Interview: Theo Parrish
Posted: July 9th, 2007 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: de:bug, Interview, Theo Parrish | No Comments »Normalerweise wirst Du ja mit der Musikszene aus Detroit assoziiert, aber Du kommst ursprünglich aus Chicago. In Deinen DJ-Sets spielst Du viele Klassiker aus beiden Städten. Ist das Absicht, Deinen dortigen Background gleichermaßen zu repräsentieren?
Es hängt viel damit zusammen, dass ich anfangs sehr daran geschult wurde, wie man in Chicago auflegt, sozusagen meine Bildungsjahre als DJ. In den ersten fünf Jahren lernt man die Mehrheit von dem, was sich später als deine Stärke herausstellt. Danach kommt das Ego ins Spiel. Nach zehn Jahren hat mein sein Ego überwunden und es geht um die Auswahl selbst und man lässt die Musik übernehmen. In Chicago war es sehr einflussreich an einem Ort zu sein, an dem man viele Leute, die als Meister ihres Fachs zu betrachten sind, dabei beobachten konnte wie sie ihren Stil entwickeln. Dabei wusste man gar nicht, dass das gerade passiert. Diese Musik wurde dann später sehr ikonisch. Ich zog in den mittleren Neunzigern nach Kansas City, zur Universität, und dort war es sehr schwierig, an die ganzen neuen Sounds zu kommen. Ich bekam anständige Sachen, aber man hatte eher Zugang zu Hip Hop, Funk und Soul als zu den House-Platten, die zu der Zeit raus kamen. Meine Eltern zogen nach Detroit und in den Ferien ging ich dann dort in die Plattenläden und hörte dann all die Sachen, von deren Veröffentlichungen ich gar nichts wusste. Beat Freak, Blaze, Kerri Chandler. Zudem passierte auch eine Menge in Detroit, es gab Soiree und Track Mode, eine Menge Label machten zur gleichen Zeit Sachen und ich hatte soviel verpasst.
Es gab also viel Nachholbedarf.
Und ob. Ich bin dann immer zur Ferienzeit nach Detroit gefahren um mehr davon zu kriegen, und mehr und mehr und mehr. Schließlich lernte ich dann einen Typen kennen, der im Plattenladen arbeitete und das war Rick Wilhite und er fragte mich immer, ob ich sowas mögen würde, weil damals jeder in Detroit extrem auf Techno stand. Ich mag Techno aber es gab auch immer bestimmte Sachen, die ich lieber mochte, das kann ich gar nicht genau begründen. Rick hörte dann auf da zu arbeiten und der nächste der mich dort fragte ob er mir helfen könnte, so mit Afro und so, das war Kenny Dixon Jr. Ich zog dann nach dem College erstmal zu meinen Eltern nach Detroit und wohnte im Keller, ich hatte keine Kohle und wie das so ist mit College Kids, die Eltern fragen sich, was man mit seinem Leben anstellen will und ich legte in der Umgebung auf und den Leuten gefiel es, also dachte ich, das mache ich weiter. Ich denke, beide Städte sind musikalisch sehr zusammengebunden und ich sehe sie irgendwie als gleichen Ort. Es gibt entsprechende Traditionen in beiden Städten, der größte Unterschied ist, dasd Detroit traditionell mehr auf Melodie eingestellt ist und Chicago mehr auf Rhythmus. Das wechselt von Produzent zu Produzent. Manchmal hast du einen sehr perkussiven Detroit-Track und einen sehr melodiösen Chicago-Track, aber meistens treibt der Beat das Zeug aus Chicago an und die Melodie das Zeug aus Detroit. Die Beats in Detroit sind oft komplexer, weil sie auch als andere Einheiten in der Bauweise eines Songs benutzt werden, der Beat in Chicago ist meistens nicht so komplex, er ist einfach, sehr effektiv und sehr ansteckend. Es sind dann die Melodien, welche die verschiedenen Emotionen in den Track bringen, wohingegen die Melodien in Detroit sich um den Track herumwickeln und sich fast wie ein Beat verhalten, das ist ästhetisch sehr interessant. Dann gibt es merkwürdige Hybriden wie von K.Alexi, die irgendwo dazwischen liegen. Oder Leute wie Scott Grooves, die zwischen New York und Chicago sind, er ist ganz unbeschreiblich. Man hatte also zu der Zeit verschiedene Produzenten, die auf Eigenarten der Sounds in ihrer Entwicklungsphase trafen, bevor die Neunziger die Zeit war, wo beide Szenen sehr aktiv und fruchtbar waren. Man hatte da fast den Anfang der brillanten Karriere von Glenn Underground und seinem Output, weil zu der Zeit Cajual passierte, danach Prescription und Balance. Man hatte alle diese Produzenten, die den Grundstock von dem herausbringen konnten, was wir jetzt als House kennen. Wenn man den Vorteil hatte, an dieser Chicago-Herangehensweise geschult zu sein, bekam man anschließend keinen Respekt, wenn man als DJ nur Songs gespielt hat, die man mit dem Pitch angleichen konnte, denen Midi, Timing oder Sequencer beigefügt waren. Tracks mit Wechseln, Funk, Soul, Disco, wenn man das mixen konnte, zeigte das deine Fertigkeiten und du bekamst als DJ Respekt. Und jeder machte das, wirklich jeder. Es gab so viele Bedroom DJs in Chicago, das war schon fast lächerlich. Viele sind jetzt Mittdreißiger oder Vierzig und machen das immer noch, weil sie House lieben. Ich war gesegnet, weil ich meine Wurzeln verlagern konnte. Ich brauchte ein wenig Zeit, um in die Szene in Detroit zu kommen und jetzt bin ich ein bisschen der Außenseiter in Chicago. Aber weil ich dort eine Geschichte habe, ist es nicht so schlimm. In lebe in Detroit, ich gebe mein Geld da aus, meine Frau kommt von da, das ist jetzt mein Zuhause. So eine bewusste Sache ist das auch nicht, aber wenn ich ein Set zusammenstelle, wie jetzt z. B. für Berlin, dann weiß ich, dass es nicht so viel Sinn macht, viele Platten aus New York einzupacken, oder L.A., selbst aus anderen Teilen von Europa. Höchstens ein paar Tunes die passen, unbestritten sind und nicht so regional konnotiert sind. Es gibt aber auch einen bestimmten Anteil Geschichte, an den ich sehr gewöhnt bin und es ist manchmal einfacher bequemer für mich, entsprechende Songs zusammenzustellen und diese funktionieren auch als Referenz für Geschichte. Wenn ich einen Edit von „Jungle DJ“ spiele, ist das ein Hinweis an viele andere Tracks, die gerade im Umlauf sind. Ich kann zeitgemäße Stücke mit älteren Sachen mixen und eine Geschichte erzählen, so dass Leute, die auf eine Party kommen auf der ich spiele, nicht das Gefühl bekommen einer DJ-Performance beizuwohnen, sondern dass da etwas ist, das geteilt wird. Kommt rein und amüsiert euch. Weil es Geschichte ist, mit der ich gut vertraut bin, besteht eine gute Chance, dass ich das in einer Art präsentieren kann, die für euch annehmbar und unterhaltsam ist. Das ist so die Geisteshaltung die ich annehme, wenn ich mich als DJ vorbereite.
Du ziehst also in Betracht in welcher Stadt Du spielst und welche Tradition es dort gibt?
Sehr. Ich gucke mir nicht unbedingt online an, was die DJs so spielen aber ich bin mir sehr bewusst, dass es in jeder Region Dinge gibt, die man kennt, Tracks, die man produziert und die dort Sinn machen. Ihr lebt und arbeitet dort und ich werde nicht mit euren Spielsachen spielen. Aber wenn ich Spiele von einem anderen Ort spiele, mache ich vielleicht Leute glücklich, die dafür bezahlt haben. Wenn ich in einem Club meiner Heimatstadt bin und es kommt jemand von hier will ich nicht unbedingt meine Lieblingshits von Produzenten aus Detroit hören, ich habe sie oft gespielt, ich war da im Studio jeden Tag, ich habe gehört wie sie das irgendwo spielen. Ich möchte wissen was an anderen Orten los ist, was haben sie dort zu sagen. Das ist der definitive Unterschied, weil es scheinbar generell eine enorme Fixierung auf Detroit und Chicago gibt und man Musik von dort in Europa viel spielt, wird daraus eine Frage, inwiefern man mit dieser Musik und ihrer Geschichte vertraut ist. Es gibt die Hits, aber was ist mit den Sachen die man übersehen hat oder die neu sind, den Referenzen und den Traditionen? Ich glaube dass man, um Dinge in dieser Tradition zu tun, von diesem Ort sein muss, dessen Bedingungen ausgesetzt sein muss, weil die Bedingungen als Schwarzer in Detroit oder Chicago völlig anders sind als sonstwo in der Welt. Nicht mehr, nicht weniger, einfach anders. Wenn es etwas Spezifisches, Einzigartiges an dieser Erfahrung gibt, die man braucht um neue Musik zu machen die sich auf diese Referenzpunkte bezieht, brauchst die richtige Sichtweise, du musst von da kommen und es kennen um es wirksam in die Tat umzusetzen.
