Interview: Permanent Vacation
Posted: May 9th, 2009 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: Benjamin Fröhlich, de:bug, Interview, Permanent Vacation, Tom Bioly | No Comments »Ihr habt ja schon einiges erreicht, obwohl das Label noch gar nicht so lange existiert. Was euch damals dazu gebracht Permanent Vacation zu gründen?
Tom Bioly: Im Juni 2006 kam die erste Compilation raus, also fast drei Jahre her. Wir haben uns damals bei Benji im Plattenladen kennen gelernt. Dann haben wir festgestellt, dass wir beide die gleiche Musik super finden und das, was wir machen wollten, gab es nicht so richtig.
Benjamin Fröhlich: Vor allen Dingen in Deutschland gab es das nicht.
TB: Ich habe damals bei Compost gearbeitet und wusste wie man das macht, ein Label zu gründen und was dazugehört. Und dann hatten wir beide die Idee, das mal auszuprobieren.
BF: Eigentlich hatten wir beide unabhängig voneinander vorher schon so eine Idee, und dann war es die logische Konsequenz es zusammen zu machen.
Sehr Old School, zwei Gleichgesinnte treffen sich im Plattenladen.
TB: Stimmt (lacht). Wir beide kannten ja viele Leute, die in dem Bereich unterwegs sind, DJ-Freunde oder über Compost, aber es ist dann schon etwas Besonderes jemanden zu treffen, mit dem man bei Musik geschmacklich zu 99% auf einer Linie liegt. Das ist meistens nicht der Fall.
BF: Aber es ist auch schwierig so was zu machen, wenn man darüber streiten müsste was man macht.
TB: Was wir machen ist ja auch ein bisschen spezieller, nicht so der Konsens-Sound, oder der TechHouse-Bereich, wo man sich vielleicht besser einigen kann.
Was war denn die stilistische Ausgangslage und Motivation eurer Anfangstage?
BF: Wir sind ja gestartet in dieses Disco-Revival und das ganze Cosmic-Blabla, und in dem Kontext wollten wir uns auch erstmal bewegen, auch wenn wir uns nie einschränken wollten. Aber es war der richtige Zeitpunkt dafür.
TB: Wir hatten jedenfalls keine Künstlerfreunde mit fertiger Musik und wollten das dann herausbringen, so wie es bei vielen anderen Labels ist. Wir haben gleich mit einer Compilation losgelegt, weil wir niemanden hatten, der genau die Musik gemacht hat, die uns hundertprozentig gefällt. Wir haben nicht unsere zehn Stammkünstler unter Vertrag mit denen wir ausschließlich arbeiten, obwohl sich das jetzt ein bisschen ändert.
Aber es war schon auffällig, dass ihr schnell gewichtige Veröffentlichungen hattet. Antena und Kathy Diamond sorgten dann ja schon für einiges Aufsehen.
TB: Ja, aber es gab keinen Masterplan. Kathy Diamond war ein Glücksfall. Wir vermuten es lag an der Compilation, auf der zwei Fulton-Remixe waren, und er hat uns danach einfach angeschrieben ob wir das Album machen würden. „I’ve got some new stuff, do you want to hear it?“ Er schickte uns dann mehrere Stücke.
Und mit Antena wolltet ihr eine alte Vorliebe ausgraben?
TB: Ja. Wir würden so etwas gerne viel öfter machen, aber es ist aus rechtlichen Gründen schwierig, wenn man es nicht illegal macht. Aber das wollen wir eben nicht, auch keine Edits. Wir starten gerade eine Serie namens „Permanent Vacation Evergreens“, wo wir das wieder aufgreifen. Aber das muss nicht unbedingt ganz alt sein, die erste ist von DMX Krew.
BF: In diesem ganzen Cosmic/Balearic/Disco-Ding hast du ja auch gar keine Chance was Offizielles zu machen, weil es davor eh schon drei Edits gab. Es macht dann keinen Sinn mehr, was zu lizensieren, weil es eh schon jeder hat, den es interessiert.
TB: Oder man findet die Rechteinhaber nicht oder es liegt bei einem Major, dann hat man von Haus aus keine Chance. Es sei denn du bist der Best Buddy vom Künstler und der kann das durchdrücken. Aber wo ist das schon der Fall? Insofern war Antena auch ein Glücksfall, weil wir in Zusammenarbeit mit Isabelle Antena die Remixe machen konnten und sie die Vocals neu eingesungen hat.
Andere Labels in diesem Kontext haben ja schon ein eher entspanntes Verhältnis zum Thema Edits.
BF: Uns reizen auch verschiedene Sachen, aber letztendlich ist es illegal und da haben wir keinen Bock drauf.
TB: Es ist ein hohes Risiko. Manche haben Glück, so wie Pilooski zum Beispiel, wo ein Edit kursiert und der kommt dann offiziell raus. Aber wenn man erstmal eine Klage am Hals hat, ist es mit einem Label schnell vorbei.
