Rewind: Didi Neidhart über “Non-Stop Erotic Cabaret”
Posted: April 12th, 2010 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Didi Neidhart, Interview, Rewind, Soft Cell, sounds-like-me.com | No Comments »Im Gespräch mit Didi Neidhart über “Non-Stop Erotic Cabaret” von Soft Cell (1981).
Es gibt sicherlich etliche Wege um auf die Musik von Soft Cell zu stoßen. Wie war es bei Dir?
“Tainted Love” kam ja im Sommer 1981 raus und hat mich, als ich es im Radio gehört habe, sofort fasziniert. Das stach irgendwie heraus. Ähnlich wie früher “I Feel Love” oder Kraftwerk. Das machte im Hit-Radio plötzlich eine ganz neue Welt auf. Zwar gab es schon Bands, die ähnlich agierten und klangen, aber die waren zumindest in Österreich nur in Spezialsendungen wie “Musicbox” zu hören. Aber Soft Cell konnte ich sogar vor dem Weg in die Schule beim Frühstück aus dem Radio hören. Das ist ja auch etwas anderes, als wenn du dir selber Musik auflegst. Solche Pop-Momente kannst du nicht selber initiieren. “Tainted Love” war dann auch die erste Single, die ich mir wirklich mit so einem nicht mehr ganz so schwammigen Pop-Bewusstsein gekauft habe. Das war ein regelrechter Akt. Sonst hab ich entweder auf die LPs gewartet oder mir die Sachen einfach vom Radio aufgenommen. Dann kam “Non-Stop Erotic Cabaret”. Allein der Titel zog mich an. Der hatte so was Verruchtes, aber auch so einen Gossenglamour, der gut zu meinen sonstigen Vorlieben (Throbbing Gristle, D.A.F., Velvet Underground, Prince, Suicide, The Stooges) passte. Ausschlaggebend war dann die “Sounds”-Kritik von Kid P., wo über “Vaudeville-Tingel-Tangel”, “grelle Schminke und grosse Gefühle”, “kleine Hollywood-Dramen”, “keine saubere Teeny-Fun-Musik” geschrieben wurde. Interessanterweise gab es die LP dann in dem einzigen Laden in Salzburg, der eine kleine Abteilung mit “Punk”/”New Wave” hatte, nicht. Also ging ich in ein klassisches Plattengeschäft, wo ich die LP dann auch gleich fand. Was ja auch toll war. Komische Platten in komischen Läden kaufen ist das eine, komische Platten in sozusagen “normalen” Läden kaufen ist schon was anderes. Das hat durchaus was leicht Subversives. Gerade weil es um eine dezidierte Pop-Platte ging, die ich nun quasi heimlich in einem anderen Laden kaufte. Etwa so wie wenn das Päckchen, das auf dem Cover Marc Almond aus seiner Lederjacke zieht, abgeholt werden würde.
Warum hast Du Dir “Non-Stop Erotic Cabaret” ausgesucht? Was macht das Album für Dich so besonders?
So pathetisch das jetzt auch klingen mag: Ich habe damit endgültig das Land Pop betreten. Und zwar im Hier und Jetzt. Die Wege dorthin waren schon angelegt worden, aber so aktuell Girl-Groups, Phil Spector, Glam, die Walker Brothers, Frank Sinatra und Dean Martin für mich damals auch waren, so sehr tönten sie dennoch aus einer Pop-Vergangenheit. Und bei Soft Cell kam einfach ganz viel zusammen. Vieles, was noch in einer Art wabbrigem Vorbewussten schlummerte, wurde nun klarer und konnte auch benannt werden. Aber es gab auch viel Neues zu entdecken. Sachen, die erst später wichtiger wurden wie Almonds Queerness oder die Connections zur Industrial-Szene. Auch wenn das 1981/82 nicht wirklich im Focus meiner Begeisterung war. Da war es das Opulente plus dem Elektronischen, die durchgängige Tanzbarkeit (die ich nicht erwartet hatte) und dieses Geheimnisvolle. Popmusik mit einer gewissen sublimen Gefährlichkeit. Eher Shangri-Las plus Velvet Underground. Die Platte hat sich durch Jahre hindurch immer wieder fast von selber retroaktiviert und wuchert immer noch über sich selbst hinaus. Auch wenn ich mal länger Abstinenz gehalten habe, hat sich dennoch was getan. Mit Soft Cell hab ich mich dann auch endgütig den großen Pop-Dramen und den in Musik gegossenen Tragödien hingegeben. Was nicht immer auf Verständnis stoß. Aber war mir auch immer Roy Orbison lieber als Nick Cave. Ich hatte durch und mit Soft Cell einen Schatz gefunden, eine Art Geheimnis entdeckt. Die Beschäftigung mit Pop nahm ernsthaftere Züge an. Zudem wollte ich ja auch irgendwie kapieren von was Leute wie Diederichsen bei “Sounds” schrieben, wenn es um so was wunderbar Faszinierendes wie auch hin und wieder Einschüchterndes wie “Pop-Diskurs” ging. Gerade weil Soft Cell überall in den Hitparaden waren und aus fast jedem Radio tönten, also auch vom Mainstream gehört wurden, empfand ich mein clandestines Popgeheimwissen in Sachen Soft Cell schon als Hipness. Weniger im Sinne einer elitären Haltung – ich freute mich ja mit anderen, und dachte auch, jetzt wird es was in Sachen Pop und Revolution, wenn auch nur musikalisch – als eines elitären Wissens. Vielleicht ist das ja auch das immer noch Wichtige an “Non-Stop Erotic Cabaret”: Eine Platte die genau zwischen Teenage und Adoleszenz, zwischen einfach als Fan reinfallen und beginnendem reflexiven Popdenken auf einen zugekommen ist. Mit der es aber auch nie ein Erwachsenwerden geben wird. Wo das Aufgekratzte, nach dem Uplifting, nach der Party zwar reduziert, aber nie ad acta gelegt wird. Zudem waren Soft Cell die einzigen, die das ABBA-T-Shirt von Throbbing Gristles Chris Carter ernstgenommen haben.
