Interview: Larry Heard
Posted: May 9th, 2005 | Author: Finn | Filed under: Artikel | Tags: de:bug, Interview, Larry Heard | No Comments »Die Loosefingers EP tauchte in vielen Playlists vor allem wegen der beiden Acid-Tracks auf, die gerade gut in die gegenwärtigen Adaptionen des frühen Chicago-Sounds passen. War es Absicht, diesen als Reflektion deines Stils das ruhige Stück „When Summer Comes“ gegenüber zu stellen?
Ja. Das ist ein Stück, was eher auf lange Sicht angelegt ist. Das die Leute auch noch in Jahren hören und darüber nachdenken. Die Acid-Tracks sind da schon vordergründiger, aber ebenso wichtig. Mir macht das schon noch Spaß, mit Acid herumzuprobieren. Ich bin nach wie vor abenteuerlustig. Neulich habe ich mit einem Sänger herumgejammt, das klang wie ein bisschen wie Mick Hucknall oder Bono mit Acid-Sounds (lacht.). Über die Jahre hat sich einiges in diese Richtung angesammelt.
Es gibt also noch reichlich Reserven.
Ich habe hunderte derartiger Tracks gemacht. Es ist auch geplant, ähnliches Material als Loosefingers Album heraus zu bringen, welches dann auf Alleviated erscheinen soll.
Wird das dann auch funktionalere Clubtracks und ruhigeren Deep House ausbalancieren?
Es wird schon alles repräsentieren, was mich beim Produzieren bestimmt. Es wird ein paar mit der EP vergleichbare Sachen geben aber auch eher ruhiges. Es sollen auch ein paar schräge Zwischentöne mit dazu. Es soll Spaß machen.
Enttäuscht es dich, wenn die Käufer einer Platte eher auf die tanzflächenkompatiblen Stücke reagieren als auf die ruhigen?
Nein, das kann man nicht steuern. Ich möchte ja auch wahrgenommen werden. Es ist wie mit einem Lichtschalter. Ich könnte den Schalter umlegen und die Leute akzeptieren dann automatisch das, was ich ihnen anbiete. So läuft das aber nicht. Ich habe keinen Einfluss darauf, wie man meine Musik hört. Ich habe nur eine Ahnung davon was gut ankommen könnte, aber letztendlich bin ich dann auch oft überrascht, welche Stücke die Leute berühren oder was bei den DJs auftaucht.
Denkst du, dass DJs da zu sehr im Mittelpunkt stehen?
Ich möchte nicht nur Musik machen, die für DJs bestimmt ist. Das ist oft zu sehr vom augenblicklichen Hype abhängig. Ich möchte auch denjenigen erreichen, der sich meine Musik zuhause anhört. Ich werde immer ruhige Stücke produzieren, weil das meiner Persönlichkeit entspricht. Es gibt sehr viel unveröffentlichtes Material von mir, dass eher R&B, Hip Hop oder Reggae ist, aber wie schon gesagt, ich kann die Menschen nicht so einschalten, dass sie sich dafür interessieren. Es gibt eine Erwartungshaltung, an der ich auch nicht vorbei arbeiten möchte.
Hast du nicht einen Status der dir erlaubt Platten herauszubringen die nicht House sind, wenn du denkst dass dieser Aspekt deiner Musik gehört werden sollte?
Ich kann da nichts voraussetzen. Ich kann auch nicht vorhersagen, ob und wie das jemand annimmt. Es wäre sicherlich denkbar alles Mögliche zu veröffentlichen, aber wenn es keine Beachtung findet, macht das kaum Sinn. Es wäre sicherlich ebenfalls schön, ältere Platten auf Alleviated, Gherkin oder beispielsweise die „Sceneries Not Songs“-Alben neu aufzulegen, aber es ist zweifelhaft, dass sich das auch rentiert. In dieser Hinsicht muss man dann vielleicht auf MP3-Downloads ausweichen.
Es ist schon eine Weile her, dass du von Chicago nach Memphis gezogen bist. Zu der Zeit warst du ja eher desillusioniert und Abschiedsgerüchte machten die Runde. Wie siehst du diese Phase im Nachhinein, könnte sich das wiederholen?
Ich brauchte damals eine Veränderung. Chicago war mir zu hektisch und Memphis bot eine gute Möglichkeit, sich in einem Job neu einzurichten. Musikalisch wollte ich mir eine Auszeit genehmigen und diese Pause wurde dann als Abschied dargestellt.