BF: Ich finde Edits super und ich kauf mir auch die Platten aber du hast auch keine Sublizenzrechte daran. Du verkauft nur das Vinyl, nicht digital, und das ist nicht so reizvoll.
TB: Die Frage ist halt ob man ein richtiges Label macht, und auch mit CDs und digital präsent sein will. Man kann solche Edits nebenher auf Vinyl machen, aber ich würde mich nicht gut dabei fühlen.
Wenn man sich euren Backkatalog anschaut, habt ihr euch ja auch von diesem ganzen Thema emanzipiert.
BF: Das ist ein natürlicher Prozess. Die Genres verändern sich ja auch, und Aspekte werden anders beleuchtet.
TB: Wir sind da breiter aufgestellt. Am Anfang hat es sich mit Disco so ergeben, aber es hätte nicht so laufen müssen. Wir mögen auch House, Techno oder Gitarrenmusik. Es muss einfach das gewisse Etwas da sein, damit es unser Ding wird.
BF: Es gibt schon so ein Grundgefühl beim Label, was man auch wieder erkennen kann. Ansonsten muss man ja auch stilistisch ein bisschen offener sein, sonst klingt alles gleich.
TB: Wenn man alte Disco-Sachen nicht bekommt, ist es halt schwierig. Wir können mit Nu Disco-Sachen nicht viel anfangen und legen das auch kaum auf. Es ist oft so, dass es nur nett ist und beliebig, und im Club auch nur bedingt funktioniert. Es gibt auch kaum Vocals. Also das Meiste überzeugt uns da nicht. Aber im Disco-Bereich verkaufen sich sowieso nur Edits.
BF: Es ist halt wichtig, dass man nach einem Hype nicht wieder weg ist, und versucht länger am Ball zu bleiben. Da muss man sich zwangsläufig verändern, aber man will ja auch nicht immer das Gleiche machen.
Ist der Hype um das Thema nicht schon vorüber?
BF: Irgendwie ja und irgendwie auch nein. Es gibt halt nicht wirklich was Neues. Das House-Revival läuft so nebenher, aber ich glaube das wird noch größer werden. In Ermangelung eines neuen Hypes (lacht).
TB: Man hört alle zwei Wochen was Neues. Wir sind in Berlin und dann heißt es „Minimal is dead“, aber dann auch wieder nicht und es gibt Alben von Künstlern, die total abgefeiert werden. Im Moment rotiert alles. Wir haben auch schon gedacht, dass keiner mehr Disco hören mag, aber ein paar Monate später finden es die Leute toller denn je. Es geht hin und her. Man pickt sich halt die besten Nummern raus, auch Techno-DJs gehen dann in andere Bereiche über.
BF: Solche Hybriden, die verschiedene Bereiche vereinen, haben auf jeden Fall Platz auf dem Label, wenn sie was Spezielles haben.
Wie wichtig ist denn eigentlich München für das Label?
BF: München ist halt eine Disco-Stadt, schon immer gewesen, und wenn man hier aufwächst prägt einen das schon. Es ist hier alles ein bisschen poppiger.
TB: Wenn wir in Berlin groß geworden wären und ein Label machen würden, wäre es sicherlich andere Musik. Man kann das nicht konkret an Faktoren festmachen, aber dieses ganze München-Ding hat sicherlich Einfluss.
München war ja schon rein lokal dichter dran an Cosmic als andere Städte.
BF: Ich habe damals immer diese ganzen Tapes gehört. Ich fand es super, aber ich wusste nicht was es ist. So hat sich dann der Kreis geschlossen. Man ging auf Cosmic-Parties und der Rest von Deutschland kannte das nicht.
Es geht bei dem Cosmic-Hype doch auch eher um ein gestiegenes Bedürfnis nach eklektischen DJ-Sets, als darum, was zu einem bestimmten Zeitpunkt in bestimmten italienischen Clubs gemacht wurde.
TB: Ja, klar. Das Internet hilft da ja auch enorm. Die ganzen Mixe sind online, man muss nicht dabei gewesen sein. Und es wird auch Cosmic auf Sachen geschrieben, die wir nicht unbedingt damit assoziieren würden.
BF: Es ist ja auch ein total schwammiger Begriff und keine wirkliche Musikrichtung. Es wurde alles zusammengewürfelt. Aber wenn du hier auf aufs Land fährst gibt es immer noch Cosmic-Parties, auch wenn das vielleicht nichts damit zu tun hat, was man selber darunter versteht. Da kann dann auch tribal-lastiger Techno laufen. Die Partys haben sich auch in München verändert und wurden irgendwann schlecht.
Und was ist mit dem klassischen Munich-Disco-Sound? Damit flirtet ihr ja eher wenig.