Bei der Integration dieser Traditionen in Deine Arbeit als Produzent und DJ hilft es sicherlich, dass Du zu der Generation gehörst, die in Echtzeit miterleben konnte, über welche Entwicklungsstufen von tanzbarer Musik nach Disco das Fundament gelegt wurde, auf dem der Sound immer noch basiert.
Genau. Das ist sehr interessant, wie das lief. Es sieht so aus, dass bei der Menge von Neuerscheinungen, ausprobiert und so befunden, nicht derartig viele bahnbrechende Songs dabei sind. Es gab Zeiten, da kam ein Song heraus und hat die Regeln geändert. Jetzt gibt es soviel Output in der allgemeinen Öffentlichkeit, der Markt ist überflutet mit all diesen Produzenten. Jemand sagt, ich habe ein Konzept und das setze ich um aber es gehört mehr dazu als zu begreifen wie was klingt und wie man das hinbekommt. Wie lebt man das? Was bedeutet das für dich, jeden Tag? Was ist deine Geisteshaltung? Es ist viel wichtiger einen spezifischen mentalen Ort für sich zu finden, vor allem wenn es um neue Songs, neue Musik geht, in dem man sich hinterfragen kann. Wo stehe ich? Was passiert? Was stellt das mit mir an? Was immer das mit dir anstellen mag, sei ehrlich wenn du das mit deinen Fähigkeiten in Output übersetzt. Das ist ein ganz schöner Prozess aber viele Leute überspringen das und sagen sich, ich weiß wie ich etwas machen kann das so und so klingt und dann zack zack zack… Ich bin ein Star. Ich glaube dieses Instant-DJ-Producer-Stardom-Ding ist ein doppelschneidiges Schwert. Damit meine ich beispielsweise Amerikaner die in Übersee Bookings haben wollen, viele wollen das, und sagen, ich bin aus Detroit, ich bin aus Chicago, ich bin aus New York, ich bin aus so und so, ich kenne den und den, daher bin ich gut. Dann kommen sie rüber und sind Durchschnitt oder schlimmer, das schafft Probleme für den Booker und lokale DJs und den Ruf der Herkunftsstädte. Nur weil man aus Detroit kommt, ist man nicht notwendigerweise gut. Man muss sich zuhause am Standard messen und sicherstellen, dass man bereit ist woanders hinzugehen.
Es gibt eine Verantwortung, die man akzeptieren sollte.
Das ist richtig. Man befindet sich am Ende einer Abstammungslinie von wirklich großartigen DJs denen man da nachfolgt, da muss man sein absolut Bestes geben. Dass heißt nicht, dass man dabei technisch perfekt sein muss. Ehrlich, man muss ehrlich sein. Wenn es mal nicht passt, kein Problem. Wenn die Platte springt, kein Problem. Gib einfach dein Bestes und alles funktioniert auch dementsprechend. Aber wenn Leute sagen, ich verdiene das, weil ich das schon so und solange mache, da ist vielleicht was dran, aber wenn du so und solange nicht gut warst, dann warst du einfach nicht gut. Du hast keine Berechtigung. Das andere Phänomen ist, ich habe so und soviel Platten produziert, deswegen verdiene ich so und soviel Gigs als DJ. Das stimmt nicht unbedingt. Wenn du seit zehn Jahren produzierst und seit drei Jahren auflegst, solltest mit letzterem nicht soviel Geld machen können. Du solltest weiter Platten verkaufen und deinen Stil als DJ entwickeln, wenn du das auch wirklich machen willst. Es ist sehr sehr selten, dass Leute, die mindestens genauso lang oder halb so lang auflegen wie sie produzieren, beides gut machen. Es gibt jetzt viel so Sachen wie den regulären Studiomusiker, der sonst nur Bass spielt, und jetzt nur noch House machen will. Die sehen einen Markt und eine Möglichkeit da ranzukommen. Du musst die Kultur verstehen. Es gibt einen nivellierenden Faktor für all das und das ist die Zeit, die du auf der Tanzfläche verbracht hast.
Als Tänzer?
Als Tänzer oder Hörer. Du musst nicht unbedingt der Boogie Master sein, aber du solltest auf jeden Fall Zeit darauf verwenden zu verstehen und zu beobachten wie Musik auf dich wirkt. Eine Echtzeitsituation mit einem DJ und einem Soundsystem, so dass du verstehst was eine Party ist bevor du losgehst und sagst, ich werde eine Party rocken.
Ist das eine Tradition die verschwindet? Leute überspringen die Tanzfläche und den Club und fangen gleich an?
Sie umgehen das alles. So wird enorm viel der Geschichte von alldem wegradiert. Leute waren nie auf Partys, wissen nicht was eine Party ist, wissen nicht mal wie ein Party aussieht wenn sie eine besuchen. Das ist das eine. Das andere ist, da bin ich mal des Teufels Advokat, Clublife ist nur Clublife. Es ist nicht die wichtigste Sache, die Leute mit ihrer Zeit und ihrem Leben machen können. Das ist die Wahrheit. Aber sie hat das Potential einem sehr wichtigen Zweck zu dienen, wenn jemand mit der Absicht hereinkommt den ganzen Dampf abzulassen. Was so im Leben passiert, eine schlechte Woche, aus dem Job rausgeschmissen, Schmerz, einfach müde von der Plackerei. Es ist wichtig, dass es einen Ort gibt, wo man das äußern kann. Und zwar offen und frei äußern. Wo man sich keine Sorgen machen muss wie man aussieht, wie man sich aufführt, was man für Sachen anhat, sowas. In gewisser Hinsicht kann ein Club da helfen. Wenn es im Club aber keine ernsthafte Einstellung zu Spaß gibt, und ich meine damit nicht eine Kinn kratzende, trainspottende, „Wer ist gut und wer nicht“-Beurteilung, das ist nicht wichtig…aber gibt es Spaß? Entschuldigen sich die Leute, wenn sie jemanden anrempeln? Wenn ein Mädchen betrunken in der Ecke liegt, hilfst du ihr auf? Wenn ein Typ ein wenig zuviel getrunken hat und er poltert in den DJ, nimmst du ihn beiseite und sagst ihm, hey, lass den Mann seine Arbeit machen? Eine gewisse Höflichkeit, erkennen dass alle da sind um eine gute Zeit zu haben. Im Auge behalten, dass alle Spaß haben. Promoter beispielsweise, es gibt welche die kümmern sich nicht darum wer an der Tür steht. Manchmal sind das Arschlöcher. Aber es sind verständlicherweise diejenigen, die mit dem schlechtesten Teil der Party zu tun haben. Wenn es Ärger gibt, sind sie dran. Wenn jemand verletzt wird, sind sie dran. Sie müssen sicherstellen, dass das nicht passiert. Der Promoter muss aber ebenso sicherstellen, dass der Türsteher versteht, was das Spezielle an der Party ist auf der er arbeitet, auch wenn Clubnächte gar nicht mal so speziell sind.
Leute, die zu Deinen Shows kommen sind oft Fans, die Deine Platten schon länger kaufen. Hast du dennoch das Gefühl, dass ein gewisser Mangel an traditioneller Cluberziehung sich auch auf Dein Publikum auswirkt?
