Art, immer auf der Suche nach der nächsten Ungerechtigkeit. Am Anfang des Films steht ihre Ermordung und er sucht nach den Zusammenhängen und einer Erinnerung von ihr, die er für immer behalten kann. Er stößt dabei auf Verwicklungen der Pharmaindustrie und der Diplomatie, welche in den Armensiedlungen ein wahrhaft zynisches Joint Venture unterhalten. Von da an führt der Weg über Verrat und Bauernopfer zu Machenschaften, die sich durch Idealismus höchstens vorübergehend beeinträchtigen lassen. Fernando Meirelles und John le Carré sind auf den ersten Blick auch eine ungleiche Paarung. Der Regisseur wurde mit dem großen kinetischen Brimborium seiner Ghetto-Studie „City Of God“ bekannt, der Autor der Vorlage mit kühlen Sezierungen internationaler Geheimdienstaktivitäten. Meirelles lenkt seinen Einfallsreichtum hier jedoch auf optische Akzente und narrative Verschachtelungen, die der bitteren Konsequenz der Handlung keine Kraft nehmen. Die Sonderauflage bietet eine reichhaltige Auswahl von Extras ( Making of, Deleted Scenes, Erweiterte Szenen, TV-Spots, Featurettes, Interviews, Szenen vom Dreh, Trailer) für einen ohnehin sehenswerten Film.

De:Bug 09/06