Dass ich eigene Lost Weekend-Erfahrungen in “Clubland” in Songs wie “Bedsitter” wieder fand, war aber auch super.
Die klassische Synthpop-Ära hat ja einige Albumklassiker hervorgebracht. Ist “Non-Stop Erotic Cabaret” so ein konsistenter Glücksfall, oder gibt es auch Durchhänger bzw. Lieblingstücke?
Vor “Non-Stop Erotic Cabaret” war mein Lieblings-”Synthpop”-Album die zweite LP von Suicide, gefolgt von “Alles ist gut” von DAF. Eigentlichen Synthpop hab ich erst über den zweiten, dritten Bildungsweg in meine Sammlung integriert. Durchhänger finde ich beim besten Willen nicht. Gerade die Dance-Tracks (”Frustration”, “Entertain Me”, “Chips On My Shoulder”) strahlen immer noch eine Frische aus. Ich finde es ja auch toll, dass nach “Tainted Love” gleich “Seedy Films” kommt. Das hat was von “Taxi Driver”, wo De Niro nachdem das in-Liebe-Fallen nicht hinhaut, ins Pornokino geht. Meine eigentlichen Hits sind “Sex Dwarf”, “Bedsitter” und natürlich “Say Hello, Wave Goodbye”. Mich faszinierte auch diese stilistische Bandbreite und wie die im Mix der LP funktionierte. Auch die Saxophone schreckten mich nicht ab. Und die Klarinetten liebte ich sowieso. Mittlerweile glaub ich, dass es sich dabei um eine Referenz an Sylvester handelt. Da kommen Klarinetten auch immer vor und sind natürlich sexuell aufgeladen, aber strahlen auch so eine Melancholie aus. Ich habe mir dann auch gleich, obwohl es bei uns zuhause gar keinen Videorecorder gab, die “Non-Stop Ecstatic Video Show” gekauft, eine der ersten Video-Kompilationen überhaupt. Und was ich da sah, hat meine Liebe zu Soft Cell nur noch verstärkt. Almond bei “Tainted Love” als sadistischer römischer Kaiser, Dave Ball als sleazy guy, dazu eine kleine Führung durch zwielichtige Clubs in Soho. Auch später hat Almond tolle Videos gemacht. Aber da sind mir dann die Bezüge zu “Querelle” und “Pink Narcissus” von James Bidgood gleich aufgefallen.
Welche Rolle spielten das Album und die Band zur Zeit der Veröffentlichung? Kann man sie in einen Kontext einpassen, oder fielen sie heraus?
Im Kontext Synthpop waren sie prototypisch. Auch weil sie eine Idee von Pop als Tanzmusik transportierten, die sich im Nachhinein, verglichen etwa mit Acts wie Human League, als doch widerspenstiger erwiesen hat. Auch den Post-82er-Zitat-Popkatzenjammer, an dem ja viele ABC- und Heaven 17-Fans nagten, gab bei Soft Cell nicht. Stattdessen entfalteten sie phantasmatische Vorstellungen von New Yorker-Disco-Nächten. Ihr Prä-House/High-Energy-Track “Memorabilia” erschien als allererste Single ja schon vor “Tainted Love”. Ich hab sie immer eher näher bei der Disco als bei Synthpop gesehen. Das macht die LP ja auch klar. Wie bei Gloria Gaynors 1975er-LP “Never Can Say Goodbye”, wo Tom Moulton die drei Tracks der ersten Seiten in einer Art Megamix ineinander fließen ließ, so gehen auch bei “Non-Stop Erotic Cabaret” die Tracks ineinander über. Ich glaube aber, Soft Cell haben sich da eher bei “Once Upon A Time” von Donna Summer orientiert. Auch hier lässt Moroder zu rein elektronischen Klängen die Tracks der ersten Seiten ineinander laufen. Du konntest einfach die ganze LP durchtanzen. Egal ob wild oder eng oder verloren alleine. Soft Cell eröffneten eher Kontexte, als dass sie sich in einen schon vorgegebenen ausgetobt hätten. Vieles davon wurde mir aber erst viel später klar. Etwa, dass wir es hierbei mit dem ersten unter Ecstacy entstandenen Pop-Album zu tun hatten, worauf dann ja mit dem Titel der Remix-LP “Non-Stop Ecstatic Dancing” auch angespielt wurde. Nur wer dachte 1982 schon an Ecstasy? Ich fand auch ihre Maxis immer herausragend. Das waren, frei nach dem DJ-Remix-Konzept, lauter kleine Mini-Dramen. Nicht einfach um Instrumentalteile verlängerte Singles, sondern wirklich Neubearbeitungen. Ich kaufte mir alle. Bin dafür sogar mal extra nach Wien gefahren. Ergebnis: zwei Soft Cell-Maxis und Suicides “Half Alive” (damals noch als Cassette aus dem Hause R.O.I.R.).
