Posted: August 23rd, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Interview, Rewind, sounds-like-me.com, Tangerine Dream, Ulrich Schnauss | No Comments »
Im Gespräch mit Ulrich Schnauss über “Force Majeure” von Tangerine Dream (1979).
Ich nehme mal an, Tangerine Dream waren nicht so ein gängiges musikalisches Thema zur Zeit Deiner Jugend. Kannst Du Dich noch daran erinnern, wann und wie Du die Band für Dich entdeckt hast?
1991 erschien das Album “Frequencies” von LFO – eine Platte, die mich sehr nachhaltig beeindruckt hat – zum einen musikalisch, zum anderen da sich im Inlay der Text des Openers “What Is House” befindet: im Prinzip einfach eine Aufzählung der wichtigsten Vertreter der elektronischen Musik der vorangegangen Jahrzehnte. In dem Alter hatte ich tatsächlich keine Ahnung, wer Yellow Magic Orchestra oder Tangerine Dream sind – als großer LFO-Fan hat es mich aber interessiert, wen die beiden da als ihre Vorbilder nennen. Ich habe mich dann einfach Stück für Stück durch die Liste durchgearbeitet – als ich schließlich bei “Tangerine Dream” angekommen bin, hatte ich so eine Art musikalisches Erweckungserlebnis.
Ich kann mich noch daran erinnern, wie Du in den 90ern im kleinen Rahmen eines Clubs Deiner Geburtsstadt Kiel ein DJ-Set mit Deinen liebsten Tangerine Dream-Platten bestritten hast. Hattest Du damals schon die musikalischen Ideen im Kopf, die Du dann an anderen Orten umgesetzt hast? Wie wichtig waren Tangerine Dream für Deine persönliche Entwicklung als Künstler?
Ja, ganz bestimmt – ich habe eigentlich seit meiner Kindheit eine bestimmte Art von Musik im Kopf, die ich gerne irgendwann machen würde – alles was ich veröffentliche ist Teil eines langsamen Annäherungsprozesses an dieses Ziel.
Tangerine Dream war für mich in verschiedener Hinsicht wichtig – grundsätzlich erst einmal um zu erkennen, dass man mit Hilfe von elektronischen Instrumenten nicht nur Dance-Musik machen kann – für Jemanden, der zum ersten mal bewusst Synthesizer im Rahmen von Acid House gehört hat, ist das nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Zum anderen finde ich Edgar Froeses Herangehensweise an dieses elektronische Instrumentarium immer wieder inspirierend und das ist zu einer Art Leitidee auch für mich geworden: anstatt die Technik zum Fetisch zu erheben und die Transformation zur “Menschmaschine” zu propagieren (wenn auch zunächst in ironischer Brechung), steht das Werk von Tangerine Dream für ein Modell, bei dem der Mensch der bestimmende Faktor bleibt – das Sounddesign von Tangerine Dream unterscheidet sich grundsätzlich: warme, organische Farben, die den Hörer auf eine “Reise im Kopf” (pardon für das Klischee!) schicken – weit entfernt von technokratischer Kälte und büro-germanischer Sterilität (wobei ich nicht bestreiten will, dass sich unter dieser Voraussetzung nicht auch interessante Musik produzieren lässt – mich persönlich hat das allerdings nie sonderlich gereizt). Read the rest of this entry »
Posted: July 12th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Interview, Neil Landstrumm, nike.bordom, Rewind, sounds-like-me.com | No Comments »
Im Gespräch mit nike.bordom über “Brown By August” von Neil Landstrumm” (1995).
Wie kamst Du zu “Brown By August”? War es ein Zufallsfund im Plattenladen, oder warst Du schon anderweitig darauf vorbereitet?
