Platten packen mit Finn Johannsen
Posted: March 2nd, 2018 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Drift Ashore, Finn Johannsen, Interview | No Comments »Finn, wann und wo wirst du das nächste Mal auflegen?
Das ist nächste Woche (Ende Dezember), da feiern wir zwei Jahre Druffalo in der Paloma Bar. Und zehn Jahre Druffalo insgesamt, aber das feiern wir schon das ganze Jahr lang. Wir machen das so ein bisschen wie am Anfang, denn Kummi und ich spielen 70er-Jahre-Disco auf dem oberen Floor. Da kommen aber auch recht viele Rare-Soul-Fans, um bei uns zu tanzen, weil sie Disco für sich entdecken. Für die gibt’s dann den unteren Floor.
Hast du dich schon auf den Abend vorbereitet?
Dieses Mal habe ich sogar schon komplett gepackt. Über Weihnachten fahre ich nach Kiel und komme erst kurz davor wieder, das wäre sonst zu hektisch geworden. Da habe ich jetzt die Tage einfach einen freien Abend genutzt und Platten rausgestellt und gepackt. Den Stapel noch schnell in den Trolley gerammt und ich könnte loslegen.
Reicht denn da überhaupt eine Tasche?
Ok, vielleicht werden es auch zwei. Bei so einer Disco-Nacht kannst du nicht die ganze Zeit nur ein Tempo spielen, das geht einfach nicht. Theoretisch ist es möglich, macht aber nicht viel Spaß. Deshalb habe ich in solchen Fällen immer noch eine zweite Tasche mit so langsameren Sachen dabei. Gerade bei so einem Discoabend muss das Ende eben emotional sein – und möglichst alle müssen weinen.
Kam das schon häufiger bei euren Partys vor?
Sehr oft sogar! Wir haben mit der Musik schon gestandene Männer zu Tränen gerührt.
Wieviel Auftritte hast du derzeit ca. pro Monat?
Das sind etwa drei bis vier.
Packst du dafür jedes mal neu oder bleiben schonmal alte Platten im Case?
Meistens packe ich komplett neu. Eine Ausnahme sind die Residencies, weil wir da halt schon einen bestimmten Sound spielen, ohne aber immer das gleiche Set zu spielen. Wir machen da ja nicht nur Disco, sondern auch mal Garage und so. Da achte ich aber auch darauf, dass ich mich nicht zu sehr wiederhole. Es gibt natürlich so ein paar Druffalo-Hits. Und bei der „Power House“-Reihe mache ich das eigentlich genauso. Ich habe so viele Platten in der Richtung, da muss ich mich nicht wiederholen. Da stellt man sich ja auch jeweils neu auf den anderen DJ ein. Für die Club-Gigs an sich packe ich aber wirklich immer komplett neu. Zum einen weil ich Routine hasse, das macht mich wahnsinnig. Und ich bin kein Touring-DJ und zwischen den Auftritten immer wieder zu Hause.
Gibt es aber dennoch so zwei, drei Platten, die du häufiger dabei hast?
Bei den Discoabenden muss ich auf jeden Fall eine Chic-Platte dabei haben. Für den Schluss gibt’s auch so ein paar Favoriten. Zum Beispiel „Touch Me In The Morning“ von Marlena Shaw. Und so eine richtig klassische Druffalo-Platte ist auch Nicolette Larson – „Lotta Love“. Beim House und Techno ist das zum Beispiel „Reasons To Be Dismal“ von den Foremost Poets, die habe ich wirklich oft dabei, so eine alte Nu Groove.
Wie lange brauchst du in der Regel, um Platten zu packen?
Das hat sich über die Jahre total geändert. Ich lege ja jetzt schon seit dreißig Jahren auf. Früher hatte ich immer die gleiche Grundprämisse: Was würde ich selbst gerne hören, wenn ich heute in den Club gehen würde? Früher habe ich dann aber immer viel zu viel mitgenommen, weil ich damals aber auch viel mehr improvisiert habe.
Was genau meinst du mit improvisiert?