Sie haben auf alle Fälle gut in Kontexte gepasst, die ich mir vorher schon zusammengebastelt hatte, von denen ich aber beim Kauf nicht primär davon ausging, sie nun gerade bei Soft Cell ebenfalls zu finden. Ich wollte im Grunde ja nur tolle Popmusik haben. Nur glaub ich auch nicht an reine Zufälle. D. h., wenn dich was anspricht, dann schwingt immer mehr mit als auf den ersten Blick vermutet wird. Und Soft Cell passten halt gut in meine pubertären Gegenwelten zwischen Baudelaire, Lautremont, Genet, den frühen Filmen von Warhol und Kenneth Anger. Ich hab das ja teilweise mit einem ultranaiven Blick betrachtet. Die schwulen Konnotierungen sind mir meist erst viel später aufgefallen. Angers “Scorpio Rising” war für mich jahrelang nur der beste Rock’nRoll-Film der Welt. Auch weil er mich in die Welt der sublimen Botschaften scheinbar simpler und harmloser Pop-Songs einführte. Ich stellte die LP ja nicht zu meinen New Wave/Post-Punk-Sachen, sondern in mein “Spezialfach” mit Velvet Underground, Stooges, Sun Ra, Suicide, Throbbing Gristle. Es war ja nicht besonders schwer von “Sex Dwarf” eine Linie zurück zu “I Wanna Be Your Dog” oder “Venus In Furs” zu ziehen. Auch “Frustration” und “No Fun” hatten dieses Verwandtschaftsverhältnis. Wenn du willst, kann ich “Non-Stop Erotic Cabaret” auch als Art Rhizom bezeichnen. Eine Platte die vielen anderen Platten “Maschine machte”, die viele Eingänge hat und durch die ich zu anderen Eingängen kam. Als ich das erste Mal Acid-House bzw. Detroit-Techno hörte waren Soft Cell und die Backing-Tapes von Throbbing Griste meine ersten Assoziationen. Endlich wird das von jemand radikal weitergeführt. Und zwar als Tanzmusik! Hör dir nur “Your Love”, die B- Seite von Frankie Knuckles “Baby Wants To Ride” an. Als ich das zum ersten Mal hörte, dachte ich an einen mir bis dato unbekannten Soft Cell-Song. Was willst du mehr von einer Band, als das Legen von Linien, wo sich ein Scott Walker mit Chicago House überschneidet?
Soft Cell waren nicht das erste Synth-Duo, aber sie waren wesentlich erfolgreicher als viele Vorgänger, Zeitgenossen und auch Nachfolger. Woran mag das gelegen haben?
Sicher auch an England. Soft Cell waren ja auch ein Fressen für die Yellow Press. Zuerst “Tainted Love”, dann der Skandal um “Sex Dwarf”. Das schaffte schon Öffentlichkeit. Aber ich empfinde sie ja mit Ausnahme der Jahre 1981/1982 als gar nicht so erfolgreich. Und sie sich selber ja auch nicht. Almond spricht ja selber oft davon, was für Deppen sie nicht waren, auch auf der B-Seite von “Tainted Love” mit “Where Did Our Love Go?” von den Supremes eine Coverversion zu veröffentlichen. D. h., da war nichts zu verdienen. Auch waren Bands wie Human League oder später die Pet Shop Boys und Depeche Mode viel erfolgreicher. Die werden auch nicht ewig auf einen Cover-Song festgenagelt. Aber ein Geheimnis ihres Erfolgs war sicher dieser Mix aus Kitsch und Avantgarde, was für mich u. a. ja auch Disco ausmacht. Die meisten Synth-Duos machten zwar auch Tanzmusik, aber das war meist eher für die Disco und nicht aus ihr kommend.
War das eine optimale und wegweisende Verbindung, der romantische Sänger und der technokratische Musiker? Dieses Image, das Gegensätze vom Schöngeist am Mikro und vom Partygänger am Mischpult vereint, geht ja in Teilen bis zu den Sparks zurück, bzw. wurde auch von den Pet Shop Boys fortgeführt. Ist das nur eine Pose? Warum ist diese nach außen abgegebene Rollenverteilung überhaupt notwendig?