Ich habe zu der Zeit, als “Brown By August” 1995 rauskam, bei einem Musikvertrieb /-großhandel gearbeitet. Dadurch habe ich sehr viel Musik mitbekommen, die abseits des Mainstreams stattfand. Damals habe ich viele Veröffentlichungen von Warp und Rephlex gekauft, aber auch viel Acid, Djax-Up-Beats oder Synewave. Peacefrog kannte ich eigentlich durch die DBX-Releases. “Brown By August” ist natürlich eine ganz andere Kategorie, passte aber andererseits gut zu meinen früheren Vorlieben, Industrial und EBM, Musik die eher aggressiv und energetisch ist. Von daher hat das Album bei mir sofort Begeisterung ausgelöst.
Warum hast Du Dich für dieses Interview für das Album entschieden? Ist es exemplarischer Techno für Dich?
Die Entscheidung für eine Platte fiel mir ja alles andere als leicht, da es so viel Musik gibt, die mich zu einem bestimmten Zeitpunkt begeistert und rückblickend auch extrem geprägt hat. Die Liste möglicher Kandidaten wurde immer länger.
Was meine Entscheidung bestimmt hat, ist der Humor, den ich im Laufe der Jahre in dem Album entdeckt habe. Ich bin mir sicher, Neil Landstrumm hat bei der Produktion enormen Spaß gehabt. Diese Kombination von brachialer Musik und (Selbst-)Ironie finde ich sehr einzigartig, ich muss bei jedem Hören erneut schmunzeln.
Exemplarisch daran ist sicher der “Maschinen-Aspekt”: Pattern-basierte Strukturen ohne große Variationsbreite, eine limitierte Anzahl von Sounds, eben eine gewisse produktionsmittelbedingte Reduktion. Bei dieser Art von Musik liegt das Augenmerk natürlich mehr auf dem Sound als auf dem Arrangement. Und was an Maschinen so wunderbar ist: es ist nicht alles immer 100%ig tight im Tempo, die einzelnen Maschinen laufen nicht ständig völlig synchron. Auch wenn das nicht wirklich hörbar ist, es ist spürbar, dass da mehr Lebendigkeit drin ist, als bei reinen Computer-Produktionen. Read the rest of this entry »
Posted: June 29th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: de:bug, Interview, Tensnake | No Comments »
Du bist ja schon eine ganze Weile aktiv. Mit Deinem Label Mirau fing es an, was ja anfangs auch noch ganz anders ausgerichtet war als das, was jetzt Deine Karriere ausmacht. Man hätte also schon darauf kommen können, dass man Dich nicht so leicht festlegen kann. Stellt das mittlerweile ein Problem für Dich dar?
Nein, wo ich heutzutage stattfinde, ist schon größtenteils ein House/Disco-Rahmen. Ich sehe das nicht als Problem. Ich finde es nur dann schwierig, wenn ich nun auf eine Rolle als Nu Disco-Produzent beschränkt werde, weil es für mich halt nichts aussagt. Ich finde der Begriff „Nu Disco“ ist schon schwierig. Ich will mich auf gar keinen Fall festlegen, in irgendeine Richtung.
Es Dir also wichtig als Produzent einen Freiraum zu behaupten, in dem Du machen kannst, was Du willst?
Ja, das ist schon sehr wichtig. Das ist oft immer sehr stimmungsabhängig, und das kann morgen auch was ganz Anderes sein. Es war sicherlich auch Glück, dass es jetzt in dieser Disco-Welle alles zusammenkam, aber ich habe nicht gezielt daraufhin produziert. Read the rest of this entry »
Posted: June 28th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Carlos de Brito, Hidden Agenda, Interview, Rewind, sounds-like-me.com | No Comments »
Im Gespräch mit Carlos de Brito über “Pressin’ On” von Hidden Agenda (1995).
Wie bist Du auf Hidden Agenda gestoßen? Eine Erstbegnung in der goldenen Ära von Drum ‚n’ Bass?
Es war definitiv die goldene Ära von Drum ‘n’ Bass. Wahrscheinlich bin ich im Dortmunder Plattenladen Entity auf sie gestoßen. Alternativ kann es auch Oliver von Felberts Drum ‘n’ Bass-Kolumne Wildstyle in der Spex gewesen sein. “The Flute Tune” war jedenfalls die Erstbegegnung.