Ich habe einfach losgelegt, eine Platte nach der anderen gegriffen, dann hat sich das von alleine ergeben. Da habe ich auch viel mehr stilistische Sprünge gemacht. Aber irgendwann wurde mir das dann zu viel, das alles mitzuschleppen und bekam so meine Rückenprobleme. Das hat mich dann auch irgendwann gelangweilt. Denn wenn man auf zu viele Sachen reagieren kann, verliert man irgendwann den Fokus. Ich konnte das sehr gut, sehr eklektisch und offen, aber dann bin ich dazu übergangen, eher thematisch aufzulegen.
Was sich in den letzten Jahren ja auch in deinen Mixen widergepiegelt hat. Man merkt, dass du dich gerne an Themen, Stilen und Genres abarbeitest.
Ja, auf jeden Fall. Ich habe ganz oft so einen Quartalsfimmel, wo ich gerade Spaß daran habe, etwas wieder oder auch neu zu entdecken. Und das nutze ich auch für Gigs, wenn es geht. Ich bereite mich inzwischen auf jeden Fall sehr genau vor. Einfach aus dem Grund, dass ich durch die ganzen Jobs und meine Familie kaum Zeit habe. Und da bin ich dann dazu übergangen, mir das insofern leichter zu machen, dass ich recherchiere, wo spiele ich, was ist das für ein Club, was läuft da normalerweise für Musik, was sind das für DJs mit denen ich auflege. Das lasse ich auch gerne mal meinen Booker fragen, was möchten die, was haben die von mir gehört, was sie toll fanden.
Führt diese genaue Vorbereitung und diese Abkehr vom eklektischen Auflegen dazu, dass du schneller packst? Weil du genauer weißt, wo du in deiner Sammlung gucken musst – und nicht nochmal alles durchgehst.
Nee, eigentlich nicht. Verschiedene Stile erfordern einfach verschiedene Arten der Vorbereitung. Es hat schon seinen Grund, dass auf vielen Discoplatten die BPM-Zahl steht. Das Live-Drumming ist da auf jeden Fall ein Faktor. Ich packe Disco zum Beispiel schon sehr strikt nach Tempo. Von da aus geht es dann um Harmonien oder Texte, die zueinander passen. Das ist eine andere Art von Vorbereitung.
Ich arbeite auch bei der Musik immer an recht vielen Dingen gleichzeitig, habe so vier bis fünf Stapel rumstehen, für bestimmte Auftritte oder manchmal auch Mixe. Die bestücke ich so nach und nach, das kann auch schon mal mehrere Wochen dauern. Wenn ich abends mal ein paar Stunden Zeit habe, wühle ich mich durch meine Sammlung, so macht mir das am meisten Spaß.
Machst du das bei anderen Platten auch, die BPMs drauf schreiben?
Ich spiele schon ewig Disco, das höre ich recht schnell raus. Die stehen nicht im Regal vorsortiert, aber wenn ich eine rausziehe, dann weiß ich das schon ungefähr einzuschätzen. Bei House-Sets ist das eigentlich überhaupt kein Faktor. Ich mag das, wenn man Sachen verknüpft, die sich gegenseitig als Referenz bedingen. Beim Reggae zum Beispiel das Original und dann die Version dazu, das kann man bei House auch machen. Also zum Beispiel einen Vocal-Mix mit einem Dub-Mix. Oder Cover-Versionen, einfach Tracks, die die gleichen Samples haben. Ich mag das, weil man da so kleine Botschaften verpacken kann. Ich kaufe die Platten nicht gezielt danach, das sind eher so Zufallsfunde, wenn ich so durch die Regale gehe. Das mag ich so daran, dieses Beschäftigen mit der eigenen Sammlung.
Hast du einen Tech-Rider? Und wie sieht der aus?
Da steht recht wenig drauf, ich habe ja keine allzu großen Ansprüche. Ich freue mich, wenn die Decks funktionieren, es kein Feedback gibt, einfach alles einigermaßen in Schuss ist. Für den Notfall habe ich meistens Ersatznadeln mit, aber die benutze ich selten. Das einzige, worauf ich wirklich wert lege: Ich mixe gerne mit dem Crossfader. Und gerade im House/Techno/Disco-Bereich ist das eine aussterbende Sache, weil alle mit den Line- oder Rotaryfadern mixen. Ich freue mich natürlich, wenn es bestimmte Sachen gibt, zum Beispiel genug Platz, wo ich meine Platten hinstellen kann. Aber sowas würde ich nicht in den Rider schreiben. Vielleicht bin ich dafür auch einfach ein bisschen zu Norddeutsch.