Die Elektronik ermöglichte das ja erst. Die Silver Apples hatten ja 1968 noch einen Elektroniker plus Drummer. Die Rhythmusboxen änderten dann alles. Soft Cell waren da für mich nur ein logischer Schritt nach Suicide und den 39 Clocks. Ein Duo ist ja auch deshalb eine gute Kombination, weil Streit zu zweit anders ist, als Streit zu dritt oder mit mehreren. Die Dialektik der Begehrlichkeiten kann einfach anders verhandelt werden. Als Grundprinzip – gerade bei Soft Cell – fallen mit da immer Stan Laurel und Oliver Hardy ein. Aber du hast das auch in jeweils anderen Abstufungen bei den Sparks, bei Suicide, den Pet Shop Boys, oder auch bei der Kombination DJ und MC. Mich verwirrte ja immer Dave Balls Bärtchen. Das passte so überhaupt nicht in die Zeit und zu dieser Musik. Der auch etwas einfältig dreinschauende Teddybär und daneben die Drama-Queen mit schwarzen Sonnenbrillen. Aber deshalb erschienen sie auch wie ein seltsames Paar. Der Nerd und der Hedonist. Als Lebensform bzw. Arbeitsgemeinschaft geht so was ja fast nur im Pop, wo das dann auch gelebt werden kann. Zwar auch mit aufgeteilten Rollen, die im besten Fall aber allzu simple Zuschreibungen – etwa männlich/weiblich – nicht zulassen, bzw. immer wieder neu zur Disposition stellen.
Ich sehe aber auch im Romantischen keinen zwingenden Widerspruch zum Technokratischen. Die Romantik hat die Mensch-Maschinen-Diskurse der Aufklärung ja nicht gegen Naturidyllen ausgetauscht, sondern schon ganz früh das Unbewusste der und in den Maschinen thematisiert. Mary Shelley “Frankenstein” ist voll von technischem Know-How der damaligen Zeit. Und bei Soft Cell war diese Kombination zwar neu, aber sie stellten sie nicht so total ins Fenster. Sie nahmen Electronik einfach als dass, was sie schon war. Und Almonds Posen zeugten ja in keinster Weise von einer irgendwann auch mal durch Rock (außer Glam Rock) sozialisierten Jugend. Der Schöngeist, der sich total auf den Song konzentriert, zieht ja auch unsere Aufmerksamkeit auf das “kleine Lied” und theatralische Posen sind ja auch wieder was anderes als expressives sich selbst Entäußern. Ein dabei im Hintergrund agierender Keyboarder lenkt dann auch nicht von der Musik ab. Das ist eher so wie bei den klassischen Croonern, wo das Orchester ja auch immer nur halb bis gar nicht beleuchtet war. Wahrscheinlich ist das sogar revolutionärer als die Drei-Akkorde-Losung bei Punk.
Soft Cell sahen sich selber nicht dem futuristischem Anspruch vieler ihrer Zeitgenossen verpflichtet. Almond sagte später, sie wollten gleichzeitig “now” und “nostalgic” sein, und die guten Seiten beider Ansätze verbinden. Ist ihnen das gelungen, oder schlugen sie, unbeabsichtigt oder nicht, in eine Richtung aus?
Für mich haben sie beides als Dialektik praktiziert und daneben auch noch “Future” produziert. Wenn Nostalgie ein vages Gefühl gegenüber einer Sache ist, die du selber nie erlebt hast (weil zu jung dafür, oder am falschen Ort), dann haben Soft Cell das ja in ein “now” transportiert, in dem es nie um so was wie Revival oder Retro-Chic ging. Auch wegen der Elektronik und weil Almond nicht täuschend echt nachsingen wollte. Viel eher transportierten sie das Hören und Erleben früherer Musiken mit. Ihre Cover hatten ja alle schon eine Geschichte am Buckel. Klaus Theweleit hat ja mal ganz richtig angemerkt, dass Platten ja nicht nur Musik abspielen, sondern dass in sie ja auch immer etwas eingeschrieben wird. D. h., alles, was wir im Laufe unseres Lebens mit den Platten erleben, ritzt sich sozusagen als zweiter, dritter Text in sie rein. Das kennen wir ja alle, wenn wir uns unsere zerkratzten und mit Flecken von Zigaretten oder umgestoßenen Gläsern versehenen LPs anschauen. Manchmal wird dabei ja auch noch gewusst wann, wo und wie das passiert ist. Ich tat mir auch immer schwer, Soft Cell in die Zitat-Pop-Klasse von 1982 zu stecken. Das ist eher Referenzpop plus Reflexion darüber. Aber wo ABC auf Fred Astaire verwiesen, waren Soft Cell schon bei Judy Garland und Liza Minnelli. Das war ja auch eine Assoziation, die das Wort “Cabaret” hervorrufen konnte. Die Rückblicke sind bei Soft Cell nie naive Blicke zurück. Sie versuchen zwar immer wieder zu jenem Zustand des unschuldigen, ersten Blicks zurückzukommen, aber es gelingt nicht. Auch weil es diesen Blick so ja auch nie gab. Es sei denn du blendest alles aus. Die Erinnerungen werden als falsch erkannt, aber sie wollen dennoch nicht gemisst werden. Eben als Erinnerungen und nicht im Sinne von vergangenen objektiven Tatsachen. Und da ist Pop eben ein schönes Medium, beides zu transportieren. Du kannst dir ja auch “Cabaret” nicht ohne die Nazis am Schluss anschauen. Da waren Soft Cell eher in einer Tradition von Roxy Music. Und in meinem Universum wohnten sie sowieso gleich ums Eck von den Cramps. Beiden ging es um übersehene Potentiale, um Genealogien. Wenn mich die Cramps zu obskurem Alien-Rockabilly führten, so ebneten Soft Cell den Weg zu Scott Walker.