Warum hast Du Dir “Pressin’ On” ausgesucht? Was macht den Track so wichtig für dich? Was ist sein musikalischer Reiz?
Ich hab relativ lange überlegt, welcher Song/Track in ein Format passt, in dem es um Musik geht, die einem viel bedeutet, die sich tief in die persönliche musikalische DNA eingefräst hat. Songs von Wham!, Gang Starr, A Tribe Called Quest, Sonic Youth, Aphex Twin, Moodymann, Theo Parrish und ein paar andere Großmeister standen zur Auswahl, aber dann bin ich bei meiner internen Inventur über diesen Track gestolpert.
Er steht für den Anfang eines Zeitraums von ca. 5-6 Jahren, in dem ich viel Drum ‘n’ Bass gehört habe. Eine Zeit, die übrigens zusammen mit jener fiel, wo sich viele in meinem Umfeld,am Ende der Schulzeit, bewusst/unbewusst entschieden haben, ob man sich weiterhin für neue Musikstile öffnet oder nicht.
Ich erwähne das deshalb, weil mein damaliger Kumpel Rui Fernandes (mit der Kölner Interference Crew nach wie vor in Sachen Drum ‘n’ Bass aktiv) und ich mit unserer Vorliebe für solche Musik in unserer, ähem… peer group auf uns allein gestellt waren. Indie und Grunge waren noch alle mitgegangen, Hip Hop größtenteils auch, bei Mo’Wax und Warp trennte sich schon der Aguardente vom Trester, bei Drum ‘n’ Bass hieß es meist nur noch: “Alter, geh’ mir wech mit dem Scheiß!”
Insofern mussten wir beide alleine ausbaldowern, ob die Platte nun auf 33 oder 45 Umdrehungen abgespielt werden sollte. Der Moment, als ich nach Tagen (oder Wochen?) endlich geschnallt hatte, dass “Pressin’ On” tatsächlich auf 45 Umdrehungen gedacht war und hektisch zum Telefon gerannt bin, um Rui diesen Heureka-Moment zu übermitteln…! Das prägt. Wie bei “Verstehen Sie Spaß?”: Einerseits glücklich, die versteckte Kamera entdeckt zu haben, andererseits tief beschämt, so hinters Licht führt worden zu sein! Ich bin froh, kürzlich erst erfahren zu haben, dass beispielsweise auch Leute wie Martyn – wie er kürzlich bei seiner Lecture im Rahmen der Red Bull Music Academy in Lissabon erklärte – ähnliche Erlebnisse hatten.
Wahrscheinlich habe ich deshalb “Pressin’ On” ausgewählt. Davon abgesehen ist das nach wie vor ein Knaller. Read the rest of this entry »
Posted: June 14th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Interview, Peter Kruder, Pink Floyd, Rewind, sounds-like-me.com | No Comments »
Im Gespräch mit Peter Kruder über “Wish You Were Here” von Pink Floyd (1975).
Kannst Du Dich noch daran erinnern, wie Du auf Pink Floyd gestoßen bist? War das noch in Deiner Jugend?
Ich war gerade mal 11 Jahre alt als mein Bruder, der damals für Bang & Olufsen im Service gearbeitet hat, mit einer neu erstandenen B&O-Anlage nach Hause kam. Als das Ding aufgebaut war, zog er eine in schwarzes Plastik gehüllte Platte aus einer Einkaufstüte, schlitzte vorsichtig die Plastikhülle auf und legte die Platte auf den Teller. Die B&O-Anlagen damals hatten keine ordinären Drehregler, sondern in Glas gefasste elegante Schieberegler, und den Volumenregler auf ein angemessenes Level geschoben schwebte mir dieser G-Moll-Akkord aus den Boxen entgegen und ich war von der ersten Sekunde an auf einen anderen Planeten transportiert.
