Rewind: Paul Frick über “…And The Circus Leaves Town”

Posted: February 1st, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Paul Frick über “…And The Circus Leaves Town” von Kyuss (1995).

Kannst du Dich noch daran erinnern, wie Du auf Kyuss gestoßen bist? Ist diese Musik eine lange Liebe von Dir?

Ich weiß noch, dass ich bei “City Music” am Ku-Damm im Metal Hammer geblättert hab, und dass das Vorgänger-Album “Sky Valley” dort Platte des Monats war. Das war 1994, mit 14 oder 15. Im Review stand, glaube ich, etwas von einer “Metal-Variante von Pink Floyd”… Das hat mich dann wohl geködert. Ich hab es mir angehört und war sofort von dem warmen, bassigen Sound eingenommen, und von dem unterschwelligen Blues. Sowohl “Sky Valley” als auch “…And The Circus Leaves Town” waren dann eine Zeit lang der Soundtrack meines Teenager-Lebens… Ich habe damals auch einige ihrer Songs und Riffs auf der E-Gitarre nachgespielt.

Warum hast Du Dir ausgerechnet “… And The Circus Leaves Town” ausgesucht? Was macht es zu DER Platte für dich?

Ich würde zwar nicht sagen, dass es DIE eine Platte ist, aber von meinen diversen All-Time-Favourites ist “…And The Circus Leaves Town” eine der wenigen, die ich immer ähnlich stark gespürt habe, die für mich auch eine Art innere Konstante über 15 Jahre hinweg darstellt, während sich mein Geschmack und meine Art Musik wahrzunehmen des öfteren stark geändert haben.

Den persönlich nostalgischen Faktor mal beiseite genommen, würde ich hervorheben: Den unglaublich organischen Sound. Die tiefen Bass-/Gitarrenflächen klingen so körnig und lebendig, und bei aller Verzerrung überhaupt nicht “hart”. Wie ein in den Tiefen kondensierter Blues. Josh Hommes Gitarrenspiel wirkt nie technisch oder virtuos, sondern hat bei allen Psychedelic-Anleihen immer etwas Reduziertes. Er und auch der Basser Scott Reeder bringen sehr intensive Stimmungen mit nur wenigen Tönen hervor, sind Meister der Andeutung. Alfredo Hernandez’ Schlagzeug ist wunderbar warm gespielt und aufgenommen, Lichtjahre von mechanischen Metal-Drums entfernt. Die fast ständig durchzischelnde, dreckige Cymbal-”Fläche” ist sehr charakteristisch für Kyuss und frequenztechnisch quasi die Ergänzung der tiefen Gitarren. John Garcias tolle Stimme ist grandios leise gemischt, manchmal eher eine Art sehnsuchtsvolle Andeutung in der Ferne… Man höre “El Rodeo”!

Der eigene Kyuss-Klang kommt auch besonders durch die Repetitivität der Stücke zur Geltung. Vielleicht ist diese Vertiefung in den Klang andersherum auch eine Konsequenz dieser Repetitivität. Eins ist hier jedenfalls ohne das andere nicht denkbar. Da wären wir eigentlich auch schon beim Thema Club-Musik…

Die Stärke dieser Musik liegt für mich im Zusammenspiel. Es können keine Songs sein, die einer schreibt und als Mastermind umsetzt. Es sind Kondensate aus langen Jams, aus einer gemeinsamen Stimmung im Raum (oder natürlich – wie die Kyuss-Legendenschreibung sagt – in der Wüste…) Für mich war und ist diese hypnotische Melancholie unwiderstehlich. Kyuss’ Musik ist extrem energetisch, ohne sich punktuell und forciert aufzudrängen.

Gibt es spezielle Songs, die für Dich herausragen, oder magst Du das Album als Ganzes?

Sowohl als auch! Es ist ein “echtes” Album. Fast jedes einzelne Stück war zu irgendeinem Stadium des Entdeckens mal mein Lieblingsstück des Albums. Jetzt würde ich eher welche hervorheben, die ich zuerst unscheinbar fand. Zum Beispiel “Thee Of Boozeroony”, ein auf 2′47” kondensiertes repetitives hypnotisches Blues-Monster ohne Stimme, oder das epische über 10minütige Schlussstück “Spaceship Landing”. Aber auch den Titel, der mich zuallererst angesprochen hat, “El Rodeo”, mit seinem merkwürdig eckigen Break in der Mitte, der einen reduziert psychedelischen Jam-Part mit einer typischen Kyuss-”Wand” verbindet. (Und mit der am leisesten gemischten Stimme EVER!) Und mit “Catamaran” hat das Album auch eine Art Grunge-Hit.