Haben sich Soft Cell nur aus diesem Nostalgieprinzip regelmäßig Soul-Klassikern angenommen? Da geht ja eine Linie von “Tainted Love” von Gloria Jones, dessen Rückseite “Where Did Our Love Go?” von den Supremes, über Judy Streets “What” bis hin zu “The Night” von Frankie Valli & The Four Seasons bei ihrem 2000er-Comeback. Ist das eine Rekontextualisierung von Soul in einem Genre wie Synth Pop, wo Soul ja nicht die Hauptsache war? Sieht sich Almond vielleicht als Soulsänger, oder ist man nur einer Erfolgsmasche treu geblieben?
Wenn das eine Rekontextualisierung von Soul ist, dann bin ich immer dabei! Ich hab ja mit so unterschiedlichen Leuten wie Jamie Lidell, Mayer Hawthorne, Amy Winehouse im Bezug auf “Soul” immer Probleme. Und mein Gegenargument ist dann immer Soft Cell! Ich glaube da ging es gar nicht mal so sehr um eine bewusste Wahl. Es ging eher um gute Pop-Songs, um Songs, mit denen die beiden etwas verband, die sie auf (Northern Soul-)Parties gehört hatten, die sie einfach liebten. Marc Almond hat nie versucht wie ein Soul-Sänger zu klingen. Da stand er der Disco und dem Vaudeville einfach näher als der Gospel-Kirche. Auch die Supremes und Motown überhaupt waren ja im Vergleich mit all den Sachen, die bei Stax in Memphis rausgekommen sind, eher Pop. Es gibt da auch diesen schönen Sampler “Motown Saluts Bacharach”, was umgekehrt ebenso funktioniert hat. Aber für mich kam bei Soft Cell Soul immer schon eher aus der Steckdose (oder meinte wie später bei “Soul Inside” wirklich “Seelenqualen”). Andererseits waren Soft Cell jene Band, die mich erst richtig zu Soul hinbrachten. In meinem popistischen Forscherdrang wollte ich ja das Original von “Tainted Love” auch mal hören und stolperte dann bei einem Bekannten über diese auf Northern-Soul spezialisierten “Kent”-Sampler, in die ich mich aber auch erst einmal reinhören musste. Das war wie eine Fremdsprache lernen. Zuerst gefiel mir nur wenig und nach zwei Wochen nahm ich alle Sampler auf Cassetten auf und spiele sie heute noch gerne. Aber Soft Cell waren da die Türöffner. Und sie waren weder blöder Blue-Eyed-Soul noch Paul Weller.
Wie gehen Synthetik und Soul überhaupt zusammen, und dann noch in einer solchen Ausprägung?
Es funktionierte ja auch bei Yazoo. Oder denk nur an Sylvester! Die Frage stellt sich eigentlich gar nicht, weil die Aufsplitterung in Synthetik versus Soul ja suggeriert, dass Soul per se nicht synthetisch sei. Also “Jute statt Plastik”. Nur hat Soul mittlerweile jene Stellung eingenommen, die früher Blues hatte. Soul dient als Authentizitätsfetisch. Als etwas, dem ein gewisses Begehren (meist sexueller Art) unterstellt wird und das dann so zusagen noch authentischer als Rock daherkommt. Synthetik oder Elektronik steht da dann meist für den Sündenfall. Schon in den 1950ern rümpften weiße Musikkritiker die Nasen, als junge schwarze Musiker wie Muddy Waters mit elektrischen Gitarren auftraten, weil das eben kein “richtiger Blues” mehr sei. Der sollte immer noch nach Baumwollfeldern und Sklavenarbeit riechen. Ähnlich erging es Timmy Thomas als er 1972 “Why Can’t We Live Together” veröffentlichte, wo der Groove ja von einer in seine Orgel eingebauten Beatbox kam. Sofort wurde der Tod von Soul ausgerufen, weil so eine Beatbox ging dann doch zu weit. Kein Problem bei Funk (Sly & The Family Stone, Funkadelic), aber bitte nicht bei Soul, weil dann können wir es ja gleich Disco nennen…Ich finde es ja immer sehr paradox, wenn bekennende Motown-Fans über “Fließbandmusik” herziehen und dann Leute wie Timbaland oder Pharrell Williams als abschreckende Beispiele nennen, oder House prinzipiell Scheiße finden. Aber ich hab auch immer Destiny’s Child, Beyoncé, Kelis oder Estelle gegen Amy Winehouse & Co. verteidigt. Das hätte ich zwar ohne Soft Cell auch gemacht, aber die legten da eine, ich sag es mal platt, diskursive Basis. Weil “Soul” bei Soft Cell ja immer schon auf dem Weg zum jackenden House war. Mit den Supremes eher als Girl-, denn als Soulgroup. Oder gleich als Drag-Queen gedacht.