BF: Moroder und so? Da kommt man natürlich schlecht drum herum. Wir finden das Zeug gut, aber wir müssen nicht eine Platte machen, die danach klingt. Die Produktionen sind sehr interessant, aber sie hatten eben früher mehr Möglichkeiten, wie z. B. ein komplettes Streichorchester mit ins Studio zu nehmen. Das hört man dann auch. Und man sollte lieber nicht versuchen das zu kopieren, da man es eh nicht schafft. Deswegen ist es auch so schwierig für aktuelle Disco-Produzenten. Allein im Studio ist es nicht so einfach, was in dem Stil hinzukriegen. Hercules & Love Affair haben das live und im Studio ganz gut hinbekommen, aber da steckt eben auch schon einiger Aufwand dahinter.
Lindstrøm und Thomas gehen ja jetzt wieder zu herkömmlicher Live-Instrumentierung über, und das findet bei Permanent Vacation ja auch schon länger statt.
BF: Daran sind wir schon sehr interessiert und haben auch schon zwei Bands gesignt, für nächstes Jahr. Wir mögen es mit Bands zusammen zu arbeiten, es ist ein anderer Charakter von Musik. Ein Produzent allein im Studio hat immer etwas Nerdiges. Band-Musik nimmt man anders wahr. Ich bin aber im Moment auf dem House-Trip. Ich habe mal eine Plattensammlung mit alten Sachen aufgekauft und ich hatte hier nicht so viele Berührungspunkte damit. Hier gab es nicht so etwas wie das Robert Johnson und Wild Pitch-Abende, eher so Handtaschen-House. Für mich ist die Tradition also relativ neu, und da bin ich ziemlich angefixt.
Das House-Revival spült da ja im Moment einiges hoch, und es entsteht ein neues Spezialgebiet in dem man noch viel entdecken kann.
BF: Ich bin davon überzeugt, dass das noch ganz groß wird, auch weil sich so viele Stories darum ranken. Aus Disco wurde House und ich mag auch gerade die Schnittstellen von Disco und House.
TB: Da sehe ich auch Chancen für die Produzenten, weil man da noch was machen kann.
BF: Die Leute produzieren ja auch wieder House mit analogen Maschinen, und das hat dann auch gleich so einen bestimmten Swing. Alles was ein bisschen musikalischer klang, war eine Zeitlang verboten, und jetzt kommt es zum Glück zurück.
TB: Das Piano ist ein Element, dass House sehr gut tut. Diese Darke und Atmomäßige kann halt auch sehr schleppend sein.
BF: Der Tensnake wäre für seine Panflöte in dem Remix für The Embassy vor Jahren noch gesteinigt worden. Weltmusik ist auch wieder ein Thema bei House und Techno, finde ich super.
Und wohin geht die Reise bei euch in naher Zukunft?
TB: Im April oder Mai kommt erstmal eine Maxi von uns raus. Dann die Permanent Vacation von DMX Krew. Und dann machen wir ein Album mit Sally Shapiro, zu dem ein Remix von Jens Lekman erscheinen wird. Später wird es von Alexis und Jess eine neue „Space Oddities“-Compilation geben, die diesmal ein bisschen rockiger und psychedelischer ist.
BF: Die haben Material ohne Ende.
Das haben Libraries so an sich, oder?
BF: Ja (lacht). Genau. Es ist auch da nicht so einfach mit dem Lizensieren, aber wenn es machbar ist, machen wir damit weiter.
TB: Library Music ist ein interessantes Thema, weil es alte Musik ist, die für die Leute neu ist. Das ist ein Vorteil, weil es mittlerweile nur noch wenig gute, alte Musik gibt, die keiner kennt. Wir bringen auch noch einen Horrorfilm-Soundtrack heraus. Der Film heißt „Gutterballs“, und die Musik ist von Steve Moore, der auch Zombi macht.
Wollt ihr abschließend noch ein offizielles Statement zur Krise abgeben?
TB: Wir haben ja schon mitten in der Krise losgelegt. Wir kennen es gar nicht anders. Es ist schwierig für die Labels, die früher größer waren und immer noch die entsprechenden Strukturen haben.
BF: Wir sind ja eine schlagkräftige Einsatzgruppe zu zweit. Man muss schon sehen, dass man die Kosten so gering wie möglich hält. Ende letzten Jahres gab es auch noch so einen Schub, und es wurde weniger mit den Vinylverkäufen.
TB: Wir hoffen, dass wir die Verkaufszahlen bei Vinyl noch so halten können, dass sich die Herstellung lohnt. Es ist sehr teuer, aber es wäre schon sehr bitter wenn man darauf verzichten müsste, weil uns auch noch sehr viel daran liegt.
BF: So eine Marktbereinigung passiert halt mal, aber ich bin sicher, dass es Vinyl weiterhin geben wird.
TB: Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ein Label werden, das keine Platten mehr herausbringt. Das sehe ich eher bei CDs. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, Sachen nur digital zu veröffentlichen. Man verkauft ja auch eine Identität, und wenn das alles wegfällt wäre das schon sehr schade.
De:bug 05/09
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