Außerdem kann ich mich an den absolut surrealen Moment erinnern, als ich zum ersten Mal vom Hidden Track überrascht wurde, der ca. 20 Minuten nach dem letzten Stück kommt. Die Stereo-Anlage hat plötzlich von selber angefangen zu spielen, und heraus kam ein kurzer schwebender Song. Später gab es den auch auf der B-Seite einer Single, da hab ich erfahren, dass er “Day One” heißt.

“… And The Circus Leaves Town” ist das letzte Album von Kyuss. Wie würdest Du das Album gegenüber den vorherigen Alben einschätzen? Haben sie sich sich mit einem großen Knall verabschiedet? Und warum meinst Du haben sie sich eigentlich überhaupt aufgelöst?

Zuerst hat mich das Album damals eher verunsichert, ich hab es mir erstmal nur wegen “El Rodeo” gekauft (zu Besuch in Hamburg, bei WOM, weiß ich noch…). Es erschien mir zunächst irgendwie zerstückelt und weniger rockig als der Vorgänger, schätze ich. Das kann ich aber ganz und gar nicht mehr nachvollziehen. Wenn ich mir das eher Proberaum-mäßige erste Album “Wretch” anhöre, kann ich kaum glauben, dass dieselben Leute später so gut geworden sind (zumindest John Garcia und Josh Homme, die schon dabei waren). Die Musik klingt noch sehr nach verkrampfter jugendlicher Metal-Pose, und man muss schon einiges hineininterpretieren, wenn man darin die späteren Kyuss hören will. Das war auch noch nicht von Chris Goss produziert, der wahrscheinlich einen recht großen Einfluss auf den Kyuss-Sound hatte. Man muss dazu sagen, dass sich bei jedem Album die personelle Besetzung leicht geändert hat, musikalisch anscheinend immer zum Besseren. Der Drummer Alfredo Hernandez war nur bei “…And The Circus Leaves Town” dabei, und ich finde sein Spiel origineller und weniger Cliché-behaftet als das seines Vorgängers Brant Björk, auch wenn letzterer den zischelnden Kyuss-Drumsound geprägt hat. Das zweite Album “Blues For The Red Sun” ist eigentlich das erste richtige, denke ich, hat tolle Momente, aber auch Schwachstellen. Das dritte, “Sky Valley”, ist durchweg großartig, folgt aber im Vergleich zum folgenden Album doch irgendwie ein paar Patentrezepten. Vielleicht ist es am ehesten die Blaupause für das, was man dann Stoner-Rock genannt hat: Kiffer-Hardrock zwischen Psychedelic und Dicke-Eier-Attitüde. Wenn mir später jemand sogenannten Stoner-Rock gezeigt hat, hat mich das meist an “Sky Valley” erinnert.

“…And The Circus Leaves Town” hingegen lässt sich wohl kaum kopieren, es ist zu facettenreich, zu ungreifbar und eher durch eine gewisse hypnotische Intensität und durch Klang zusammengehalten, als durch klar definierte Stilmerkmale. Das was mich heute im Nachhinein an so vielen Metal/Hardrock-Platten – meiner Jugend, von heute allerdings erst recht – abstößt, diese offensichtliche, gewollte Härte, ist auf “…And The Circus Leaves Town” für mein Gefühl verflogen. Also verzerrter Rock, der aber mehr nach innen horcht und vielschichtige Emotionen mit einbezieht, wodurch er tiefer und echter wird. Klingt paradox… Oder auch, wieder analog zum House: “tief” statt “hart”.

Was Kyuss für mich besonders macht, ist das Innerliche, das erdig Meditative. Ich muss gestehen: wenn ich mir Live-Ausschnitte auf Youtube angucke (was natürlich nicht zwangsläufig repräsentativ ist), kommen die mir doch eher vor wie eine durchschnittliche Hardrock/Metal-Band, aber wenn ich “…And The Circus Leaves Town” höre, spüre ich keine Posen. Die Musik wuchert so von innen heraus, versucht kaum, den Hörer kurzfristig zu überwältigen, und erschafft weite, atmende Klangräume. Das Ganze ist aber zu sehr einfachen musikalischen Geflechten kondensiert, und hier liegt auch eine gedankliche Verbindung zu elektronischer Tanzmusik. Sie suchen jammend nach dem einen Loop, der sich so anfühlt als MÜSSE man ihn lange wiederholen. Dadurch dass sie jeden Takt von neuem instrumental ausführen, können Kyuss es sich leisten, geradezu dreist repetitiv zu werden, ohne an Intensität zu verlieren. In “Gloria Lewis” reicht auf Instrumental-Ebene ein schleppender 2-Takt-Loop für 4 Minuten. Ok, die meisten House-Produzenten lachen über 4 Minuten, live gespielt ist das aber doch etwas anderes… Auch empfehlenswert: der über 5-minütige minimalistische Jam-Song “Phototropic”, bestehend aus einer 2-Akkord-Schaukel.