Andererseits wurden Soul und Disco in diesen Jahren ja auch synthetischer. War das nur ein produktionstechnisches Phänomen? Gab es da Wechselwirkungen?
Mich ärgert ja dieses Ausblenden des Synthetischen und Elektronischen bei Soul ungemein. Für Kodwo Eshun ist das ja nicht nur ein Zeichen von Ignoranz, sondern auch von Rassismus. Dabei war “Black Music” immer schon an technologischen Entwicklungen interessiert. Du hörst Rhythmboxen und Synthesizer ja auch bei Miles Davis und Sun Ra wie auf fast allen in letzter Zeit veröffentlichten Samplern zum Thema “Afro-Beats” aus den 1960ern/1970ern. Auch auf Marvin Gayes Soundtrack zu “Trouble Man” von 1972. Und natürlich bei Stevie Wonder. Synthetische Klangerzeugungen und Modulationen waren hier immer State-Of-The-Art, oder es wurde halt wild experimentiert. Egal ob nun Hendrix, Dub, oder Kraftwerk/Giorgio Moroder die Ausgangspunkte waren. Es ging um neue Sounds, nicht um neue Akkordfolgen. Auf der produktionstechnischen Seite war es aber auch eine Geldfrage. Als sich Patrick Cowley einen Synthesizer zulegte, erkannte er ja auch, dass damit nun Disco-Musik gemacht werden konnte, ohne dabei auf ein 40- bis 80-köpfiges Orchester zurückgreifen zu müssen. Und das veränderte dann wieder die Musik. Auch weil nun stunden- und tagelang herum geschraubt werden konnte und mehr Leute Zugang hatten. Ohne all diese technischen Entwicklungen hätte es Vieles einfach nicht gegeben. Mir ist auch kein Text über Disco in Erinnerung, wo das Synthetisch-Werden negativ gesehen wird.
Romantik, Sex und Nightlife sind bei Soft Cell zumeist desillusioniert und angeschlagen, eine dunkle und realistische Auslegung. Ist diese Art mit dem Thema umzugehen typisch englisch?
Iggy Pop und Lou Reed sind ja auch keine Engländer, haben aber immer wieder europäische Blickperspektiven angenommen. “Typisch englisch” ist ja so eine Sache. Ich würde her sagen, dass hat sich aus einer Art Kontinuum ergeben, wo jemand wie Oscar Wilde eben kein verstaubter Klassiker, sondern immer noch aktuell war. Soft Cell waren zwar nie im engeren Kreis der “New Romantics” – dazu waren sie einfach auch zu gegenwartsbezogen und suchten das Gruseln nicht in alten Gemäuern sondern in Rotlicht-Bezirken – aber sie bezogen sich auf ähnliche Quellen. Nur lasen sie Baudelaire mit Jean Genet quer, was aber erst später so richtig zum Tragen kam. Realismus meint hier ja nicht Naturalismus. Eher wird immer an falschen Orten (wozu auch die Disco gehören kann) nach der wahren Liebe gesucht. Das Begehren wird nie erfüllt und es stellt sich dann halt auch die Frage “Was ist denn nun mein eigentliches Begehren überhaupt”? Ist es vielleicht die Desillusion, das Kotzen am Bahnhofsklo, das Scheitern an sich? Ich hab das bei Soft Cell nie als schicke Geste empfunden. Als Junkie-Chic oder so. Kaputtness als Lebensentwurf gab es hier nicht. Weder in den Lyrics, noch in der Kombination mit der Musik. Gerade bei “Non-Stop Erotic Cabaret” ist es ja die Musik, die dich noch hoffen lässt. Dance als “healing force of the universe” so zusagen. Nicht nur als simpel gestrickter kontrapunktischer Glitzergegenpol zu einer todtraurigen Geschichte (die dann aber auch in Technicolor-Noir getaucht ist). Diese innere Zerrissenheit zwischen Texten zur Depression und einer Musik, die sich dem nicht ergibt gab es damals eigentlich nur bei Joy Division, zu denen ja auch super abgetanzt werden konnte. Für mich haben das später nur Pulp weitergeführt, inklusive jener “Pop-Momente”, die ich schon bei Soft Cell schätzte.
Ist die Kombination von schmutzigen Inhalten und sauberen Klängen ein Reiz von “Non-Stop Erotic Cabaret”?