Die blubbernden Synths im Hintergrund und die zarte Moog-Melodie, die nichts sagt außer dass sie einen noch mehr hineinzieht, waren mir damals total unerklärlich und ich war gefangen vor Aufregung über was auch immer als Nächstes kommen würde. Das Vier-Noten-Motiv der Gitarre war für mich dann der endgültige Beweis, dass ich mich in einem neuen Stadium meiner persönlichen Entwicklung befand und von da an gab es nur mehr Pre-Floyd und Post-Floyd in meinem musikalischen Universum.
Pink Floyd hatten einige wegweisende Alben vorzuweisen. Warum hast Du Dir “Wish You Were Here” ausgesucht? Was macht das Album so wichtig für dich?
Ich war natürlich total angefixt von dem Floyd-Sound, sodass ich mich dann sofort auf die Suche nach mehr begab. Das Taschengeld damals reichte nicht für mehr als ein Album alle vier Monate und wurde mehr in Singles investiert, meine Schulfreunde damals waren mehr bei Abba als bei Floyd. Ich hatte in meiner Schule zwei ausgezeichnete Professorinnen im Englischunterricht, beide aktive 68erinnen, die eine Unterrichtsstunde nutzten, um uns Pink Floyds „The Wall“ vorzuspielen. Da war er wieder, dieser Sound, diesmal mit mehr Text, und ich lief nach dem Unterricht nach Hause, köpfte das Sparschwein und ab in den Plattenladen. The Wall verließ die nächsten fünf Monate nicht mehr den Plattenteller und wöchentlich wurde eine andere Seite favorisiert. Ich war damals unsäglich schlecht in Englisch und verstand kein Wort, was mich nach einiger Zeit zum Wörterbuch greifen ließ um mir die auf den Hüllen gedruckten Lyrics Wort für Wort zu übersetzen. Am Ende des Jahres hatte ich eine Zwei in Englisch und wurde speziell für meinen drastischen Fortschritt im Unterricht gelobt. Von daher gesehen ist „The Wall“ für mich auch eine wichtige Floyd-Platte. Dass die Lyrics eigentlich schrecklich sind und als öffentlichen Therapiecouchplatz von Roger Waters missbraucht wurden, kam mir erst viele Jahre später und deswegen ist „Wish You Were Here“ auch meine bevorzugte Platte im Floyd-Schaffen. Read the rest of this entry »
Posted: May 24th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Falko Brocksieper, Interview, Pet Shop Boys, Rewind, sounds-like-me.com | No Comments »
Im Gespräch mit Falko Brocksieper über “Disco” von den Pet Shop Boys (1986).
Wie kamst Du erstmalig mit den Pet Shop Boys in Kontakt? “West End Girls” im Radio, in jungen Jahren?
Ich habe eine zwei Jahre ältere Schwester, deren beste Freundin hatte auch wiederum eine zwei Jahre ältere Schwester, und über diese zähe Nahrungskette gelangte einiges an kredibler Popkultur schließlich zu mir. Das waren zwar auch mal Sachen wie Wham! oder so, aber auch Depeche Mode, The Smiths, und eben Pet Shop Boys. Da muss ich etwa zehn Jahre alt gewesen sein. Ein eigenes Kassettenradio hatte ich erst gegen Ende der 80er. Die Mitschnitt-Zeit fing für mich also erst etwas später an.
Hattest Du generell eine Schwäche für den Synthpop dieser Zeit, und die Pet Shop Boys waren eine Facette davon, die Dir besonders gut gefiel?