Die Musik von Kyuss ist eine von Album zu Album gewachsene, die sich meiner Meinung nach auf diesem vierten und letzten Album am ausgereiftesten und eigenständigsten kristallisiert. Offen gesagt weiß ich gar nicht, warum sich Kyuss danach aufgelöst haben. Man muss bedenken, dass sie zu Zeiten ihrer Existenz nie den großen Erfolg hatten, den sie dann quasi posthum als Genre-stiftende Kultband bekamen. Wenn man sich Josh Hommes weitere Karriere ansieht, kann man sich vielleicht vorstellen, dass er höher hinaus wollte. Hat ja auch geklappt, ruhmtechnisch.

Ich finde das Album stilistisch ziemlich vielfältig, es gibt auch viele Brüche. Warum gehen sie ihre Musik von so vielen Seiten aus an?

Hm, keine Ahnung. Für mich ist es einfach ein Qualitätsmerkmal, wenn Musik auf eine schlüssige Art vielseitig/-schichtig ist. Wahrscheinlich der Grund, warum das Album mich noch interessiert. In einem Interview hat damals Josh Homme gesagt, er höre viel “harte” elektronische Musik. Als jugendlicher Gitarren-Fetischist dachte ich mir: wie merkwürdig… Das ist aber zumindest ein Indiz für einen größeren Horizont an Einflüssen bei Kyuss.

Im Gegensatz zu den meisten vergleichbaren Platten, spielt der Gesang hier keine herausragende Rolle. Josh Homme wurde ja später ein prägnanter Frontmann mit Queens Of The Stone Age, aber hier scheint es nicht weiter wichtig zu sein. Ist das typisch? Zeigt ein Album “… And The Circus Leaves Town”, dass in dieser Hinsicht weniger oft mehr ist?

Dem stimme ich zu! Das würde ich zwar nicht allgemein formulieren, aber bei Kyuss trifft es für mich zu. Ich mochte John Garcias Stimme immer gerne und fand, dass sie bei Kyuss eine tolle Rolle einnimmt. Trotzdem kann ich ihn mir weniger als klassischen Frontmann vorstellen, der mehr Raum einnimmt. (Sein Projekt “Hermano” finde ich z. B. auch sehr unoriginell. Das liegt allerdings auch an anderen Faktoren.)

Kyuss selbst haben mal gesagt, sie mischen die Stimme deshalb so leise, weil auf den Generator-Parties in der Wüste, auf denen sie ihre ersten Gigs hatten, die Höhen generell vom Wind weggeweht wurden und sie diesen Sound auch im Studio nachempfinden wollten. Tolle Marketing-Geschichte, die man auch schwer wieder vergessen kann! Ich kann selber nicht leugnen, dass ich beim Kyuss-Hören oft an Wüste denken musste: Musik zum Schwitzen… Die Sparsamkeit des Stimmeneinsatzes könnte man auch wieder auf elektronische Musik beziehen: Was Stimme auslösen kann, wenn sie eine Weile lang nicht da war! Noch naheliegender ist in dieser Hinsicht aber der Vergleich mit Pink Floyd, denke ich.

Kyuss wird oft eine Nähe zu Black Sabbath nachgesagt. Gibt es erkennbare musikgeschichtliche Einflüsse, die Du bei ihnen festmachen würdest, auch speziell bei “… And The Circus Leaves Town”?

