Rewind: Klaus Stockhausen über “Party Boys”

Posted: November 29th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Klaus Stockhausen über “Party Boys” von Foxy (1980).

Wie bist Du auf „Party Boys“ gekommen? Beim Plattenkaufen für DJ-Gigs? Du hattest ja 1980 schon mit Auflegen angefangen, als die Platte rauskam.

Die Platte ist, denke ich, von 1979, aber es war wohl 1980. Angefangen habe ich drei Jahre vorher. Ehrlich gesagt war ich in Amsterdam in einem Plattenladen, Rhythm Import, und es war der Nachfolger von „Get Off“, und „Get Off“ ging relativ gut ab. Ich habe in drei Clubs gearbeitet zu dieser Zeit. Donnerstags/Freitags in Frankfurt in so einem Armee-Schwuchtelladen, der hieß No Name. Da waren nur stationierte Soldaten, sehr amerikanisch. Samstag/Sonntag Coconut in Köln, und Montag in Amsterdam im Flora Palace, was hundert Jahre später zum It-Club wurde. Und du hattest drei verschiedene Musikrichtungen. In Köln war es diese Hi-NRG-Nummer mit sonntags Schwuchtel-Tea-Dance, Poppers etc., bei den Amis hattest du funky to Disco, und Amsterdam war britisch angehaucht. Diese Fusion war ganz gut.

Wie hat sich denn das Britische in der Musik in Amsterdam manifestiert?

Es war soulig, Hi-NRG, aber später auch so etwas wie Loose Ends. Es waren Elemente von Rare Groove drin. Und bei „Party Boys“ fand ich einfach diesen Hook so toll, der eben wesentlich eleganter war als zum Beispiel „Cruisin’ The Streets“ von der Boystown Gang. Eigentlich könnte man diese beiden Platten übereinander legen, es funktioniert perfekt. Und diese schrägen Stimmen. Ich mag Stimmen gerne, und wenn sie slightly off sind, mag ich sie noch viel viel lieber.

„Party Boys“ hat ja diesen Falsett-Gesang, Sylvester sehr ähnlich.

Total, und Sylvester war halt auch großartig. „Party Boys“ war Patrick Cowley runtergetunt auf pseudo-intellektuell, nicht so in die Fresse.

Als ich das Stück zum ersten Mal gehört habe, fand ich es sehr schön wie diese Synthie-Bassline reinkommt, sehr außergewöhnlich.

Absolut. Es war auch wegweisend zu dem, was später kam. Die ganzen T.K.-Sachen. Ish zum Beispiel, ich weiß gar nicht mehr, wann das kam. „Don’t Stop“ von Ish.

Aber T.K. waren durchaus variantenreich, dort erschienen auch sehr viele klassische Soul-Sachen.

Stimmt. Ich liebte T.K. Records. West End Records. Love. Auch kleinere Labels wie AVI. Prelude sowieso, wegen Sharon Redd, Unlimited Touch, Gayle Adams usw… Aber so ist man eben auch Platten kaufen gegangen, es gab kein Internet-Radio, oder irgendwelche Pirate Stations. Es gab BFBS.

Hast Du denn mal etwas im Radio gefunden?

Nö, aber ich habe viel Radio gehört. Ich habe zuhause nie Musik gemacht. Ich habe immer relativ Downbeat gehört, oder eben mal eine andere Nummer. Ich komme eher von David Bowie oder Roxy Music. „Young Americans“ habe ich geliebt, und „For Your Pleasure“. So lag ich zuhause mit dem Kopfhörer.

Aber das war ja schon eine Art von Rockmusik, die eine Verbindung zum Nightlife hat.