Auch davor schon, auf diversen NDW-Compilations, die in unserer Familie kursierten, übten die Synthie- und Drummachine-geprägten Lieder eine große Faszination auf mich aus. Irgendwie Knöpfe drücken und Sachen bedienen erschien mir weitaus reizvoller als das handwerkliche Beherrschen eines Musikinstruments. Der Synthpop der 80er traf also ebenfalls diesen Nerv, auch wenn mein Fanverhalten da wenig systematisch war, geschweige denn von irgendwelchem Wissen gekennzeichnet. Ein eigenes Radio besaß ich wie gesagt nicht, das elterliche hochwertige HiFi-Equipment war tabu, und ich durfte auch eigenartigerweise ziemlich lang keine Bravo lesen. Mir kamen also nur einzelne Songs gelegentlich zugeflogen – wenn nicht von Freunden, dann etwa im Supermarkt, oder aus einem vorbeifahrenden, sportlich lackierten Ascona. Da gab es so ein paar schnauzbärtige Jungs in Netzhemden einige Straßen weiter, die schraubten an ihren Autos rum und hörten dabei Sachen wie Trans-X “Living On Video” oder Shannon “Let The Music Play”. Meistens wusste man aber natürlich nie wer/was/woher das jetzt war. Welches Lied nun von Bronski Beat, und welches von Kim Wilde war, das erfuhr ich oft erst Jahre später.
Die Pet Shop Boys aber weckten schon beim ersten Kontakt mein ganzheitliches Interesse. Neben der Musik gefiel mir auch einfach diese seltsame Unnahbarkeit und ihr nüchternes Auftreten. Gott weiß wie bunt auftoupierte Haare und komische Anziehsachen fand ich dagegen als Kleinstadt-Kind eher verstörend – damit wollte ich lieber nichts zu tun haben. Die Perücken- und Hut-Eskapaden der Pet Shop Boys kamen ja dann erst später, in den 90ern.
Was mich ebenfalls von Beginn an reizte, war das ganze Setup der Band, bzw. dass es eben gar keine richtige Band war, sondern nur zwei Leute, von denen der eine sogar nur sang. Denn das hieß ja, dass der andere Typ da hinten die ganze Musik quasi ganz alleine macht mit seinen Keyboards, von denen er teilweise sogar mehrere um sich stehen hatte. Ich nahm an, dass diese Geräte unglaubliche Komplexität und Leistungsumfang besitzen mussten, und dass derjenige ein Genie sein muss, der all das beherrscht und dabei auch noch so lässig rüberkommt. Von technischen Errungenschaften wie Playback ahnte ich also nichts. Read the rest of this entry »
Posted: May 17th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Interview, Rewind, Richard Hell & The Voidods, Riley Reinhold, sounds-like-me.com | No Comments »
Im Gespräch mit Riley Reinhold über “Blank Generation” von Richard Hell & The Voidods (1977).
“Blank Generation” ist ein absoluter Punk-Klassiker. Kannst Du Dich noch daran erinnern, wann Du den Song zum ersten Mal gehört hast? Hattest Du eine Punk-Sozialisation in Deiner frühen Jugend?
Ich hab das Album gehört bei Freunden von mir. Gehört ist falsch, gesehen…weil vorspielen wollten sie mir das nicht. Die waren alle älter und hörten richtigen Rock, Südstaaten-Rock, Lynyrd Skynyrd, Deep Purple, Queen, und die Platte hatten sie im Cut-out-Shop vom Saturn ergattert (damals ein Paradies für Andersdenkende!), wo ich auch einige seltene Platten gekauft habe, die keiner wollte. Nun, sie konnten nichts damit anfangen, ich glaube es ging gar so weit, dass sie die Platte anwiderte. Wäre ich nicht dort gewesen, wäre die Platte in den Mülleimer gewandert und ich hätte nie was von ihm gehört. Ja nicht ganz, ich bin akribisch was die Historie von Musik angeht und habe noch nie der Musikindustrie Glauben geschenkt, das die wirklich erkennen können was cool ist. Das ist sicher auch der Antrieb gewesen, selbst mal ein Label wie Traum zu gründen.
Warum hast Du Dir diesen einen Song ausgesucht, und nicht das ganze dazugehörige Album? Wird in “Blank Generation” schon alles gesagt?