Ziemlich sogar. Ich schätze es wirklich sehr, wenn Leute sich meine Sounds angehört haben und dann kommen aber es könnte sie vielleicht schockieren, dass ich bei vielen von meinen Sachen, mehrere Jahre nachdem ich sie gemacht habe, gar nicht weiß wie ich sie spielen soll. Ich bin mir als Produzent manchmal weiter voraus, als ich als DJ folgen kann. Ich mache manchmal Sachen, die ich nicht mal selbst spielen kann, nur weil ich dachte ich müsste das so machen. Da brauche ich als DJ manchmal Jahre um aufzuholen, um zu sagen, jetzt weiß wie ich das spielen kann. Zum Beispiel machte Ron Trent vor langer Zeit diesen Song auf Prescription, „Programmer’s Use Only“, und für die ersten zwei Jahre, die ich die Platte hatte, wusste ich nicht wie ich sie spielen sollte. Ich wusste nicht wo ich das platzieren sollte und bei dem Song ging es spezifisch um Aneinanderreihung und Platzierung. Ich fand das dann schließlich raus und drei Jahre später hab ich es dann wieder vergessen, musste wieder aufholen und jetzt weiß ich ziemlich gut wie ich sie spielen muss und es ist ein Kratzer in der Platte (lacht). Es gibt Tracks von mir, die mag ich als Output und als Ausdruck, aber ich mag sie nicht als DJ. Ich mag es, sie mir anzuhören aber ich werde sie nicht spielen, ich weiß nicht wo sie reinpassen. Und dann gehe ich den Club und jemand spielt sie und ich denke, SO spielt man den Song! Wow! Es ist wirklich irrelevant, ob jemand der kommt um dich zu hören Fan ist. Wenn es keine Fans sind, nimmt es irgendwie eine Menge Bullshit weg, weil man mit vielem durchkommt, wenn die Leute schon länger alles verfolgen was du machst. Das ist manchmal eine falsche Vorstellung von dem, was du tun kannst. Jetzt gibt der DJ als Produzent fast ein Konzert und das wird beinahe erwartet. Du buchst jemand der so und soviel Songs produziert hat und wenn er kommt, spielt er die bekannten davon. Das ist etwas, an dass ich wirklich nicht glaube. Die Songs, die ich mache um sie zu spielen, spiele ich. Aber auf keinen Fall wird es ein Theo Parrish-Konzert. Ich glaube, das wäre schrecklich langweilig. Ich mache manchmal Songs, die mit anderen Songs gespielt werden sollen, aber ich mache sie nicht, um mit meinen Songs gespielt zu werden. Ich denke, wenn du auf eine Party gehst und die Musik die du hörst ist zu 85 Prozent der Output von einem DJ der auch Produzent ist, dann hast du eine langweilige Nacht. Das kann ziemlich langweilig sein.
Demnach hat der Laptop auch nichts in der DJ-Kanzel verloren? Ist das ebenso langweilig?
Wenn du sowas benutzt und es dir sonst auch alles zuviel Aufwand ist mit dem Auflegen, okay. Nur denk bitte daran, dass du faul bist (lacht). Das ist alles. Vergiss das nicht. Versuch nicht, das zu einer super-pseudo-intellektuellen, politischen Sache zu machen. Das ist es nicht. Es ist ganz einfach, es ist Faulheit.
Das Argument mit Multitrack-Möglichkeiten und komplexeren Sets zieht bei Dir nicht?
Faul.
Es ist faul.
Es ist faul, das ist alles. Wenn du mehr als Platten spielen willst, du benutzt Keyboards, du singst drüber, das fordert dich heraus, das respektiere ich. Total. Weil du Sachen machst, die du mit nur zwei Plattenspielern nicht machen kannst. Das verstehe ich. Aber wenn du nur auflegst und du hast deinen ganzen Katalog und alles was du überhaupt jemals haben kannst in deiner Kiste, umgehst du einen essentiellen Teil des DJ-Ablaufs, und das ist die Auswahl. Es ist Teil der Kunst und Teil der Herausforderung, vor einem Gig nur so und soviel Zeit und Platz für so und soviel Platten zu haben. Kannst du das, was du zu sagen hast, mit einer bestimmten Menge an Platten mitteilen?
Einschränken und festlegen.
Kannst du dich einschränken? Wenn jemand sagt, je größer die Auswahl, desto schwieriger ist es auch aufzulegen, das regt mich auf. Meiner Meinung nach stimmt das nicht. Wenn ich meine ganze Sammlung zu einer Party mitnehmen sollte, würde es das schwieriger oder einfacher machen? Es würde es einfacher machen. Du könntest tatsächlich rauspicken was wann funktioniert, aber das ist sowieso Zauberkunst. Du entscheidest das nicht, die Crowd entscheidet was passiert, nicht du.
In welchem Verhältnis dazu steht Improvisation? Leidet die Herausforderung, die Gunst des Augenblicks zu erkennen?
Improvisation liegt nicht in der Natur vom Weg des geringsten Widerstandes. Wenn Auflegen nur noch funktional ist, dann ist es nur noch ein Job.
Dann ist es eher wie eine Jukebox.
Eben. Wie eine Jukebox. Es ist wahrlich wie ein 9 to 5-Job. Ich bin natürlich froh, dass das auch mein Job ist. Der eine Teil vom Job ist Reisen und Sicherstellen, das man irgendwo hinkommt und wieder zurück nach Hause. Der beste Teil vom Job ist natürlich auf der Party zu spielen. Aber wenn du zum Auflegen ein ganzes Marketingsystem brauchst, das DJs das Leben total erleichtert, dann solltest du nicht auflegen. Ich finde, dann solltest du was anderes machen. Lass es sein und überlass es denjenigen, die gewillt sind den Aufwand auf sich zu nehmen Vinyl mitzubringen und diese Tradition am Leben zu erhalten. Manche mögen sagen, was ist mit fortschrittlich sein, iPods und was auch immer. Ich sage, klar, aber wenn niemand sonst dies unterstützt, diese Kunstform unterstützt, dann verlieren wir die Verantwortung die wir alle übernehmen müssen. Wenn es nur Technologie um der Technologie willen ist, dann müssen wir das hinterfragen, während alles wir tun ist, effizient zu sein. Effizient zu sein ist nicht notwendigerweise menschlich. Das ist etwas, was Menschen ersonnen haben, um aus Zeit Kapital zu schlagen. Das haben Menschen ebenfalls erfunden. Dabei ist, wenn du in den Club gehst, ist die beste Erfahrung die einer Vorstellung von Zeitlosigkeit. Und wenn du dann da bist und eine Person bedient den Laptop und sieht dir nicht ins Gesicht, dann betätigt sie sich nicht körperlich. Das hat auch was mit den Händen zu tun. Du musst deine Hände und deinen Geist benutzen um etwas zu erschaffen. Wenn die Bewegungen deiner Hände nicht länger benötigt werden, wird es irgendwann Computer geben, die du in deinen Nacken einstöpselst. Du kommst zum Gig, schaltest dich nur ein, los geht’s, und stehst da (lacht). Sowas will ich nicht sehen, das ist keine Performance (lacht). Auch wenn es beim Auflegen nicht unbedingt darum geht gesehen zu werden, geht es doch trotzdem darum, gehört und gefühlt zu werden. Und sie haben immer noch keinen Weg gefunden, dass diese Laptops besser klingen als Vinyl. Und es gibt keine Gefährdungen. Ich erinnere mich als DJ an Gefährdungen. Du bist auf einer Party und es passiert etwas, eine Schlägerei, und du musst rennen. Sogar bei diesem Rave-Ding in den mittleren 90ern, die Polizei rückt an du es sind tausende von Leuten an einem illegalen Ort und du nimmst deine Platten und rennst. Du weißt ganz genau, was du tun musst. DJs waren immer für ihre langen Unterarme bekannt, vom Schleppen all dieser Platten. Und nun werden alle faul und das irritiert mich irgendwie. Wenn du ein älterer DJ bist, mit Leuten die zu dir aufschauen, und du hast deine Karriere auf Vinyl aufgebaut, du hast all diese Jahre Vinyl gespielt und dann kommen jüngere DJs und sie haben Laptops. Aber lehren sie etwas über die Kunst des Auflegens? Kannst du wirklich diese Besessenheit mit diesem ganzen Vinyl übertragen? Da ist nicht nur ein Song oder eine Information. Es gibt Referenzen, Referenzpunkte. Du weißt nicht einmal wie die Künstler aussehen. Ich finde es immer noch wichtig zu wissen, wer diese Songs gemacht hat. Wenn du jünger bist und du willst diese Sache vorantreiben und du kannst dich mit jemanden identifizieren. Oh, so sehen die aus, die sehen aus wie ich. Das kann ich auch leisten. Du weißt manchmal gar nicht wie viele Inspirationen du pflanzt wenn du repräsentiert wirst. Selbst wenn es keine körperliche Inspiration ist, über das Aussehen, vielleicht hat man die mentale Repräsentation, eine Kunstform oder ein Image, etwas dass der Künstler vermitteln will. Das ist immer noch wichtig. Mit einem Laptop geht das alles verloren. Niemanden wird es interessieren wie dein Albumcover aussieht, es ist nur File 999. Es geht dann nur noch um die Musik, fein, aber du machst es auch billiger. Du bist ein Künstler im Jahre 2006 und du bist unabhängig, was ist dein Antrieb? Was machst du? Machst du Musik für umsonst? Jetzt machst du nur Kompromisse über deine Zeit aber willst du dann zu einem Major und gehst Kompromisse ein hinsichtlich deiner Kunst? So geht die unabhängige Musik zu Boden. Gut, du kannst eine Download-Firma sein. Aber wen kümmert es wenn du einen Song runterlädst und ihn der halben Welt gibst? Das hilft nicht, das ist finanziell unverantwortlich das zu tun.
Ist von dieser Entwicklung nicht nur das Auflegen, sondern auch das Produzieren betroffen? Bringen Leute zu viele Sachen zu schnell raus? Denkst du, dass Du dir mehr Gedanken machst bevor Du etwas veröffentlichst als der durchschnittliche Laptop-Producer?
Vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Es ist vielleicht anders in punkto Studioarbeit. Im Studio hast du eine Maschine, ein Sample, eine Stimme die du auf einen Beat legen willst. Früher musstest du das Sample zerteilen und an den Beat anpassen, all die verschiedenen Tempos. Dann kamen sie mit Timestretching und vielen noch anspruchsvolleren Sachen. Jetzt hast du Programme, mit denen du auch als schlechter Sänger alle Lagen triffst, nimm da wen du willst (lacht). Das ist in Ordnung, hab ich kein Problem mit. Solange es originelle Songs sind, ist mir egal wie sie gemacht wurden. Ich persönlich würde es vorziehen Songs nicht so machen, das ist nicht so mein Ding. Es macht hörbare und physische Sachen zu visuellen. Ich denke schon darüber nach. Ich bin versucht, ich bin sehr neugierig. Aber ich muss beim Produzieren Sachen anfassen können. Ein anderer Typ sucht sich vielleicht online alle Samples zusammen, diese Programme bei denen du alle Programme auf einen Blick hast und Wege sie zusammenzubauen. Oder das Programm macht auch das von selbst. Okay, toll, du hast einen Track gemacht. Aber was hast du gelernt? War es eine Erfahrung? Wurdest nur dadurch schon inspiriert, dass du einen Song gemacht hast? Es ist schon anders wenn man Geräte aufbaut und Kabel anschließt und herumprobiert. Du verbindest Geräte, du willst, dass eine Maschine zur anderen spricht und dabei kommen merkwürdige Sounds bei raus, was machen wir damit? Mikroprozessoren brennen durch, was kommt dabei heraus wenn ich Mikrofone anders platziere, all diese Methoden, physische Sachen, das interessiert mich. Manche Leute finden es anti-intellektuell, wenn was zu physisch ist. Wir wollen nur noch intellektuelle Wesen sein, wir gehen von dem weg was wir sind und wir sind in Wirklichkeit auch nur Tiere. So kommen wir an einen Punkt, wo wir uns fragen wie menschlich wir überhaupt sein müssen. Warum lassen wir nicht einfach ein Programm die Platten spielen, drücken „Shuffle“ und „Automix“ und das spielt das dann nach dem Zufallsprinzip und das ist dann deine Auswahl? Da gehen wir gerade hin. Es geht bald nicht mehr um Musik, sondern um Menschlichkeit. Warum noch singen und tanzen, warum bleiben wir nicht zuhause und stellen uns das vor? Weil das menschliche Erleben etwas Besonderes ist. Das ist der gemeinsame Nenner. Man kann den ganzen Tag Geräte benutzen die tun, was Menschen tun, aber deren Erleben können sie nicht imitieren. Es ist einzigartig und ohne diese Einzigartigkeit fliegt alles auf dem Musik sich gründet aus dem Fenster. Die Menschen sind zu besessen von Technologie. Techno, Techno, Techno, mehr Technologie, mehr Technologie, mehr Technologie. Aber man schneidet sich ins eigene Fleisch.
Das rächt sich?
Klar. Benutzt der Mensch einen Roboter, um einen Song zu machen oder wird er selbst ein Roboter? Ich denke da gehen wir mehr und mehr hin. Wir kompromittieren unsere Menschlichkeit für ganz einfache Sachen. Wir brauchen keine Technologie um was zu erschaffen. Technologie braucht unseren Input um kreativ zu sein. Wir sind auf natürliche Weise kreativ. Es ist seltsam. Manche sagen, das ist nur ein Werkzeugkasten. Stimmt, aber es ist ein sehr gefährlicher Werkzeugkasten und ein sehr mächtiger. Er hat die Macht, deine Fähigkeiten zu negieren. Es wird unnötig deine Fertigkeiten zu auszubilden. So wie Üben beim Auflegen, es geht um mehr als zwei Songs aneinanderzupassen. Auch dieser ganze Vorgang des besessenen Sammelns. Und wie erreicht man im Studio, das diese Maschine diese Ansammlung von Samples spielt. Ein Keyboard ist nur eine Ansammlung von Samples. Wie wird dieses Gerät intuitiv? Du kannst nicht soviel Musik aus dem 21. Jahrhundert hören, die ein gutes Beispiel für wahre Intuition gibt, dafür musst du etwas weiter zurückgehen. Du kannst nicht lernen wie man ein Piano spielt anhand von der meisten Laptop-Musik. Aber du kannst dich hinsetzen, eine Stevie Wonder-Platte auflegen und lernen, wie man die Tasten bedient. Oder du hörst dir eine Platte von Art Blakey an und lernst wie sich ein Schlagzeug anfühlt. Aber du nimmst einen Laptop und die Musik kommt so vorbei, sie hat keine Anbindung an sowas. Spiel des Teufels Advokat. Ich möchte eine Methode für diese Maschinen, die uns kreativer macht. Man muss diese Herausforderung annehmen, ihre Macht respektieren und das zum nächsten Level führen. Wir können nicht einfach den Laptop gegen den Mixer oder das Vinyl eintauschen. Integrier Sachen. Sobald du mehr integrierst als zwei Songs zu spielen oder drei und vier, weil das alles schon gemacht wurde, und es woanders hinführst, dann wird es eine Unterstützung sein. Beim Produzieren, mach nicht nur einen Song, mach DEN Song. Ich habe noch keinen Song mit Live-Sound in diesem Format gehört, der alles herausfordert was jemals gemacht wurde. Und ich würde gerne eine kreative Rechtfertigung für all die technischen Weiterentwicklungen hören. Meiner Meinung nach machen sie uns tatsächlich nur fauler (lacht).
Es macht für Dich keinen Sinn, Deinen Sound mit einem anderen Gerät nachzubilden oder zu erarbeiten wenn Du dafür zahlreiche Plug-Ins brauchst und darin erfahren bist, das auch anders zu erzielen?
Das ist die eine Sache. Die andere ist, dass eine Menge Leute, die Tracks machen, nicht daran interessiert sind, Musiker zu sein und das ist eine merkwürdige Sache. Und nun hat man eine Menge Leute, die Musiker sind und den Ehrgeiz haben, Tracks zu machen und das ist eine sehr merkwürdige Sache. Du hast ausgebildete Musiker die Tracks machen wollen, weil es schick und ihrer Meinung nach lukrativ ist. Noch interessanter ist, dass sich die meisten Leute gar nicht um Sachen scheren, die nicht menschlich sind. Die meisten Leute würden sich keinen Roboter anschaffen um ihn spielen zu sehen. Das wäre vielleicht im frühen 20. Jahrhundert interessant gewesen. Jetzt haben wir Roboter in unserer Tasche, mit GPS (lacht). Sie sagen uns wo wir sind und wo wir gewesen sind, sie machen Bilder und Filme. Wir sind laufende Mediacenter. In den letzten zehn Jahren, das war schon eine ganze Menge Technologie.
Bist Du an diesen Science-Fiction Konzepten interessiert mit denen elektronische Musik flirtet oder interessiert Dich nur die Musik als solche?