Hat dir das mehr genutzt oder geschadet? Du hast ja ziemlich bald weitere Alben auf Distance veröffentlicht, das konnte ja auch als inkonsequent beurteilt werden.
Ich weiß gar nicht so genau. Distance hat auf jeden Fall ganz schön davon profitiert (lacht). Ich produziere gerne mit etwas Ruhe, insofern war die neue Umgebung ganz hilfreich. Manchmal feile ich länger an Tracks herum, oder ich mache vier oder fünf an einem Tag. Ich kann mich in Memphis gut auf meine Musik konzentrieren. Mittlerweile wäre da genug Material für 15 Alben.
Es gab ja noch einen weiteren Einschnitt in deiner Karriere.
Oh ja, der Deal mit MCA. Sie hatten eine andere Vorstellung von mir als vermarktbaren Künstler. „Introduction“ hat um die 250000 Stück verkauft, also ganz ordentlich. Das Album war auch über den Dance-Bereich hinaus anerkannt, es wurde beispielsweise in Jazzkreisen gut aufgenommen. Es gab dann Gespräche, dass ich Chaka Khan, Gwen Guthrie oder Anita Baker produzieren sollte, was aber daran scheiterte, dass ich für MCA immer nur dieser House-Typ blieb und nicht ernst genommen wurde. Für das Album „Back To Love“ sollte dann ein anderer Produzent mitarbeiten. Ich schlug dann Robin Millar oder Quincy Jones vor und sie boten mir Soul II Soul an. Also schaltete ich meinen Anwalt ein und kam aus dem Vertrag raus. Es gab andere Leute, die über Jahre in einem Major-Vertrag fest hingen und sogar deshalb ihre Karriere beendeten, da war ich also ganz erleichtert.
Ist langfristiger Erfolg in einem Major-Kontext mittlerweile unrealisierbar?
Ich mag diese Hype-Maschinerie nicht. Die Leute werden an der kurzen Leine gehalten. Es ärgert mich wenn ich darüber darüber nachdenke, was einem dadurch entgeht. Erykah Badu ist gleich die neue Billie Holiday. Aber Billie Holiday hat auch eine Weile gebraucht um ihren Status zu erreichen. Das wird zu schnell zuviel Gewicht auf den Künstler verteilt. Ich habe Shante Moore live gesehen und das war großartig, eine tolle Sängerin. Bei der nächsten Platte kommt sie dann schon als Hoochie Mama daher. Die Industrie hat wenig Geduld mit ihren Künstlern. So kann man keinen Stevie Wonder oder Marvin Gaye etablieren. Sogar Timbaland ist fast schon wieder verschwunden. Wer kommt danach? Somit schaut man und findet für diese Generation keinen Miles Davis. Wenn es zu seiner Zeit so funktioniert hätte, wäre uns auch Miles Davis entgangen. Auf der neuen Platte von Beyoncé wäre bestimmt genug Platz für ein Stück mit Louie Vega oder Osunlade, aber das wird nicht stattfinden. Die Künstler sind eher Angestellte der Plattenfirma und es werden zu viele Kompromisse eingefordert.
So blieben dir vielleicht die prestigeträchtigen Kollaborationen verwehrt, aber in punkto Selbstbestimmung gibt es als allseits respektierter Künstler und Labelbetreiber wenig zu bedauern.
Stimmt. Natürlich bedauere ich schon, dass ich nicht immer verwirklichen kann was ich gerne wollte, weil einfach die Ressourcen fehlen. Man könnte mehr alte Platten neu auflegen, alte unveröffentlichte Stücke oder mehr neue Platten herausbringen. Ich würde gerne mehr mit anderen Musikern oder Sängern zusammenarbeiten, aber das lässt sich meistens leichter planen als realisieren. Meine gelegentlichen Gastspiele als DJ sind auch einfacher in die Tat umzusetzen als Live-Auftritte. Ein Mann mit einer Kiste Platten ist mobiler und bezahlbarer als eine zehnköpfige Band. Obwohl ich gerne mit einer Band auf Tour gehen würde.
Du könntest dann zu deinen Wurzeln als Schlagzeuger zurückkehren und Kontakte für Überraschungsgäste wären wohl auch vorhanden.
Oh, ich glaube da bin ich etwas zu sehr eingerostet (lacht). Ich würde lieber singen. Auf der Bühne zusammen mit Ron Wilson, Robert Owens und Kriss Coleman. Das würde ich schon gerne machen.
De:Bug 05/05
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