Ich würde sagen, dass hat damit zu tun, das erstens “Blank Generation” mit der beste Song von ihm ist, aber auch weil ich das Format 7“ liebe und ich damit viel Leidenschaft, ungetrübte Leidenschaft verbinde. Danach kam nichts mehr was mir so viel Freude bereitet hat. Ich bin denen nachgejagt und hab geschwitzt. Klingt doof, weiß ich. Read the rest of this entry »
Posted: May 10th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Depeche Mode, Heiko Hoffmann, Interview, Rewind, sounds-like-me.com | No Comments »
Im Gespräch mit Heiko Hoffmann über “Violator” von Depeche Mode (1990).
Kannst Du Dich noch daran erinnern, wann und wie Du zum ersten Mal Depeche Mode bewußt gehört hast? Soweit ich mich erinnern kann, war es bei mir “Just Can’t Get Enough” bei ersten Clubbesuchen in jungen Jahren. Wie war es Bei Dir?
Das war bei mir ein paar Jahre später, wahrscheinlich war es sogar das Video zu “People Are People”, das auf 1984 auf Formel 1 lief. Ein Jahr später kaufte ich mir dann die Compilation “The Singles 81 – 85″. “Black Celebration” war dann das erste Album, das ich zur Veröffentlichung kennenlernte.
Rückblickend fand ich Depeche Mode damals gar nicht so herausragend. Ich mochte vor allem diesen Vince Clarke-Sound. Als der ausgestiegen war, fand ich dann auch erstmal Yazoo interessanter, und habe Depeche Mode erstmal lange Zeit eher nebenbei verfolgt. Dennoch haben sie sich ja ziemlich schnell von Clarke emanzipiert, wohingegen Clarke mit Yazoo und Erasure sehr ähnlich klang wie Depeche Mode in ihrer Frühzeit, auch wenn Andy Bell eher nach Alison Moyet klang als nach Dave Gahan. Hättest Du damals gedacht, dass Depeche Mode so erfolgreich werden würden?
Als ich Depeche Mode kennenlernte waren sie für mich schon wahnsinnig erfolgreich – zum Beispiel spielten sie ja schon auf der Tour zu “Black Celebration” in der Berliner Waldbühne.
Trotzdem war ich erstaunt, als ich sie letztes Jahr im Olympiastadion gesehen habe. Ein Paradox: Depeche Mode sind die einzige Band die ich kenne, zu deren Konzerte deutlich mehr Besucher kommen, als zu ihren Hochzeiten – und ohne das sichtbar neue Publikumsschichten erschlossen werden. Read the rest of this entry »
Posted: April 26th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Bomb The Bass, Interview, Rewind, sounds-like-me.com, Sven von Thülen | 1 Comment »
Im Gespräch mit Sven von Thülen über “Into The Dragon” von Bomb The Bass (1988).
Wie und wann bist Du auf Bomb The Bass gekommen? Als “Beat Dis” rauskam?
Ja, “Beat Dis” war ja ein Riesenhit, der ist auch an einem damals 11 oder 12-jährigen wie mir nicht vorbeigegangen. Es gab gleich neben unserer Schule eine Bibliothek, in der man Kassetten und CDs ausleihen konnte. Da gab es auch “Into The Dragon”. Ausleihen, überspielen und ab in den Walkman. Das Cover von “Beat Dis” war auch der Grund, warum ich damals für eine Weile mit einem Smiley-T-Shirt rumgerannt bin. Vollkommen ahnungslos.
Warum hast Du Dir “Into The Dragon” ausgesucht? Ist es für Dich exemplarisch für diese Phase 1987/88, als sich junge englische Produzenten mit sehr viel Enthusiasmus auf die Möglichkeiten des Samplings stürzten? Was für Qualitäten besitzt “Into The Dragon” für Dich?