Ja, obwohl ich das Nightlife da noch nicht wirklich richtig kannte, da war ich echt noch ein bisschen zu klein. Ich bin glaube ich 1974 angefangen auszugehen. Und das waren dann eher die Zeiten, als es auf einmal Disco gab. Munich Sound, „Love To Love You Baby“ von Donna Summer, auf einmal waren die Platten ganz lang. Das hat mich voll eingefangen. Ich fand z. B. toll wie auf der ersten Gloria Gaynor-LP die Stücke ineinander liefen. Das war einfach spannend. Ich habe ausgeholfen in so einer Ludendisco, so habe ich eigentlich angefangen, Musik zu machen. Eigentlich habe ich studiert und nebenbei in so einer Boutique gearbeitet, daher auch die Verbindung zur Mode, damals schon. Da kam immer so ein Lude und hat hunderttausend Seidenhemden gekauft, und dessen DJ war krank, und dann habe ich da ausgeholfen. Das war so ein ganz kleiner, ekliger Puff in Köln, aber nachher war er auf einmal ganz hip. Dann standst du da den ganzen Abend, und die saßen an ihren Whiskyflaschen, und natürlich hast du dich da nicht angestellt an so einem Dienstagabend, denn das gab es auch noch nicht wirklich. Und deswegen waren die ersten 12“s sehr dankbar, und die LPs, wo der ganze Scheiß durchging.

Also hast Du Dir mit dieser Art von Disco Deine ersten Meriten erarbeitet?

Das weiß ich gar nicht, das müssen andere in mich reininterpretieren. Grundsätzlich habe ich immer nur gespielt was ich gut fand, aber ich habe immer versucht, mein ganzes Spektrum da reinzukakeln. Ich habe immer relativ spontan gearbeitet, es gab nie ein Set. Irgendwann in den 80ern wusste man schon, ok, so gegen halb zwei funktionieren die drei Platten ganz gut, aber es war nie nie nie geplant.

Heutzutage ist es ja relativ einfach. Wenn man historische Sets aus den 70ern und 80ern hören will, kann man das dank Internet auch.

Aber immer nur die schlechten. Ernst gemeint. Ich bin nie nach Hause gegangen und habe dann meine Tapes gehört, und gedacht, oh, wie toll bin ich? Manchmal gab es ein, zwei Tapes wo du dachtest, oh wow, das ist gut gemischt. Das heißt aber nicht zwanghaft, dass der Abend so gut war. Für mich war ein Abend nicht gut, wenn die Mixe hundertprozentig waren, sondern wenn du drehen konntest, und die Leute sind ausgerastet. Wenn du von Carol Jiani auf Culture Club runtergehst, oder auf „Los Ninos Del Parque“, es ist echt so gewesen. Das war nachher mein Problem, weil alles so katalogisiert war, es wurden immer mehr Schubladen. Aus zwei werden dreihundert, und für mich war das einfach so mühsam. So ein bisschen wie das, was jetzt in der Mode passiert, mit diesen ganzen Bloggern, und jeder hat eine Meinung zu allem. Alles schön, aber für meine Arbeit ist es wichtig, dass ich deine Meinung nicht weiß. Sonst verwässert sie mich.

Bist Du ein Gegner von Nischenforschung?

Nicht Gegner. Ich finde es schon interessant zu wissen und zu lesen was andere Leute denken oder reininterpretieren, und ich finde Nischen extrem wichtig, weil ich auch mal eine Nische war. Aber ich finde es schwierig, wenn sich alles nur noch darüber definiert. Dann bleibt auch ein bisschen der Spaß auf der Strecke, und in erster Linie musst du Spaß haben.

Hat man, wenn man als DJ anfängt, und die Musik die man spielt ist quasi noch jung oder in der Entwicklung, viel mehr Spielraum? Gewöhnt man sich daran, dass man sich gar nicht beschränken muss?

A das, und B habe ich das Schweineglück gehabt zu einer Zeit anzufangen oder reinzukommen, wo alles neu und frisch war. Von Ende der 50er bis Anfang der 70er gab es diesen Discosound nicht. Es gab ein bisschen Funk, Soul, Phillysound, R&B und Blues. Was ja schon viele Schubladen sind, die man auch fusionieren kann, und diese Fusion war dann ja Disco. Und ich hab Schwein gehabt, dabei zu sein. Und es war spannend, dann kam das Wavige da rein, bis eben hin zu House, und allen Kategorien, die du nennen willst.

Und Du hast Dir die Musik aus all dem so zusammengesucht, dass sich daraus ein für Dich gültiges Gesamtbild ergab?