Es ist komisch, ich liebe Science-Fiction Filme, total. Ich habe neulich was anderes gesehen, und da war dieser Typ der sagt, ich mag Technologie nicht. Der andere Typ fragt warum. Und er sagt, weil ich eine Menge Science-Fiction Filme gucke und am Ende sind die Automaten immer die Bösen (lacht). Wenn du darüber nachdenkst, so wie bei „Terminator“ oder „Star Wars“, Darth Vader ist zum Teil Roboter und seine Seele ist verdreht weil er seine Menschlichkeit kompromittiert hat. Aber er ist verdreht weil er nur halb Roboter ist, die tatsächlichen Roboter wie R2D2 und C3PO sind menschlicher als Darth Vader, weil er diesen Konflikt hat (lacht). Aber die mächtigsten Figuren waren der Imperator und Yoda. Der Imperator konnte aber auf natürliche Weise mit seinem Dunkel und Hell-Part umgehen. Und das ist es. Wir brauchen keinen Roboter-Anteil um mit unserer anderen Seite umzugehen, es ist schon auf natürliche Weise in uns. Oder „Event Horizon“, mit dem verschollenen Raumschiff. Und am Ende ist das Böse wieder die Maschine. Es ist immer die Maschine. Und die Menschheit wird im Science-Fiction Kino meistens korrumpiert, wenn etwas Hypernatürliches auf etwas Hypertechnisches trifft. Aliens. Sie versuchen, diese Biester fürs Militär nutzbar zu machen und sie radieren die Kolonie aus. Das Thema variieren sie dann für ein paar Filme und dann kreuzen sie menschliche mit Alien-DNA, einfach weil es möglich ist. Es ist nicht so, dass Technologie unser Feind ist, wir sind bloß zu verantwortungslos um zu lernen, wie man sie richtig benutzt und dann tendiert man nur dazu, Dinge anzusammeln. Wenn du ein Mobiltelefon kaufst und es geht kaputt, gehst du los und kauft ein neues. Und dann geht das kaputt und du kauft wieder ein neues und noch eins und noch eins. Es wird einfach Konsumkultur. Ein Jugendlicher in Brasilien oder Afrika hat vielleicht schon mal ein Mobiltelefon gesehen oder weiß was das ist, aber es wirkt sich nicht unbedingt auf sein Leben aus, sein Überleben hängt von anderen Dingen ab. In der westlichen Welt setzen wir all die Technologie, das Geld und die Möglichkeiten voraus und werden süchtig nach Lifestyle. Wir sehnen uns nicht unbedingt nach unserer eigenen Menschlichkeit sondern nach der Illusion davon und ihrer Bequemlichkeit. Wir benutzen Mobiltelefone weil wir es intim finden eine Stimme im Ohr zu haben, aber warum gehen wir nicht los und reden direkt mit jemandem? Oder Internet, MySpace. Wir kommunizieren ständig vor und zurück, mit merkwürdigen Resultaten. All diese Kindermörder. Niemals zuvor in der Geschichte gab es einen Ort oder eine Zeit, wo bestimmte Gruppen derartig interagieren. Und dafür gibt es auch Gründe. Wenn du eine dreijährige Tochter hast gibt es keinen Grund warum ein irgendein Mann oder dein Geschäftspartner mit ihr sprechen können sollte ohne dass du dabei bist. Wenn solche Barrieren fallen, passiert sowas. Es gibt gesellschaftliche Probleme die wir ohnehin schon nicht verstehen und Technologie kommt dann noch dazu. Es kann für gute Sachen benutzt werden, es kann Menschen zusammenbringen, aber es kann auch in einem sehr kranken Sinn benutzt werden. Ein zweischneidiges Schwert.
Kommunikation ist gut, aber mit Einschränkungen?
Effizienz ist gut fürs Geschäft und schlecht für Menschen (lacht).
Wie verhält es sich mit Konventionen? Du erwähntest Deine Bewunderung für Platten, die in den Pioniertagen von House Regeln gebrochen haben.
Regeln brechen!
Hast Du auch den Ehrgeiz so vorzugehen? Sich etwa nicht darum kümmern, ob was spielbar ist?
Das kümmert mich nicht. Wenn was spielbar ist, gut. Meiner Meinung nach geht es nicht darum ob etwas spielbar ist, sondern vielmehr welcher DJ den Mumm hat es spielbar zu machen. Manche Sachen sind nicht für jeden gemacht. Manches ist für den Massenkonsum gemacht, die meiste Musik von mir nicht. Wenn eine Menge Leute Sachen mögen ist das großartig, dann haben sie mich verstanden, aber ich denke keinesfalls, „Oh, jeder wird das hier mögen!“ Ich kann diesen Gedanken nicht haben, sonst werde ich fade und ich werde das mögen was ich tue. Das wird aber sowieso nicht passieren. So wie es ist werde ich nicht mögen was ich tue, um mich motiviert zu halten. Regeln zu brechen und die Art und Weise zu ändern, wie Leute über diese Musik denken, ist immer eine wichtige Herausforderung, der man sich von Zeit zu Zeit stellen sollte. Du musst wirklich entscheiden. Wenn du im Begriff bist nach den Regeln spielen, dann spiel nach den Regeln. Wenn du nicht im Begriff bist nach den Regeln zu spielen, mach deine eigenen, brich so viele bestehende wie du kannst und noch wichtiger, brich deine eigenen. Immer und immer wieder. Brich sie nochmal. Brich sie jedes Mal wenn du an die Decks gehst und brich sie jedes Mal wenn du ins Studio gehst. Du musst deine Regeln brechen.
Macht Dich dieser Anspruch zu so einem extrovertierten DJ?
Das ist komisch. Ich peile das gar nicht an, das ist das was ich gelehrt wurde. Beim Auflegen ist deine Verantwortung Nummer eins zu sicherzugehen, dass die Leute die dorthin gekommen sind eine gute Zeit haben. Die zweite Verantwortung ist, sie zu bilden. Drittens, schaff dein Ego aus dem Weg. Aber das Wichtigste ist, dass du dein Arbeitsumfeld so aufstellen musst, dass du gut klingst. Manchmal, wenn du Emotionen benutzt um etwas im Raum aufzubauen, kann dein Sound leiden. Das ist manchmal okay, aber manchmal wenn du das machst, und du arbeitest nicht richtig mit der Party, dann machst du nur Lärm (lacht).
Es gibt immanente Fehler, mit denen Du haderst?
Ständig! Ich mache Fehler links und rechts. Ich lasse Systeme bluten, eine meiner größten Stärken. Ich arbeite daran, da aufmerksamer zu werden. Okay, wenn ich mit dem EQ arbeite, versuche ich mein Ego da rauszuhalten, versuch ich nicht irgendwas mitzuzählen, versuche ich mir vom Song sagen zu lassen was ich raus- oder reinbringen soll und ich versuche auch das mit dem abzustimmen, was auf der Tanzfläche passiert. Ich versuche, nicht nur an den Reglern rumzudrehen und den Song selbst zu den Leuten sprechen zu lassen. Danach – wenn ich sehe dass ich mit dem Song zu den Leuten sprechen kann, oder mit den Leuten zu dem Song, und es geht los und es wird verrückt – lass es gut klingen (lacht)! Das ist der Balanceakt und ich will weiterversuchen, darin gut zu werden. Die Übersicht behalten. Wenn ein neues Element kommt, jetzt tanzen alle oder haben wir mehr Leute die herumstehen und zuhören, oder Leute die teilweise tanzen und teilweise zuhören. Ich mag es lieber wenn die Leute tanzen, tanzen, tanzen, tanzen, weil es das ist was ich kenne und verstehe. Aber wenn ich voranschreiten will und es mit den neuen Leuten abstimmen will die hereinkommen, kann ich sie nicht nochmal nach 1986 mitnehmen. 1986 ist fort. Wir sind hier um das auszubalancieren. Was Leute jetzt machen, benutze jetzt. Sie hören zu, tanzen dann oder tanzen und hören dann zu. Dann ist es meine Verantwortung das zu beachten. Es geht nicht um die Änderung dabei, behalte nur im Kopf dass es so da ist.
Deine Veröffentlichungen bieten eine ganze Palette an Sounds. Reduktion, Tiefe, Live-Feeling. Repräsentiert das Phasen in Deiner künstlerischen Entwicklung oder gibt es bewusste Entscheidungen, etwas mit was anderem abzulösen?
Komisch, dass du das sagst. Eine Zeit lang hatte ich so viele verschiedene philosophische Ansätze und Verlagerungen während ich Musik gemacht habe. Als ich anfing war es so…Was habe ich hier? Klingt gut, raus damit. Egal, wie es klingt. Danach war es eher wie…ich bringe es raus wenn es so klingt wie es klingen soll und warte eine Minute. Okay. Nach ein paar Wochen schaute ich zurück und dachte, das war langsam, das war schnell, das war langsam, das war langsam. Also: langsam, schnell, langsam, schnell, langsam, schnell. Dann kam…Okay: organisch, synthetisch, organisch, synthetisch, organisch, synthetisch. Dann geriet ich in eine Phase mit nichts davon außer, komm als Produzent zurück, geh hinter die Kulissen. Also fing ich da mit den Rotating Assembly-Sachen an und machte all die Kollaborationen.
Um andere Perspektiven auszuprobieren?
Genau. Und um ein paar mehr Regeln zu brechen. Lasst mich mit ein paar Musikern arbeiten und sowas, das war eine umfangreiche Lernerfahrung. Da kam ich vom Samplen von Takten und Beats, Benutzen von Keyboard und Sequencer, und nun musste ich das live spielen, im Takt, immer und immer wieder, mit einem Gitarristen, ein Schlagzeuger und einem Bassisten. Ich musste den Groove irgendwie halten oder es wenigstens versuchen es für diese sehr erfahrenen Veteranen interessant zu machen, die schon mit Leuten von P-Funk gespielt hatten und mit wem sonst noch. Badass-Typen.