Ja, ganz eindeutig. Soundmäßig haben sie sich sehr an Black Sabbath angelehnt, ihn ins Dreckige und Bassige perfektioniert. Außerdem die hohe Stimme, die ausschweifenden Song-Strukturen… Überhaupt sind die 70er-Jahre-Rock-Referenzen zahlreich, wie schon gesagt auch Pink Floyd. Man muss auch den Kontext sehen: 1995 waren Bands wie Pantera oder Korn mit ultra-mechanisch produziertem Metal groß. Am stärksten ist der Sabbath-Bezug bei “Sky Valley”, finde ich. “…And The Circus Leaves Town” hat sich unter anderem durch Songs wie “One Inch Man” oder “Size Queen” und eben durch die gewisse Innerlichkeit endgültig davon emanzipiert, finde ich. Kyuss haben auch nicht probiert, so dämonisch und “krass” rüberzukommen wie Sabbath… Neulich hat mir jemand Wolfmother gezeigt: ich konnte überhaupt nicht glauben, wie sehr die sich eins-zu-eins bei Sabbath bedienen und damit Weltstars geworden sind! Kyuss haben auf einer Single “Into The Void” von Black Sabbath gecovert, haben sich für meinen Geschmack aber etwas brav an das Original gehalten. Ich glaube übrigens, dass ich Black Sabbath erst durch Kyuss kennen und lieben gelernt habe, also – typischerweise – historisch verkehrt herum.

Kyuss gelten selbst als stilprägende Band. Worin besteht ihr maßgeblicher Einfluss? Was macht sie anders als Vorgänger oder Nachfolger?

Wahrscheinlich besteht der Einfluss darin, dass sie gezeigt haben, wie tief man Gitarren eigentlich stimmen kann… Und dass verzerrte Gitarren warm und weich klingen können. Sie haben eine Sound-Blaupause geschaffen, indem sie einen 70er Jahre-Hardrocksound in die 90er geholt haben, sind aber im Vergleich zu Bands wie Monster Magnet nicht darauf sitzen geblieben.

Gibt es Epigonen oder rechtmäßige Nachfolger, die Dir ähnlich gut gefallen?

Leider nein. Na ja, nach der Trennung haben mir noch John Garcias Sloburn-EP und auch das erste Queens Of The Stone Age Album gefallen. Da war auch noch Alfredo Hernandez an den Drums dabei: schön abgehangen und nicht so überproduziert wie später. Ich muss auch gestehen, dass ich mich so ab 1998 nur noch wenig mit Rockmusik beschäftigt habe, und dadurch bestimmt allgemein weniger offen dafür war. Queens Of The Stone Age haben einige gute Sachen gemacht, es spricht mich aber weniger an, hat eine viel glattere Oberfläche, mehr Coolness-Gestus. Sogenannten neueren Stoner-Rock hab ich gelegentlich mal irgendwo gehört, hat mich aber nie interessiert. Es wäre aber toll, falls mir jemand etwas Gutes empfehlen würde! Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es mir gefällt, klein ist… (das Alter…)

Ich kann mir aber unbedingt vorstellen, dass Kyuss stilübergreifend Musiker beeinflusst haben. Dass jemand früher Kyuss gehört hat und jetzt House Musik macht, erscheint mir selbst natürlich sehr schlüssig. Mein damaliger Kyuss-Fan-Komplize Peter Hintze ist dafür auch ein Beispiel. Neulich hab ich im Radio einen Song von WhoMadeWho gehört, der mich sehr an Queens Of The Stone Age erinnert hat. Die haben bestimmt auch Kyuss gehört. Ich werde Tomas Barfod mal fragen…

Kannst Du mit dem Begriff ‘Stoner Rock’ etwas anfangen? Ist das eine sinnvolle Ab- oder Eingrenzung, oder ist das eigentlich unnötig? Für mich verhält sich der Begriff zu Rock wie ‘Acid House’ zur elektronischen Musik. Es ist ähnlich schief.

Stimmt. Ein Musik-Genre nach Drogen zu benennen ist ziemlich bescheuert. Kyuss als Rock einzuordnen würde mir reichen, und dann soll jeder einfach selber hören, wie es klingt, oder halt nicht.

Um beim Thema Drogen zu bleiben, hast Du generell ein Faible für psychedelische Musik?

Im weiteren Sinne schon. Mich spricht Musik an, die durch vielschichtige Beziehungsspiele etwas in mir bewegt und hervorbringt. In diesem Sinne wären Mahler, Coltrane oder Motorbass dann psychedelische Musik, weil sie rauschartiges Empfinden in mir auslösen können…

Musik auf Drogen zu reduzieren ist aber Quatsch. Als Genre-Bezeichnung war das vor allem Marketing, denke ich. Die Umstände, in denen man Musik kennen lernt sind natürlich sehr wichtig. Und wenn das mit rauschhaften Erlebnissen zusammenfällt, ist man tendenziell empfindsamer und offener für neue Musikwelten. Zum Glück beschränken sich rauschhafte Erlebnisse aber nicht auf Drogenerfahrungen. Vielleicht war es kein Zufall, dass Kyuss für mich damals auch ein toller Kiff-Soundtrack war, da habe ich wohl ins Schema gepasst… Ich mochte die Musik aber in Nicht-Kiff-Zeiten auch.

