Interview: Timmy Regisford

Posted: July 9th, 2006 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , | No Comments »

Wie fühlt es sich an, ab und zu den angestammten Platz zu verlassen? Kann man das Shelter verpflanzen?

Ich mag es, gelegentlich New York zu verlassen und woanders aufzulegen. Es gibt weltweit mittlerweile immer mehr Leute, welche die Art von Soulful Music mögen, für die das Shelter steht. Ich habe auch eine Residency in Los Angeles und regelmäßig Auftritte in Japan oder England. Ich habe zudem einen Wohnsitz in Amsterdam, weil ich die Stadt einfach liebe und auf Jamaika, wo ich ursprünglich herkomme. In Deutschland war ich bisher nur einmal mit Stevie Wonder, dass hatte sich sonst einfach nicht ergeben. Ich kann mir aber gut vorstellen, öfter hier zu sein. Mir gefällt die Idee von fixen Außenposten fernab des ursprünglichen Clubs. Das reizt mich als Herausforderung. Es wäre schön, weltweit Basen für den Shelter-Sound einzurichten, daran würde ich mich gerne beteiligen. Mal sehen, wie sich das entwickelt.

Wie unterscheiden sich dann solche internationalen Auftritte von einer Nacht im Shelter? Muss man das musikalische Programm den Trends im jeweiligen Land anpassen?

Ich muss mich eigentlich gar nicht anpassen. Ich werde als Repräsentant des Shelter gebucht und ich spiele nur Platten, die ich auch dort auflege. Ich bekomme mit, was in den Clubs anderswo läuft, aber mir ist das oft zu hart, damit kann ich nicht viel anfangen. Ich achte auch nicht auf die ganzen Kategorisierungen, für mich ist das alles Dance Music und davon interessiere ich mich nur für die Art von Musik, die Deepness, Soul und vor allem Identität hat. Aus welchem Land oder von welcher Hautfarbe ist egal, es muss nur passen. Manchmal ist ein Set nicht so wie in New York, weil ich nicht soviel Zeit habe. Übermorgen lege ich beim Southport Weekender in England auf, da habe ich einen zweistündigen Spot. Dabei brauche ich meistens drei Stunden, bevor ich mich wohl fühle. Ich werde das daher nutzen, um unveröffentlichte Sachen zu spielen, aber ich ziehe einen anderen Rahmen vor. DJing war nie mein hauptsächlicher Lebensunterhalt. Ich war deswegen auch nicht gezwungen mehr herumzureisen als ich wollte. Das Shelter ist wie mein Wohnzimmer, da ist alles so, wie ich es haben möchte. Alle meine Platten sind da, die Anlage habe ich mir zusammengestellt und so weiter. Und mir gehört der Club, ich kann machen, was ich will. Ich lege hauptsächlich Soulful Dance Music auf, aber ich kann auch afrikanische oder brasilianische Musik spielen, Jazz, Blues. Wenn ich merke, wofür die Leute bereit sind, habe ich viel Spielraum. Das Shelter hat einen familiären Vibe, es geht nicht um Drogen oder Hipness, nur um Musik. So geht das Woche für Woche. Wenn ich mal nicht da bin, so wie jetzt gerade, legt Sting International auf, sozusagen mein Protegé. Es hat ein bisschen gedauert, bis die Leute mit ihm warm geworden sind, aber jetzt geht das sehr gut.

Das Shelter läuft ja nun schon sehr lange, wie motiviert man sich denn nach so einer Zeitspanne?

Ja, im Januar sind es fünfzehn Jahre, das ist wirklich eine lange Zeit. Ich betreibe das nach wie vor mit Leidenschaft und ich bin glücklich und dankbar dass es klappt, aber es ist auch nicht selbstverständlich. Die New Yorker sind als Publikum eine harte Nuss. Sehr anspruchsvoll. Ich stehe für einen bestimmten Sound, den muss ich auch bestmöglich bieten. Ich gebe mir da ständig sehr viel Mühe, sonst würde auch sehr schnell heißen, ich hätte es verloren. Da mache ich mir nichts vor.

Was für bemerkbare Veränderungen bei den Reaktionen des Publikums gibt es denn in einem solchen Zeitraum?

Die Leute sind heutzutage besser informiert und wissen einfach mehr über Musik, man kann auf mehr zurückgreifen.

Woran liegt das?

Am Internet. Es gibt so viele Möglichkeiten sich zu informieren, Austausch über Musik, Verfügbarkeit von Platten und so was. Man muss nicht nach New York fahren um zu wissen, was ich mache.

Es wird ja auch mehr konserviert. Alte Radioshows oder Livesets beispielsweise.

Genau. Alles ist besser dokumentiert. Wir benutzen das Internet ja auch, zum Beispiel mit MP3-Downloads, CDs oder Merchandise auf der Website des Clubs.