Kommt das vielleicht durch deine lange Erfahrung und Routine? Oder dass du einfach davon ausgehst, dass sowas vorhanden ist?
Nee, das ganz sicher nicht.
Klappen also bestimmte Sachen auch mal nicht?
In den vergangenen Jahren kam es auf jeden Fall viel häufiger vor, dass die Plattenspieler nicht ordentlich eingestellt sind. Die meisten Anlagen sind inzwischen auf CDs und digitalen Kram abgestimmt. Manchmal spielt man dann Platten und das klingt grauenhaft, viel leiser als die CDJs.
Hast du das Gefühl, dass es dabei auch nochmal einen internationalen Unterschied gibt?
Ich glaube, so ein gewisses Misstrauen ist vielleicht eher ab einer bestimmten Größe eines Clubs angebracht. Wenn man auf großen Bühnen spielt oder bei Festivals. Auf einer Bühne ist ein Plattenspieler einfach schwerer zu isolieren als in einem Club. Ich werde aber zum Glück oft in Clubs gebucht, wo noch regelmäßig DJs mit Vinyl spielen. Aber es kann wirklich überall mal passieren, dass was mit dem Setup nicht ganz hinhaut, dann muss man halt improvisieren. Ich habe auch schon diverse Bierdeckel unter Plattenspieler gestopft, da kennt man mit der Zeit seine Tricks. Das ist natürlich immer ärgerlich, aber davon sollte man sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Es gibt viele Leute, die für die Technik im Club zuständig sind, die sich damit gar nicht mehr richtig auskennen. Und dann erzählen die dir halt manchmal auch echt Quatsch.
Übst du eigentlich noch zu Hause?
Nein, nie. Eigentlich brauche ich das Mischpult zu Hause auch nur, um meine Mixe aufzunehmen. Ich checke vorher nicht, ob Sachen zusammenpassen oder so, das passiert immer in dem Moment. Dieses Vorbereiten von bestimmten Übergängen, das ist nicht meins, vielleicht bin ich dafür auch einfach zu faul. Ich merke das oft bei anderen DJs, dass sie bestimmte Platten zusammenspielen, weil sie schon zehnmal vorher gut zusammen funktioniert haben. Aber ich denke mir dann: Man kann die ja auch einfach mal in einer anderen Reihenfolge spielen.
Wieviel Platten wandern aktuell pro Monat neu in deine Sammlung?
Wir sind vor einer Weile umgezogen und mein Plattenzimmer ist jetzt viel kleiner. Ich musste also erstmal aussortieren, was ich sehr befreiend finde, weil sich ja immer Sachen anhäufen, die man eigentlich gar nicht bräuchte. Ich mache immer so eine Art Kassensturz: Wann hast du die Platte das letzte Mal gehört, wann das letzte Mal gespielt, wie ist sie gealtert und so weiter. Im Prinzip funktioniert meine Sammlung derzeit wie eine Drehtür, was rein kommt, muss auch wieder raus, denn die Regale sind voll. Im Monat komme ich auf so etwa zwanzig neue Platten, genauso viele gehen aber auch etwa wieder weg.
Und wieviel Platten passen in das neue Zimmer?
Das sind so um die zehntausend Platten. Eigentlich würde ich gerne nochmal zweitausend weniger haben, aber ich entdecke ja ständig neue Sachen, deshalb neige ich dazu, Sachen wieder zu erkunden und anzuhäufen. Aber es gibt ja auch viel Musik, die auf Vinyl keinen Sinn macht bzw. erst gar nicht auf Platte erscheint. Zum Entspannen höre ich gerne HipHop, aber das brauche nicht unbedingt im Schrank zu stehen haben, das höre ich dann digital.
Welchen Einfluss hat deine Arbeit bei Hard Wax auf deine Plattenkäufe?
Hard Wax macht nur in etwa ein Drittel aus. Ich lese viel, bekomme Promos oder frage Freunde, was sie gerade gut finden. Und ich stöbere gerne herum, wenn ich Zeit habe, gucke in anderen Läden und Online-Shops. Wenn ich mich komplett auf Hard Wax verlassen würde, wäre das wohl ein Fehler, andere Shops haben ja auch ganz andere Schwerpunkte. Ich bin immer noch neugierig, und wenn ich was Neues oder Spannendes verpassen würde, das würde mich schon nerven.
