Infra-Red – The Second Phase (Strobe Records)
Posted: June 4th, 2009 | Author: Finn | Filed under: Rezensionen | Tags: de:bug, Infra-Red, Platte des Tages | No Comments »Anfang der 90er Jahre hatte man in Kanada eine Weile aufmerksam den internationalen Entwicklungen von House und Techno zugehört und machte sich dann daran, selbst wichtige Beiträge zu leisten. Richie Hawtin und John Acquaviva versuchten sich mit Plus 8 erfolgreich an englischen Bleeps, kontinentaleuropäischem Rave-Krach und den Vorreitern aus dem nahen Detroit, das Label Hi-Bias hingegen orientierte sich vornehmlich an englischem, italienischem und New Yorker House mit Pianoschwerpunkt. Und dann gab es noch das von den Produzenten Hayden Andre Brown und Ron Allen gegründete Label Strobe, dessen Programm all diese Stilelemente aufnahm und zu einem eigenen spezifischen Sound umformte, der jahrelang einzigartig bleiben sollte. Zwar veröffentlichte man auf Strobe in drei Jahren nur ein gutes Dutzend Platten, aber jede von ihnen richtete sich auf ewig im legendären Teil des globalen Deep-House-Gedächtnisses ein. Wie Brown und Allen dabei vorgingen, lässt sich auf dieser Platte ihres Gemeinschaftsprokets Infra-Red von 1991 eindrucksvoll nachhören. „Love Honey“ ist introspektiver Deep House, der sich über ein emotionales Spoken Word-Intro und das Accapella aus dem Paradise Garage-Evergreen „Love Honey, Love Heartache“ von Man Friday ganz der Wehmut nach der verflossenen Liebe hingibt. Die Melancholie, die hier auf jedem Klavier- und Vibraphonakkord und den archetypischen Flächen liegt, konnte man zu der Zeit auch auf vergleichbaren Deep House-Platten aus New York hören, aber nicht oft in solcher Intensität und Schönheit. Lover, die eine derart grundlegende Verwirrung und Enttäuschung sowie auch sonst nur Schutt und Asche hinterlassen, können nur in erschütternden musikalischen Denkmälern verarbeitet werden, wenn überhaupt. Wie man solche komplexen Gemütszustände auch mit anderen Mitteln transportiert zeigt „The Verge“, das andere Meisterwerk dieser 12“. Die wuseligen Rhythmen und Klänge zeigen klar gen Detroit, aber dort setzte man sie selten zu so einer tiefenhypnotischen Nachtfahrt zusammen. Als würde man von einer mysteriösen Tonfolge dazu getrieben, abwechselnd in der Mitte der Stadtautobahn zu rasen oder deren Leitplanken zu streifen, und den Fahrern, die im Rückspiegel flackernd hinterher schlingern, scheint es mindestens genauso zu gehen.
De:Bug Online 06/09
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