So sauber sind die Klänge ja auch nicht. Das hatte schon eher einen Billigsdorfer-Appeal. Was vielleicht auch falsch gedacht ist, weil mit “Disco” ja eigentlich nicht so undergroundige Sounds verbunden wurden. Jedenfalls damals nicht. Ich hab die LP, also das Konzeptuelle im Verhältnis von Text und Musik, immer als Art Soundtrack plus Voice-Over bzw. eben der Narration gelesen. An den Orten, von denen hier gesprochen wird, läuft ja selten Underground-Musik, sondern Pop oder eben Disco. Das mochte ich früher ja auch bei Auto-Scootern so gerne. Speziell am Abend wenn die Jahrmärkte so bunt beleuchtet waren. Mir kam das aber immer auch etwas unheimlich vor. Das hat eher die Atmosphäre eines Films von Abel Ferrara, Scorsese oder Fassbinder. Da laufen ja auch immer Pop-Songs (meist noch dazu von Girl-Groups), in denen es um ein Realitätsversprechen geht, das diametral den Wünschen und Begehrlichkeiten der Protagonisten gegenübersteht. Es ist ja die Musik, die erst das Begehren weckt. Und dann haut es in der Disco oder im Club nicht hin bzw. tritt das “Schmutzige” noch stärker hervor. Da geht es ja nie um eine authentische, naturalistische Abbildung. Die alte Hollywood-Weisheit, dass sich das vermeintlich Wahre (die “echten Gefühle”, Liebe, etc.) nur im Falschen, also über Kulissenschiebereien, über Schminke, Maskierungen, Parodien eben über Schmiere manifestieren kann, haben Soft Cell schon immer intus gehabt. Nur eben auch noch ohne affirmative Ironie-Absicherungen. Da ging es schon um ernste Sachen, aber die mussten erst entdeckt werden. Denk nur an all die Leute, die sich in “Say Hello, Wave Goodbye” verliebt haben, bis herauskam, dass es dabei um eine Nutte ging. Ich denke, das ist überhaupt ein Reiz von Popmusik. Es zerreißt einen, weil die Musik einen Ort beschreibt, wo es hingehen sollte, nur ziehen die “cold hard facts of life” da nicht mit. Das ist ja auch das melodramatische Element bei Soft Cell. Die verpassten Gelegenheiten, die nicht zusammenpassenden Liebenden, die eigentlich zusammenpassenden einsamen Herzen. Das ist wie bei Vincente Minnelli oder Douglas Sirk – zuckerlbunte Farben aber kein Happy End. Auch bei den Wahnsinnschoreographien eines Busby Berkeley sterben Leute. “Noir-Musicals” nannte das mal Scorsese und so seh ich im Grunde auch “Non-Stop Erotic Cabaret”. Was willst du auch von einer Dance/Pop-Platte erwarten, auf der das erste Wort “Frustration” lautet?
Marc Almonds Leben wird oft mit diesen Inhalten gleichgesetzt. Auch wenn es da Parallelen gibt, ist er nicht eigentlich eher ein Storyteller im Sinne von Lou Reed oder Ray Davies?
Sein Autobiografie “Tainted Life” verführt ja zu so einer Gleichsetzung. Aber das ist mir zu billig, zu banal und unterschätzt vor allem Almonds Qualitäten. Mir ist bei seinen Sachen eher immer das Prinzip der ironischen Distanz aus der Romantik eingefallen. D. h., nie in aktuell aufgewühlten emotionalen Zustand ein Gedicht schreiben, weil das wird nichts. Notizen machen – okay, gleich loslegen – no way! Es gibt bei Almond auch einfach zuviel Reflexionen, zu viel Perspektiven, die in einen Song, einen Text einfließen. Jedes “I” setzt sich da doch auch zig “Ichs” zusammen. Egal, ob denen nun im Nightlife wirklich begegnet wurde, oder sie einfach aus Versatzstücken aus Pop, Literatur, Film, Kunst zusammengestückelt wurden. Es sollte dabei auch nicht vergessen werden, dass es harte Arbeit bedeutet, Dekadenz als Lebensentwurf ästhetisch zu vermitteln. Das kann ja auch in Joris-Karl Huysmanns »Á rebours« nachgelesen werden wie schwer das ist, weil es immer stärkere Reize und eben auch Inszenierungen braucht. Das Theatralische, das Performative ist da immer schon eingeschrieben. Auch das Exotische. Für mich waren Marc & The Mambas nur zwingend. Es hätten auch byzantinische Orgienphantasien sein können. Diese Genealogie (vom Symbolismus zu Pop) bei Soft Cell zu finden war einfach toll. Und Pop hatte bei ihnen auch mehr vom “Great American Songbook”, von Cole Porter oder Gershwin als nur von dem, was seit Elvis als Pop angesehen wurde. Darauf hat ja auch Scott Walker zurückgegriffen. Und die Übertreibung, das bigger-than-life gehört da logischerweise dazu. Das sind die eigentlichen Judy Garland-Momente bei Almond – wenn er seine Selbstironie auf die Spitze treibt, ohne sich dadurch von seinem Tun zu distanzieren. Das hat auch eine durchaus filmische bzw. konzeptuelle Herangehensweise. Genau so werden Parallel- und Phantasie-Welten produziert. Und wenn es wie bei Marc & The Mambas eben Spanien ist, dann aber mit Haut und Haar und ohne Rücksicht auf Verluste da durchgehen und sich gleich als Torero oder Carmen Miranda bei Bizet inszenieren. Storytelling also eher im Sinne einer Vorlage für ein Musical.