Du wurdest also ziemlich demütig ob ihrer Fähigkeiten…
Extrem demütig! Extrem demütig! Das eine ist ins Studio zu gehen und du bist der Gott des Universums oder was auch immer, aber wenn du mit anderen Leuten reingehst, Live-Musikern, wird dir wirklich klar, DJs sind Heulsusen. DJs und Produzenten sind Heulsusen. Diese Live-Musiker spielen hier sechzehn Nächte am Stück und kriegen nicht mehr als 200 Dollar pro Auftritt. Und das ist ein guter Gig! Es ist was anderes. Sie spielen dafür die ganze Nacht live. Ich bekam einfach eine Menge Respekt vor diesen Leuten. Also das bewirkte, dass ich weniger samplete. Davor habe ich nicht wirklich verstanden, was ich da nahm. Ich nahm die ganze Sache der Leute. Einfach aus der Hüfte heraus so zu spielen ist eine Gabe. Und wenn du sowas nimmst und einen Beat darunterlegst, bist du nur ein DJ. Du bist nicht wirklich ein Produzent. Das habe ich nicht wirklich begriffen. Ich hatte darüber gerade ein Gespräch mit Carl Craig. Darüber, dass ich das Gefühl habe, dass vieles von meinem frühen Sachen nicht so gut ist weil ich so viel sample. Aber er sagte: „Nein, das war gut, es hatte seinen Platz. Du kannst nicht zurückblicken und sagen das war Müll. Es hatte seine Momente, es inspirierte Menschen und es ist etwas wert.“ Ich weiß was er damit meint aber der Punkt ist, wenn ich zu der Zeit gewusst hätte was ich jetzt weiß, hätte ich wahrscheinlich viel weniger gesamplet. Das ist eine größere Sache, diesen angemessenen Respekt vor einem neuen Sound haben, wissen was das bedeutet und keine Ausflüchte benutzen um darum herumzukommen. Eine Komposition ist eine Komposition, das ist alles, und wenn du sie samplest, dann nimmst du sie bloß. Was dann nach dem Rotating Assembly-Album passierte war, dass ich damit touren wollte, diese Musiker hierher bringen. Es war einfach zu teuer. Kein Promoter wollte für eine achtzehn- oder vierzehnköpfige Band zahlen und nicht für eine fünfköpfige, die losgeht und das jede Nacht macht. Also beschloss ich The Rotating Assembly wieder auf Studioarbeit zu verlagern, mehr damit aufnehmen, vielleicht ein paar mehr Alben machen und es dann ein wenig später erneut versuchen. Aber in der Zwischenzeit wollte ich selbst ins Studio zurück und zu den Grundlagen gehen. Nun weiß ich, dass Sampling eine bisschen wie eine Krücke ist, was größere Teile angeht. Einzelne Sachen samplen und sie wiedereinsetzen, das ist kein Problem. Wenn man längere Takte nimmt, das funktioniert bei einigen Sachen, bei anderen nicht. Wenn man schnell einen Track aus Spaß machen will, sicherlich. Aus Spaß. Aber wenn du samplen willst, musst du diese Sachen klären. Geh durch die ganze Prozedur, gib den ursprünglichen Künstlern ihr Geld, sie haben ihren Arsch dafür abgearbeitet. Also da bin vermutlich ich jetzt angelangt, nach Rotating Assembly, in einer Phase in der ich gerade an einem Album arbeite, fast nur mit mir selbst. Keine anderen Musiker, einfach zurück zu nur mir selbst. Ich versuche das anzuwenden was ich mittlerweile gelernt habe. Ich denke dafür wird das neue Album ein Beispiel geben. Es gibt ein paar Kollaborationen und eine Menge mehr von meiner eigenen Arbeit als Produzent.
Also ist das Dein Stand der Entwicklung, zurück zur Eigenarbeit und sich auf die eigenen Fähigkeiten konzentrieren. Hast Du andererseits die Ugly Edits initiiert, um der Art Musik mit Live-Instrumenten Respekt zu zollen, die Du angesprochen hast?
Exakt, darum geht es bei den Ugly Edits. Sie wurden ins Leben gerufen um ein wenig Licht auf Songs zu werfen, die vielleicht nicht so viel davon abbekommen haben. Und auch dass die Leute diese Songs in einem anderen Licht sehen und vielleicht losgehen und diese Songs kaufen. Such nach diesem Song, nach dem Original, es ist da draußen, geh einfach und kauf es. Ich hatte nicht das Geld um sie ordentlich zu lizensieren aber ich dachte mir, ich mache eine limitierte Auflage die gerade die Kosten deckt und kann es an ausreichend Leuten bringen. Wenn man es auffliegen lässt, und alle flogen auf, kann ich es mit genug Leuten teilen. Ich habe einen hohen Preis angesetzt, damit es nicht jeder kauft, sondern die Leute die es wirklich wollten. Eigentlich wollte ich auch, dass die Leute die es kaufen sollten, und den Preis zu hoch fanden, sich das Original besorgen und ihren eigenen Edit davon machen. Eine Menge Leute in Chicago hatten das schon als Edit. „Ach, der Song. Hab ich schon. Brauche ich nicht…“ Andere Leute sagten: „Ah, hab ich. Ich hab eine andere Version davon, die ist besser.“ Das war der Punkt. Ich wollte, dass die Jungs in Chicago sich an die Edits erinnern, sie nicht vergessen, und dass der Rest der Welt erst einmal erkennt, dass sie existieren. Das war für mich ein Ansatz diese ganze Disco-Sampling-Sache umzudrehen. Was ist mit dem Original? Alles was ihr macht, ist Disco samplen und dann ein Beat drunter, fertig. Was ist mit dem Arrangement? Warum nicht ein paar Teile nehmen und was Neues daraus machen? So ist das, was ich beim Auflegen liebe. Das, was Ron Hardy hatte, Andre Hatchett. Was die meisten der DJs aus Chicago benutzt haben, Spezial-Edits.
Ist so das Ideal? Klassische DJ-Tape-Edits, oder in der Machart von Danny Krivit?
Danny Krivits Edits sind völlig anders. Sie bleiben ganz nah an der Tradition und dem Arrangement des Songs. Wenn überhaupt macht er das etwas DJ-freundlicher, verlängert ein paar Sachen. Er hat das nicht so editiert, dass er die Action und das Arrangement des Songs veränderte. Bis auf den „Melodies“-Edit von Made In USA und was er mit „Mainline“ gemacht hat. Besonders diese beiden stellten das ganze Arrangement um, und daraufhin stellten auch Leute in Chicago das um. Aber mehr so wie, wiederholen, wiederholen, wiederholen, verdoppeln, zurück, Wechsel, nochmal von vorne, wiederholen, wiederholen. Da kommt viel von diesen Disco-Sample-Sachen her, was dann bei DJ Sneak endete. Ich hatte gar nicht die Absicht, da einzusteigen. Ich wollte schnell was machen, dann rüber zum nächsten und so fort. Meine Absicht mit dem Original war, gerade soviel Geld zu machen, dass man das lizensieren konnte um es später richtig rauszubringen. Ich hätte nie gedacht, dass ich gebootlegged werde und ich wurde schlimm gebootlegged. Ich dachte, wer bootlegged einen Bootleg? Ich war echt geschockt.
Also war das ein Lernprozess der unangenehmen Sorte.
Der ganz unangenehmen Sorte. Also nach der neunten Ugly Edits, so viele wollte ich auch ursprünglich machen, sagte ich mir, eine mache ich noch und dann war es das. Also machte ich Nummer zehn. Ich weiß nicht, wer mich gebootlegged hat, aber ein Vertrieb schickte mir welche und ich war sehr enttäuscht dass jemand sowas macht. Ich möchte eine spezielle Botschaft an diejenigen richten, die meine Edits bootleggen. Ich werde herausfinden, wer ihr seid und wenn ich euch sehe, wird es unangenehm. Auf jeden Fall fiel es an diesem Punkt auseinander. Was macht es noch für Sinn sowas zu machen? Ich kann den Künstler nicht beschützen und ich werde niemanden einen Bärendienst erweisen. Dazu kommt, dass zum Zeitpunkt von Nummer 10 jeder einen Edit von irgendwas zu machen schien. Es war ein Trend geworden und ich wollte keine mehr machen.
Die aktuelle Renaissance von Edit-Kultur hat sicherlich nicht nur Gutes gebracht.
Nein, viele davon sind sehr durchschnittlich. Es gibt nur wenige wirklich gute Edits. Ich finde es sollte von DJs für DJs gemacht werden. Jetzt werden Edits einfach für den Massenkonsum gemacht. Ich hätte das auch massenkompatibler machen können, es an all die heißen DJs verschicken. Ein oder zwei von ihnen hätten es gemocht und ich hätte 5000 Stück verkauft, wenn ich den Preis gesenkt hätte und so. Aber darum ging es nicht. Es ging darum, Dinge zu tun die etwas abseitig sind. Ich würde es vielleicht wieder machen, aber es würde so aussehen, dass ich es erst lizensiere und dann das Original auf eine Seite packe und den Edit auf die andere. Es richtig machen. Wenn du es nicht richtig machen kannst, dann mach es nicht.
So wie beispielsweise Environ, die ihre Stücke geklärt hatten und dann einen Metro Area Edit und das Original auf einer Platte veröffentlicht haben?