Bei Artikeln über Kyuss fallen ob ihrer Herkunft immer gerne Hinweise auf Wüstenklima- und landschaften. Machen solche Assoziationen für Dich Sinn,oder ist das irrelevant?

Wie weiter oben schon in Bezug auf die vom Winde verwehten Höhen gesagt, konnte ich mich diesen Clichés nicht entziehen. Ich finde diese Wüsten-Assoziationen nicht besonders wichtig oder ausschlaggebend, aber schon passend und durch Kyuss’ Geschichte auch relevant.

Ich denke übrigens bei verschiedener Musik an Wüste, und ich glaube das ist dann immer Musik, die mir gefällt. Bei der Musik von Bozeman, für den wir (Brandt Brauer Frick) ein akustisches Rework gemacht haben, denke ich oft an Wüste. Und diese Musik ist das Eindrucksvollste, was ich seit langem gehört habe.

Ich war übrigens noch nie in einer Wüste…

Du bist ein klassisch ausgebildeter Musiker und Komponist, und hast dir einen Namen mit anspruchsvoller elektronischer Musik gemacht. Mir ist schon öfter aufgefallen, dass sich Musiker mit ähnlichem Hintergrund oft für spezielle Spielarten von Rockmusik interessieren. Woher kommt das? Gibt es Divergenzen?

Ich denke, in der elektronischen Musik ist die stilistische Vielfalt der Einflüsse auf die einzelnen Musiker besonders groß, weil die elektronische Musikkultur selbst so referentiell ist: Sampling, Amalgamieren aller möglicher Stile usw… Ich kenne mittlerweile weder in der Neue-Musik-Szene noch in der Clubwelt Leute, die nur 2 oder 3 verschiedene Stile rezipieren. Ich selber erlebe bei einem bestimmten Typ Musiker vor allem, dass sie sich auf alles stürzen was komplex anmutet (Ich muss mich natürlich irgendwie dazuzählen, früher aber mehr als heute). Also in Sachen Rock: Meshuggah, Primus, Dream Theater (schrecklich! die fand ich wirklich mal gut…), Frank Zappa, Mr. Bungle etc.

Insofern sind Kyuss gar nicht so ein gutes Beispiel, weil sie eigentlich recht einfache Musik gemacht haben. Zumindest in kompositionstechnischer Hinsicht kann man im Prinzip zwischen jeder x-beliebig verschiedenen Musik der Welt Bezüge finden und herstellen. Insofern finde ich es logisch und wünschenswert, dass sich Komponisten mit der Beschaffenheit verschiedenster Musik befassen. Ein Grundproblem des akademischen Musikbetriebs ist aber meiner Meinung nach, dass sich kaum jemand mit einfacher oder auch nur vordergründig einfacher Musik beschäftigt. Wie sollen Komponisten dann ein Gespür für Einfachheit bekommen?

Gibt es eine Art Lehre von Kyuss, die Du auch in Deiner Musik umsetzen kannst? Kompositorisch oder stilistisch?

Einfachheit kann eine Kunst sein. (Man darf sich aber bitte nicht darauf verlassen!)

Repetitve Musik muss nicht maschinell klingen.

Eine BAND ist etwas ganz anderes als ein einzelner Musiker.

Musik muss wachsen.

So, Schluss mit Platitüden!!!

Könntest Du Dir vorstellen, in einer Band wie Kyuss zu spielen, oder ist das sogar schon passiert?

Klar könnte ich es mir vorstellen, ist aber nicht passiert. Ich habe zwar mit 15 in einer Metal-Band Gitarre gespielt, es hat sich aber leider nicht wie Kyuss angefühlt, wir waren ziemliche Anfänger… Dem Kyuss-Gefühl am nächsten war ich auf jeden Fall mit Brandt Brauer Frick.

Josh Homme hat bis jetzt kategorisch ausgeschlossen, dass sich Kyuss nochmal zusammenfinden. Ist das dennoch nur eine Frage der Zeit, oder wird hier der Mythos unangetastet bleiben?

Keine Ahnung. Ich weiß nicht warum, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass das Ergebnis überzeugend wäre. Naja, ich will auch kein nostalgischer Fanatiker sein… also wer weiß!

Sounds Like Me 02/10



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