Wie genau hast Du den weiteren Werdegang von Dave Ball und Marc Almond verfolgt? Gab es da Musik, die Dich ähnlich berührt hat wie “Non-Stop Erotic Cabaret”?
Ja, natürlich! Marc & The Mambas hat mich sogar noch mehr erschüttert. Das kam fast wie ein Schock. Da war fast kein auch nur irgendwie distanziertes Hören möglich. Das hat mich einfach verschlungen mit all dem Irrsinn und der Radikalität wie hier Popmusik zu einem Theater der Grausamkeiten wurde. Das waren schon auch masochistische Hörerlebnisse. Die Version von “If You Go Away” macht mich immer noch fertig, egal wie gut es mir sonst geht. Ich mochte auch diesen Spanien-Spleen von Almond. Vielleicht weil er eben nicht echt klingen wollte, sondern das alles eher in so eine campe Exotica verpackt hat. Nach “Vermine In Ermine” bin ich dann sogar ein “Gutterheart” geworden. D. h., ich bin dem Marc Almond-Fanclub beigetreten. Danach bin ich ihm aber gleich untreu geworden und hab sein weiteres Schaffen eigentlich nur noch mit einem Ohr verfolgt. Bis dann 1991 “Tenement Symphony” kam, wo ja Dave Ball wieder mit von der Partie war. Aber ich mag auch sein ultratrashiges, an ein Update von Kenneth Angers “Hollywood Babylon” mit Almond in allen Hauptrollen erinnerndes, “Fantastic Star”-Album aus 1996.
Interessanterweise hab ich von Dave Ball fast mehr. Sein 1983er Solo-Debüt “In Strict Tempo” gehört immer noch zu meinen “geheimen Schätzen”. Da waren die Connections zwischen Soft Cell und Throbbing Gristle/Psychic T.V. ja schon bekannt und die LP passte da in ihrer verschmitzten Sleazyness total hinein. Gerade weil Dave Ball ja immer der eher Nette, Zurückhaltende war, bekam das so eine Norman Bates/”Psycho”-Note. Vielleicht ist es ja er, der die meisten Leichen im Keller hat und jenes “Secret Life” lebt, von dem Almond auf der ersten Soft Cell-LP gesungen hat. Wie mir Almond dann immer wieder als Gastsänger bei PTV oder Coil (ganz groß: “Love’s Secret Domain” von 1991) begegnet ist, hab ich dann bei der Acid-Phase von PTV immer nach Maxis Ausschau gehalten, wo Dave Ball mit dabei war. Meist hat er die besten Remixe gemacht. Immer mit so einer jackenden Soft Cell-Rhythm-Box. Auch The Grid mochte ich, wobei ich ihre Maxi mit Timothy Leary am besten finde. Aber den einsamen Höhepunkt gab es mit den beiden Maxis von English Boy On The Loveranch, die Ende der 1980er überraschenderweise auf New Rose erschienen sind. Damals mein Stammlabel in Sachen Cramps und Tav Falco. Das waren Hardcore-High-Energy-Tracks mit eindeutigen S/M-Texten zu den Themen “The Man In Your Life” und “Sex Vigilante”. Die sind eigentlich seitdem fast immer in meine DJ-Kisten mit dabei. Sie verbraten zwar alles Schmähs und Klischees, die seit Divine oder “You Spin Me Round” von Dead Or Alive bekannt und denkbar waren, aber das klotzen sie hin, als gäbe es kein Morgen mehr.
Wie siehst Du “Non-Stop Erotic Cabaret” im Abstand der Zeit? Wie ist das Album gealtert?
Für mich gar nicht, weil Dance-Music weniger altert als vielmehr in zyklischen Kreisen rotiert. Das Konzept einer linearen Zeitmessung gilt hier einfach nicht. Am “ältesten” klingt eigentlich “Tainted Love”. Das lege ich wirklich nur bei ganz speziellen privaten Anlässen auf Wunsch auf. Sonst bevorzuge ich den visionären “Tainted Dub” mit dem Soft Cell fast noch mehr in Sachen Electronica vorweggenommen haben als mit ihren sonstigen Sachen. Da ich die “Tainted Love”-Maxi zweimal hab, könnte ich theoretisch damit auch einen ganzen Abend bestreiten. Die Aktualität von Musik hängt ja nicht von ihrem Erscheinungsdatum ab. Manchmal sind halt die Eingänge zu, und dann tun sich wieder ganz neue auf.
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