Wieviel Promos bekommst du in etwa?
Bei den digitalen Promos sind das knapp dreißig pro Woche. So manches davon wandert ungehört in den Mülleimer, aber nicht alles natürlich. Von manchen Labels bekomme ich aber auch Gott sei Dank nach wie vor echte Promos und Testpressungen, damit gehe ich sehr respektvoll um und höre mir auch alles an – schon alleine deshalb, weil das nicht selten befreundete Labels und Künstler sind, deren Musik ich oft genug sowieso sehr gut finde. So Sachen wie die von Sued, die finde ich super.
Wie organisierst du deine Plattensammlung eigentlich? Bei zehntausend Platten ist das vermutlich gar nicht so leicht, oder?
Mein System benutzt quasi alle Sortierungsmöglichkeiten, das ist ganz schrecklich. Teilweise ist das nach Stilen sortiert, teils nach Städten, mal nach Labels oder Produzenten. Manchmal auch nach Jahren oder Dekaden. Ich habe zum Beispiel ein ganzes Regal voll mit Euro- und UK-Zeug bis 1991 oder so, denn damals war das schon ein Bruch. Bei den amerikanischen Sachen machen die Städte häufig Sinn, wobei der Künstler mehr zählt als das Label. Obwohl, so wirklich konsequent bin ich da auch wieder nicht. Schwierig, aber am Ende finde ich alles, auch wenn es manchmal etwas dauert. Ich denke aber generell, dass eine Plattensammlung eine wirr und chaotisch-organisch gewachsene Sache sein muss. Ich finde es ganz normal, dass niemand außer mir etwas in meiner Sammlung finden würde. Das ist fast beruhigend. Achja, so ein Neuigkeitenfach gibt’s natürlich auch – das hilft extrem beim besagten Kassensturz.
Wo verkaufst du deine Platten denn?
Ich gebe die Nemo von Sound Metaphors. Ich verkaufe nichts bei Discogs, nur die CDs, aber das geht auch eher langsam, manche stehen da schon seit Jahren drin.
Hast du bestimmte Rituale vor dem Auflegen, also vor einem Set?
Ich bin gerne rechtzeitig vor Ort, das hat verschiedene Gründe. Ich möchte wissen, wie die Leute im Club drauf sind, gucke gerne, was im Raum und auf der Tanzfläche passiert. Und ich höre mir wirklich gerne andere DJs an, was der Warm-up-DJ zum Beispiel macht. Weil solche DJs oft ganz anders auflegen, das finde ich spannender als so Peaktime-Gebolze. Lampenfieber oder so muss ich vorher nicht mit irgendeinem Ritual bekämpfen, dafür mache ich das inzwischen einfach schon zu lange. Beim Auflegen bin ich echt entpannt, im Alltag bin ich oft viel nervöser. Meine Frau fragt mich manchmal: Du spielst am Wochenende vor hunderten Leuten und das lässt dich kalt – warum macht dich gerade das jetzt so rappelig? Nicht selten liegt es einfach daran, dass ich vor dem Auflegen etwas müde bin. Doch sobald die Nadel auf der Platte landet, bin ich zu 100% da.
Letzte Frage: Warm-up, Peak Time oder Closing?
Eigentlich spiele ich alles gerne. Die Leute beim Warm-up schön reinkommen lassen, das finde ich toll. Und ein schönes Closing ist auch etwas besonderes. Bei Druffalo dauern die Closings manchmal mehrere Stunden, noch eine emotionale Bombe, und noch eine, da kann man manchmal gar nicht aufhören. Ich finde, das ist auch eine ganz besondere Verantwortung. Also wie man die Leute nach Hause schickt – im besten Fall natürlich mit einem Lächeln im Gesicht.
Bald legt Finn Johannsen u. a. in der Paloma Bar und beim Inner Varnika in Australien auf. Alle weiteren Infos und Dates findet ihr auf seiner Website und Resident Advisor.
Fotos: Milla Johannsen (bis auf Nr. 2)
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