Ja, klär es und mach es richtig. Es ist seltsam, am Anfang war ich anderer Ansicht, weil ich dachte der Markt wäre so groß dass es niemand weh tun würde, einige Labels würden höchstwahrscheinlich eh nicht mehr bestehen und das Geld würde sie nicht mehr erreichen. Aber das waren alles Ausflüchte. Später schaute ich zurück und war anderer Meinung. Es war nicht so gut durchdacht, wie es dafür hätte sein sollen. Ich hätte etwas weiter denken sollen. Was ist wenn sie Email haben, was ist wenn ich ihre Songs nicht klären kann? Jetzt, wo ich die Ergebnisse sehe, denke ich, okay, ich gehe zurück zum Produzieren, mich um meine Sachen kümmern.
Auf der anderen Seite machen viele DJs für sich selbst Edits von ihren Lieblingsplatten und spielen sie, ob in analogen oder digitalen Formaten. Machst Du sowas auch?
Oh, ich spiele die ganze Zeit Edits! Ich liebe es, Edits zu spielen. Aber als Produkt, um sie zu verkaufen? Da würde ich jetzt den Weg der Lizensierung gehen. Aber für mich selbst, auf jeden Fall, ich liebe einen guten Edit, wenn es etwas ist, das den Aufwand wert ist.
Du gehst dann ins Studio und editierst Deine Favoriten für Sets?
Oh ja, das werde ich immer machen. Ich habe genug gemacht, um bis zu dreißig Ugly Edits herauszubringen. Tonnenweise. Dann habe ich tonnenweise Edits von meinen Sachen und Edits, die es nicht bis auf eine Ugly Edits geschafft hätten. Dann habe ich Sachen von Jamie 3:26 aus Chicago, der die besten Edits macht, die man überhaupt zu hören kriegt. Bei weitem. Ich hab meine CDs vergessen mit all den Edits von ihm, ich wünschte ich hätte sie hier gehabt, aber sie kommen nach. Es gibt alle möglichen Sachen, die mich begeistern. Das Alte, Neue, Originale, Edits, mein Zeug, sein Zeug, das Zeug meiner Freunde, langsames Tempo, schnelles Tempo, erwartete Sachen, unerwartete Sachen. Reih das nebeneinander, tu es zusammen und lass es losgehen.
Wie sieht es mit Geistesverwandtschaften aus? Du erwähntest soundmäßig gleichgesinnte Produzenten, die Du kennengelernt hast, als Du jünger warst.
Klar. Rick Wilhite, Kenny Dixon, Rick Wade, Mike Huckaby. Die Gemeinde von Produzenten in Detroit ist sehr klein. Jeder kennt irgendwie jeden.
Wie sieht es dann mit gegenseitiger Inspiration aus?
Die Inspirationen gehen hin und her, Ideen gehen herum und man tauscht sich aus. Das ist eine gute Sache.
Und kommen Produzenten zu diesem Kreis hinzu, so wie beispielsweise Omar-S?
Bei Omar-S ist das komisch, er ist z. B. nicht viel jünger als ich, so in meinem Alter. Bei ihm gibt es eine Kluft zwischen etwas professionell veröffentlichen und kreativ sein. Er hat schon viele Jahre was gemacht, aber es nicht rausgebracht. Bei mir war das genauso. Als ich 1996 rauskam, hatte ich schon Tracks gemacht seit ich 14 war. Ich hatte tonnenweise davon aber es hatte einfach solange gedauert sie zu veröffentlichen. Wie stellt man es an, was zu veröffentlichen. Ich denke, so war es auch bei ihm.
Jetzt hast Du mit ihm bei dem T.O.M. Projekt zusammengearbeitet.
Oh ja, wir haben ein ganzes Album, das herauskommen wird. Wir beide mit Marcellus Pittman als T.O.M. Project. Die Erstpressung war eine Auflage von 1500, dann die zweite mit noch mal 500 und danach 450. Die Erstpressung war limitiert in gelb, dann blau, die letzte grau, rot, lauter verrückte Farben, alles durcheinander. Irgendwann dieses Jahr kriegen wir das hoffentlich alles hin, weil ich noch ziemlich viele Singles habe, die noch raus sollen und ich weiß nicht ob da noch genug Platz bleibt, das wirklich zu machen. Wir haben dann noch sechs Monate oder so und das Jahr ist schon wieder vorbei. Ich muss mir das einteilen. Mein Album steht an, das vom T.O.M. Project steht an. Dann stehen noch Alben von Duminie DePorres, The Rotating Assembly, Hanna und Warren Harris an.
Das ist eine ganz schön lange Liste.
Das ist eine Menge. Ich glaube kaum, dass das alles noch dieses Jahr rauskommen wird (lacht). Ich muss mich entscheiden was rauskommt und was nicht, aber ich denke der wahrscheinlichste Kandidat für dieses Jahr noch ist das Album vom T.O.M. Project, das muss wirklich raus. Ich hatte nicht mit den Reaktionen auf den Song gerechnet, die Leute mochten das sehr, also bringen wir den Rest von dem Zeug raus.
Wird der Sound sich an der Single orientieren?
Oh, das ist total querbeet. Wir gehen so viele verschiedene Risiken ein. Das sind Tracks drauf deren Timing erstmal gar keinen Sinn ergibt, aber es passt. Total merkwürdige Swingtime-Ensemble-Sachen etwa. Omars besondere Methodik als Tontechniker ist mit das Erstaunlichste was ich jemals gesehen habe. Er kann Sachen machen die sehr dreckig sind, aber sich sehr sauber anhören, wenn du sie spielst. Einen dreckigen und sauberen Klang zugleich, das ist sehr schwierig, die Leute wissen gar nicht wie schwierig das ist. Das es eine Körnigkeit hat und gleichzeitig eine Klarheit in dieser Körnigkeit. Das ist schwer. Ich kann den Teil mit der Körnigkeit und ich kann den Teil mit der Klarheit, aber ich kann nicht beide zusammen. Und er kann das. Er hat da bei der Tontechnik eine einzigartige Begabung. Wir haben diese Begabung zusammen mit dem Input von Marcellus und mir. Er und ich bringen Sounds und Ideen sehr leicht zusammen, wir spielen jetzt schon seit Jahren Keyboards zusammen. Wenn er was spielt, weiß ich genau wenn etwas nicht stimmt und deute darauf hin und er baut was darauf auf. Er ist intuitiv veranlagt, er schlägt viel weniger an als ich. Ich ziehe viel schneller zurück. Unsere Denkweisen sind gut zusammen gewachsen. Es gibt nicht so viel Vocals auf dem Album aber es hat viel…Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Es ist einfach ein verrücktes Album, ich muss es einfach rausbringen (lacht).
Ist das getimt, ein eher introspektives Album und eines mit einer Zusammenarbeit, die eher ganz anderes Terrain erkundet?
Ich habe mich noch nicht entschieden ob es smarter ist die Gänge bei den Leuten so einzulegen, dass ich erst mein Album rausbringe, oder ich sage, nein, es ist nicht das was ihr denkt mit dem T.O.M. Project-Album, also erstmal das. Ich tendiere etwas zum T.O.M. Project, weil es fertig ist und meines ist noch im Gang. Aber ich denke auch, wenn ich mich jetzt nicht einschränke und denke, okay, das ist es jetzt, dann werde ich mein verdammtes Album nie beenden. Es wächst und wächst und wächst. Du hast 42 unfertige Tracks und nichts zum Herzeigen und es wird zur Tretmühle. Da sollte man das Album präzisieren, sich entscheiden, es beenden, nur noch die Covergestaltung machen. Also werde ich das wahrscheinlich rausbringen (lacht).
Werden Deine Arbeit und Deine Perspektiven von Deinen Reisen beeinflusst?
Ja, auf jeden Fall. Die ganze Zeit. Ich habe einen Film gesehen, „Waking Life“, der mir etwas in den Sinn brachte, worüber ich schon vorher nachgedacht habe. Da ist ein Teil im Film der fragt, was ist der universellere menschliche Zug? Angst oder Faulheit? Ich denke es ist Angst. Weil Angst Faulheit erzeugen kann. Faulheit kann Angst erzeugen, aber Angst ist viel häufiger. Nicht jeder arbeitet sehr viel, aber es gibt so viele Leute die Angst haben. Jeder den ich kenne hat Ängste. Nicht jeder den ich kenne ist faul. Jeder hat Ängste. Manche fürchten den Tod, manche fürchten das Leben, manche fürchten die Leere dazwischen und suchen nach Extremen, manche wollen nur die Leere. Immer etwas, dass man sucht, findet oder vor dem man davonläuft. Das ist wohl die Natur des Menschen. Aber wenn es darum geht etwas zu tun was wir tun sollten und wir wissen es wird schwierig und wir müssen etwas versuchen und davor laufen wir davon, das ist eher Faulheit als Angst. Eine Menge Dinge die wie Angst aussehen sind oft nur Faulheit. Diese beiden Züge vereinen jeden. Es wäre interessant zu sehen was passiert, wenn die ganze Welt eine Woche frei hätte und keiner arbeitet (lacht). Das wäre einfach nur verrückt (lacht).