Benutzt du den technischen Fortschritt denn auch beim Auflegen?

Tja, ich liebe Vinyl. Im Shelter lege ich nach wie vor hauptsächlich mit Vinyl auf. Aber Vinyl stirbt langsam. Ich finde das sehr bedauernswert, aber es lässt sich nicht aufhalten. Wenn ich wie jetzt Auftritte habe, nehme ich ein paar Platten und sonst CDs mit. Normalerweise benutze ich CDs nur, um Promos und Unveröffentlichtes zu spielen, aber unterwegs sind CDs praktisch, weniger Gepäck. Ich habe auch vor allem Klassiker auf CDs dabei, ich habe einfach zuviel Angst, dass eine Kiste mit solchen Platten am Flughafen verloren geht. Ich weiß, mittlerweile kann man das alles wiederbeschaffen, aber das wäre auch ganz schöner Stress. Mit diesem Vorgehen stehe ich ja auch nicht alleine da. Nur in Japan kann ich das nicht machen, da wollen sie den Shelter-Vibe möglichst authentisch und bis ins letzte Detail und erwarten, dass ich ausschließlich Platten auflege. Da schleppe ich dann sechs Kisten Vinyl hin, für ein Irrsinnsgeld an Übergepäck. Ich habe mir schon angesehen, wie andere DJs Final Scratch und ähnliche Software benutzen, aber irgendwie gefällt mir das nicht. Damit habe mich noch nicht anfreunden können, da fehlt mir was. Vielleicht benutze ich das auch irgendwann, aber jetzt noch nicht.

Würdest du solche Technologie einsetzen, um Edits in deine Sets einzubauen?

Ich habe schon immer von bestimmten Stücke Edits gemacht und diese dann gespielt, bei DJs meiner Generation ist das ja nicht unüblich und wird seit langem praktiziert. Aber das geht auch ohne Software. Es ist die Frage, wie viel Material zum Mixen man für einen Abend wirklich braucht. Ich muss nicht so und soviel Auswahl auf einem Laptop mit dabei haben, so wie es ist, reicht es für meine Zwecke.

Du hast es ja vorhin schon angedeutet, du bist in erster Linie nicht DJ, sondern in der Musikindustrie tätig, als A&R erst bei Motown, Atlantic oder Dreamworks und jetzt bei Def Soul/Universal. Kannst du das mit deinen Aktivitäten rund ums Shelter verbinden?

Ich weiß gar nicht ob es Leute gibt, die gleichzeitig auf einem hohen professionellen Level als DJ und in der Musikindustrie tätig sind. Mir fällt da nur Pete Tong ein, der hat das glaube ich früher mal gemacht. Für mich sind das zwei unterschiedliche Gebiete. Das eine ist meine Leidenschaft und mein Hobby, und das andere ist meine Arbeit, die ich jetzt auch schon seit den späten 80er Jahren mache. Das überschneidet sich eigentlich nicht. Das Shelter basiert auf Dance Music-Kultur und einem Konzept von Clubbing und meine Arbeit als A&R hat nicht soviel damit zu tun. Da geht es eher um Hip Hop und R&B, Musik für die Charts und nicht für die Clubs.

Dennoch warst du ja früher verantwortlich für Veröffentlichungen, die auf beiden Feldern funktioniert haben, das „25 Years Later“-Album von Blaze zum Beispiel. Ist es möglich, in den USA Dance Music für eine breitere Masse zu etablieren?

Wie du schon sagtest, das war ein Album. In der Musikindustrie zählt nur das Album-Format für den Profit. Es gibt Dance-Mixe für Hip Hop und R&B, aber das sind Singles und somit nur Promo-Tools für das Album. Als Markt ist das für die großen Companies uninteressant. Es gab sicherlich Erfolge mit Acts wie Ten City oder C&C Music Factory, aber die hatten auch genügend gute Stücke um ein Album zu füllen, was man vermitteln konnte. Es steht und fällt mit den Songs. Du brauchst gute Songs, sonst ist das nicht zu vermarkten.

Bleibst du denn der Clubkultur weiterhin als Produzent und Remixer erhalten? Du kannst ja auf eine beeindruckende Diskografie zurückblicken.

Ja, das ist ja auch ein wichtiger Bestandteil meiner Laufbahn und das wird auch so bleiben. Wir versuchen natürlich auf Shelter Records Platten herauszubringen, die dem Sound des Clubs entsprechen. Ich werde auch weiterhin Mixe machen. Ich arbeite jetzt als Produzent viel mit Quentin Harris zusammen, der ja auch unter eigenem Namen auf dem Label veröffentlicht. Da ist einiges geplant. Im Moment arbeiten wir gerade mit Angie Stone, da ist dann auch ein Album angepeilt.

De:Bug 07/06



Leave a Reply