Als das Album rauskam, war ich wie gesagt noch ziemlich jung. Und ich hätte es wahrscheinlich auch nicht mitbekommen, wenn es nicht in den Charts gewesen wäre. Ich habe mir damals auch die ersten Maxis von S’Express und Coldcut gekauft und auch einige von den kommerzielleren Acid-House-Samplern, die es gab, mit so Sachen wie “Jack To The Sound Of The Underground” von Hithouse oder D-Mobs “We Call It Acieed”. England war ein viel wichtigerer Pop-Bezugspunkt für mich als zum Beispiel die USA. Es gab zu der Zeit immer dienstags auf Bremen 4 die BBC Top 40 im Radio und im Anschluss die Top 20 der Independent Charts. Das waren meine wichtigsten musikalischen Quellen. Da hab ich zum ersten Mal A Guy Called Gerald gehört, The KLF , Inner City, Sugarcubes oder auch Pop-Punk wie Snuff. Dass ich mich gerade für “Into The Dragon” entschieden habe, hat unter anderem damit zu tun, dass das Album quasi meinen Einstieg in Club-Musik darstellt und es musikalisch Vieles vorweg genommen hat, was mir später wieder wichtig wurde. Damals konnte ich das alles gar nicht dechiffrieren. Bomb The Bass steht also exemplarisch für diese Zeit, deren Platten ich viele Jahre später unter ganz anderen Vorzeichen noch mal neu entdeckt habe. Wobei: Meine “Into The Dragon”-Kassette habe ich schon mit besonderer Hingabe geliebt. Die Tracks hatten diese unglaubliche Energie. Ich hatte ja keine Ahnung, was genau ein Sample ist, aber dieses collagenhafte hatte etwas von Achterbahn fahren, und das hat mich fasziniert. Das es irgendwie nach HipHop (damals sagte man noch Rap, oder täuscht mich da meine Erinnerung?) klang, aber viel elektronischer und bunter war, trug auch zur Faszination bei. Ich hab ein paar Mal ältere Kids zu “Megablast” und “Beat Dis” breaken sehen, das passte in meinen Augen wie Arsch auf Eimer. Das Album hat für mich auch nichts von seinem unmittelbaren, sehr jugendlichen Charme verloren. Es ist wirklich gut gealtert. Read the rest of this entry »
Posted: April 12th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Didi Neidhart, Interview, Rewind, Soft Cell, sounds-like-me.com | No Comments »
Im Gespräch mit Didi Neidhart über “Non-Stop Erotic Cabaret” von Soft Cell (1981).
Es gibt sicherlich etliche Wege um auf die Musik von Soft Cell zu stoßen. Wie war es bei Dir?
“Tainted Love” kam ja im Sommer 1981 raus und hat mich, als ich es im Radio gehört habe, sofort fasziniert. Das stach irgendwie heraus. Ähnlich wie früher “I Feel Love” oder Kraftwerk. Das machte im Hit-Radio plötzlich eine ganz neue Welt auf. Zwar gab es schon Bands, die ähnlich agierten und klangen, aber die waren zumindest in Österreich nur in Spezialsendungen wie “Musicbox” zu hören. Aber Soft Cell konnte ich sogar vor dem Weg in die Schule beim Frühstück aus dem Radio hören. Das ist ja auch etwas anderes, als wenn du dir selber Musik auflegst. Solche Pop-Momente kannst du nicht selber initiieren. “Tainted Love” war dann auch die erste Single, die ich mir wirklich mit so einem nicht mehr ganz so schwammigen Pop-Bewusstsein gekauft habe. Das war ein regelrechter Akt. Sonst hab ich entweder auf die LPs gewartet oder mir die Sachen einfach vom Radio aufgenommen. Dann kam “Non-Stop Erotic Cabaret”. Allein der Titel zog mich an. Der hatte so was Verruchtes, aber auch so einen Gossenglamour, der gut zu meinen sonstigen Vorlieben (Throbbing Gristle, D.A.F., Velvet Underground, Prince, Suicide, The Stooges) passte. Ausschlaggebend war dann die “Sounds”-Kritik von Kid P., wo über “Vaudeville-Tingel-Tangel”, “grelle Schminke und grosse Gefühle”, “kleine Hollywood-Dramen”, “keine saubere Teeny-Fun-Musik” geschrieben wurde. Interessanterweise gab es die LP dann in dem einzigen Laden in Salzburg, der eine kleine Abteilung mit “Punk”/”New Wave” hatte, nicht. Also ging ich in ein klassisches Plattengeschäft, wo ich die LP dann auch gleich fand. Was ja auch toll war. Komische Platten in komischen Läden kaufen ist das eine, komische Platten in sozusagen “normalen” Läden kaufen ist schon was anderes. Das hat durchaus was leicht Subversives. Gerade weil es um eine dezidierte Pop-Platte ging, die ich nun quasi heimlich in einem anderen Laden kaufte. Etwa so wie wenn das Päckchen, das auf dem Cover Marc Almond aus seiner Lederjacke zieht, abgeholt werden würde.