Was ist denn Deine Angst?
Meine? Hm, das ist eine große Frage. Ich habe so viele. Es hängt von der Tageszeit ab (lacht). Manchmal habe Angst ich kriege meinen Flug nach Hause nicht, am anderen Tag habe ich Angst, dass der Typ vor mir, der in die Plattenspieler stößt, die Nadel springen lässt. Und manchmal habe ich Angst, dass meine Frau mich wegen irgendwas anschreien wird oder dass die Polizei mich anhalten wird. Man kann gar nicht sagen, welche Angst da gerade ist, aber ich glaube meine unterschwellige Grundangst ist eher…Hm. Ich weiß es nicht. Es sind so viele! Hängt von der Tageszeit ab, von meiner Stimmung. Ich glaube ich habe eine Grundangst, dass mir die Zeit wegläuft. Ich möchte gerne wissen, dass meine Zeit sinnvoll verbracht ist. Und die beste Art sicherzustellen dass du deine Zeit gut verbringst, in einer Art die dir gefällt, ist das zu mögen was du tust. Nicht nur Spaß haben, darum geht es nicht. Aber glaubst du an das was du tust, bist du bereit die Höhen und Tiefen in Kauf zu nehmen und deinen Weg, was immer er auch sein mag? Es ist eine Reaktion auf diese Angst sicherzustellen, dass ich, wenn mein Tag gekommen ist, hoffentlich Zeit habe zurückzublicken (lacht). Hoffentlich ist es ein langes Gefälle und kein schneller Abgang. Dass ich zurückblicken und sagen kann: „Ich weiß es war gut, ich bin in Ordnung, ich kann loslassen.“ Da hätte ich nichts gegen. Dafür will ich sicherstellen, dass ich genug Zeit habe all das zu tun was ich mir schon vorgestellt habe als ich klein war. Bis jetzt ist das schon mehr als ich gerechnet hatte. Ich dachte nicht, dass ich so etwas in meinem Leben tun würde. Ich hatte keine Ahnung.
Wie sollte es denn am besten voranschreiten, bis zu dem besagten Tag?
Privat hoffe ich dabei zu helfen weiteres Leben in diese Welt zu setzen, Kinder. Ich hoffe, dass ich so vielen Menschen wie möglich helfen kann, ihre Denkweise über Leben und Musik zu ändern, dass es viel mehr Respekt für kreative Formen gibt. Das ist mir sehr wichtig. Es der Jugendkultur zu vermitteln, besonders schwarzen Kids. Weil uns so viele Möglichkeiten verwehrt werden. Ab der Zeit wo wir gehen und stehen und laufen können werden wir im Grunde genommen schon auf Arbeit konditioniert um das Überleben zu sichern. Kinder in anderen Gesellschaften haben Optionen. Ja, du kannst arbeiten, aber du kannst als dies arbeiten oder als dies oder als das. Und manche dieser Arbeiten beinhalten Kreativität. Viele von uns enden als kreativ mit der Flasche, weil man für nichts sonst geeignet ist. Ich möchte sehen, dass die Regierung erkennt, dass es innerhalb der Infrastruktur einer Gesellschaft wichtig ist, kreative Begabungen von Kindern und auch Erwachsenen zu fördern. Musik, Kunst, Tanz, alles was kreativ ist. Ich denke es ist besonders das, was unserem Leben Wert gibt. Es gibt soviel Gewalttaten von Mensch gegen Menschen und gegen die Natur, oftmals ist das Beste was wir tun können zu respektieren, was die treibende Kraft hinter all dem ist. Manche mögen sagen, das ist sehr pseudo-spirituell oder was auch immer, aber ich interessiere mich nicht für Zynismus. Es gibt eine höhere Kraft, die alles antreibt. Wir alle teilen eine Lebenskraft, die alles dominiert was wir tun. Wir sollten ihr wenigstens etwas Glauben schenken. Nenne es wie du willst, Jah, Gott, Jahwe, was auch immer, solange es etwas ist, dass dir persönlich etwas bedeutet und wodurch du die menschliche Natur ausdrücken kannst. Nicht andere Menschen, die bereitwillig sind anderer Menschen Glauben manipulieren. Das passiert die ganze Zeit. Das ist dann organisierte Religion. Ein Weg Menschen dazu zu bringen sich darauf zu verlassen, dass ein Mensch ihnen sagt was ihnen auf einem spirituellen Level passieren wird. Und ich glaube kein Mensch ist dafür qualifiziert. Es gibt Propheten, aber kein Mensch hat die Berechtigung das zu tun. Absolute Macht korrumpiert absolut. Jeder Einzelne soll für seine Zukunft eine Bestimmung suchen, darum geht es. Sich einer Bestimmung widmen. Manche Leute finden ihre eben nicht bei der Arbeit in einem Fast Food-Restaurant, es ist schwer dort eine Bestimmung zu finden. Vielleicht zum Überleben und das ist auch in Ordnung, das ist notwendig. Aber um deinem Leben eine Bestimmung zu geben brauchst du manchmal eine Bestätigung einer göttlichen Sache, und das ist Kreativität. Etwas aus deinem Inneren geben, was in und aus dir erschaffen ist. Was immer wir benutzen um uns auszudrücken, es sind nur Werkzeuge. Wir brauchen die Absicht und den Anstoß. Manchmal kann man sich erklären und manchmal nicht. Wir brauchen uns nicht erklären. Wir machen das mit unserem Output. Wenn es sowas gibt, muss es jemand erschaffen haben. Jemand muss sich ausgedacht haben wie alles was wir haben funktioniert. Da denke ich kommt dieser Gedanke einer höheren Macht ins Spiel, da ist es am wichtigsten.
Siehst du Dich in einer Position von der aus es eine gute Sache ist, Dein Wissen und deine Erfahrungen weiterzugeben? Auch als gutes Beispiel?
Natürlich. Nicht unbedingt als gutes Beispiel, da gibt es einen feinen Unterschied. Etwas lehren und ein gutes Beispiel geben sind zwei verschiedene Dinge. Zu lehren ist jemanden aktiv zu instruieren, was passiert wenn man das macht usw. Um ein gutes Beispiel musst du tun was tust in der Hoffnung dass es die Leute entscheiden dass es das Richtige ist. Das ist etwas anderes. Wenn man jemanden etwas lehrt, sagt man so habe ich das gemacht, ich weiß nicht was passiert wenn du es so machst und es gibt Alternativen wie man es machen kann. Wenn ich jemanden erkläre wie man auflegt sage ich, als erstes besorge dir so viele Platten wie du kannst. Kauf dir keinen Mixer, keine Kopfhörer, erstmal Platten. Es fängt mit dem Hören an. Ich mag sowas sagen aber vielleicht geht dann jemand in die Bibliothek und hört sich reihenweise durch die CD-Sammlung. Das ist dann nicht genau das was ich geraten habe, losgehen und Platten kaufen, aber es erfüllt auch den Zweck, ein Verständnis für vielerlei Musik zu entwickeln. Lehren ist wichtig. Wenn man versteht wie man etwas macht kann es dein Leben verändern. Optionen dies und das zu tun waren vielleicht verschlossen. Und dann denkt man, ich kann immer noch dies tun wenn ich das lerne. Da tun sich dann vielleicht für manche Leute Wolken auf, weil sie an Möglichkeiten nicht gedacht haben.
Deine Arbeit als Produzent und DJ wird viel beachtet und diskutiert, Du hast das also schon erreicht?
Manchmal komme ich da ran. Ich möchte gerne noch mehr Sachen in die Tat umsetzen. Ich würde gerne noch mehr Radio machen, ich finde Radio sehr wichtig. Es ist immer noch die am meisten verbreitete Form von Informationstransfer und nicht das Internet. Die meiste westliche Welt hat Internetzugang und der Rest der Welt nicht. Das vergessen wir. Nicht jeder Mensch verfügt über die Technologie, die wir im Westen haben. Es gibt noch viele Menschen woanders, die in der Lage wären zu begreifen, was hier passiert und man sollte deswegen versuchen, sie zu erreichen. Deswegen mag ich Radio sehr und würde ich mich gerne mehr damit befassen. Aber das kommt später. Mit Filmen würde ich mich auch gerne beschäftigen, aber das kommt alles später. Es gibt Pläne, aber später, später, später.
Musik zuerst?
Yeah, Musik zuerst (lacht).
De:bug 07/06
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