Warum hast Du Dir “Non-Stop Erotic Cabaret” ausgesucht? Was macht das Album für Dich so besonders?
So pathetisch das jetzt auch klingen mag: Ich habe damit endgültig das Land Pop betreten. Und zwar im Hier und Jetzt. Die Wege dorthin waren schon angelegt worden, aber so aktuell Girl-Groups, Phil Spector, Glam, die Walker Brothers, Frank Sinatra und Dean Martin für mich damals auch waren, so sehr tönten sie dennoch aus einer Pop-Vergangenheit. Und bei Soft Cell kam einfach ganz viel zusammen. Vieles, was noch in einer Art wabbrigem Vorbewussten schlummerte, wurde nun klarer und konnte auch benannt werden. Aber es gab auch viel Neues zu entdecken. Sachen, die erst später wichtiger wurden wie Almonds Queerness oder die Connections zur Industrial-Szene. Auch wenn das 1981/82 nicht wirklich im Focus meiner Begeisterung war. Da war es das Opulente plus dem Elektronischen, die durchgängige Tanzbarkeit (die ich nicht erwartet hatte) und dieses Geheimnisvolle. Popmusik mit einer gewissen sublimen Gefährlichkeit. Eher Shangri-Las plus Velvet Underground. Die Platte hat sich durch Jahre hindurch immer wieder fast von selber retroaktiviert und wuchert immer noch über sich selbst hinaus. Auch wenn ich mal länger Abstinenz gehalten habe, hat sich dennoch was getan. Mit Soft Cell hab ich mich dann auch endgütig den großen Pop-Dramen und den in Musik gegossenen Tragödien hingegeben. Was nicht immer auf Verständnis stoß. Aber war mir auch immer Roy Orbison lieber als Nick Cave. Ich hatte durch und mit Soft Cell einen Schatz gefunden, eine Art Geheimnis entdeckt. Die Beschäftigung mit Pop nahm ernsthaftere Züge an. Zudem wollte ich ja auch irgendwie kapieren von was Leute wie Diederichsen bei “Sounds” schrieben, wenn es um so was wunderbar Faszinierendes wie auch hin und wieder Einschüchterndes wie “Pop-Diskurs” ging. Gerade weil Soft Cell überall in den Hitparaden waren und aus fast jedem Radio tönten, also auch vom Mainstream gehört wurden, empfand ich mein clandestines Popgeheimwissen in Sachen Soft Cell schon als Hipness. Weniger im Sinne einer elitären Haltung – ich freute mich ja mit anderen, und dachte auch, jetzt wird es was in Sachen Pop und Revolution, wenn auch nur musikalisch – als eines elitären Wissens. Vielleicht ist das ja auch das immer noch Wichtige an “Non-Stop Erotic Cabaret”: Eine Platte die genau zwischen Teenage und Adoleszenz, zwischen einfach als Fan reinfallen und beginnendem reflexiven Popdenken auf einen zugekommen ist. Mit der es aber auch nie ein Erwachsenwerden geben wird. Wo das Aufgekratzte, nach dem Uplifting, nach der Party zwar reduziert, aber nie ad acta gelegt wird. Zudem waren Soft Cell die einzigen, die das ABBA-T-Shirt von Throbbing Gristles Chris Carter ernstgenommen haben.
Dass ich eigene Lost Weekend-Erfahrungen in “Clubland” in Songs wie “Bedsitter” wieder fand, war aber auch super. Read the rest of this entry »
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