Genau, und das habe ich dann versucht den Leuten beizubringen. Deswegen war ich aber auch immer gerne in kleinen Clubs. Das wusste ich damals nicht, aber jetzt denke ich manchmal, ich hatte damals so einen Erziehungsauftrag. Sobald eine Platte Top 10 ist, ist sie dann auch durch. Andererseits waren die Leute aber auch schneller zu befriedigen, weil alles neu war, weil sie es nicht hören konnten, und weil sie es sich zuhause nicht zwanghaft runterziehen konnten. Ich weiß noch wie ein Freund aus Amerika mit einem Tape von WBLS wiederkam, so eine Mixshow, und das war Ende der 70er glaube ich. Und das war die Sensation. Oder dieser Mitschnitt, den Claus Bachor neulich gepostet hat, da muss jemand mit einem Mikro vor der Box im Front gestanden haben, wir reden von den 80ern, weder Handy noch sonst irgendwas, und das finde ich irgendwie schon ein bisschen süß.

Das ist echtes Fantum.

Ja! Das war mir irgendwie nicht bewusst, ehrlich gesagt. Ich war in meiner kleinen Welt und alles war gut. Ich war eher erstaunt, wenn ich dann mal rausging, als ich das erste Mal in der Paradise Garage war beispielsweise.

Solche Clubs hast Du Dir also schon angeguckt?

Ich bin relativ viel gereist, und sobald ich in London oder New York war, bin ich gelandet und war aus.

Und hat Dich das dann auch inspiriert?

Total. Wenn es ein guter DJ war, ja. Ich war eine zeitlang sehr viel in Miami, Monate am Stück, und da gab es einen Club, der hieß Warsaw. Eigentlich ein riesengroßer Schwuchtelclub. Sensation Sensation Sensation.

Und was lief dort für Musik?

Tanzmusik, House, ein bisschen was man kennt, aber in komischen Versionen. Disconet-Remixe oder solche Geschichten.

Wann war das?

Mitte/Ende der 90er, da hatte ich schon Kataloggeschichten gemacht.

Warst Du in den 80ern auch in internationalen Clubs, um Dir das anzugucken, oder hast Du da noch für Dich allein Dein Ding entwickelt?

Ich bin erst spät nach Amerika, ich bin erst so 1982 zum ersten Mal in den Staaten gewesen. Ich war eigentlich in meiner kleinen Welt, war viel zu busy, aber immer superanglophil. Ich war ganz viel in London, und da im Taboo, Heaven, und wie sie alle heißen. Das hat mich schon geprägt, aber nicht als ich anfing.

Das waren ja schon ziemlich legendäre Clubs, die einiges nach sich gezogen haben.

Ja. Mein Lieblingsclub war Troll im Soundshaft, so ein kleiner Club hinterm Heaven, du musstest hoch. Die waren so speziell in der Musik, wenn ich wirklich drei Stunden da war und ein Stück kannte, war das schon viel.

Und die DJs waren auch schon richtig gut?

Ja, aber keine Namen, nix. Ich habe nie diesen Kult verfolgt und verstanden. Ich hatte für mich so Leute, Tom Moulton-Mixe auf Platten beispielsweise, aber ich wäre nie wegen Tom Moulton in einen Club gegangen. Oder wenn Frankie Knuckles in der Paradise Garage ist, ist das ist ein schöner Nebeneffekt, aber ich wollte in die Paradise Garage. Es war der Mythos um diesen Laden. Du hast Spaß in einem Laden, wenn er gut ist, wenn die Musik gut ist, egal wie der Name des DJs ist.

War das dann so eine Grundidee, die ihr im Front verwirklichen wolltet? Einen Laden schaffen, in den die Leute gehen, weil er eine Institution ist, und der DJ ist egal? Oder hat sich das erst so ergeben?

Ich glaube das hat sich erst so entwickelt. Diese geschlossene DJ-Kanzel war einfach gegeben. Und mir kam das extrem gelegen.

Die war schon da?

Die war schon da, die wurde nicht wegen mir gebaut, weil ich dringend unbekannt bleiben wollte. Das waren die Eigentümer Willi Prange und Phillip Clarke, die damals die Idee hatten. Am Anfang fand ich es auch ein bisschen doof, weil ich dachte der Bezug zum Publikum fehlt mir ein bisschen. Das hat mich aber nur angespornt, weil ich sie dann schreien hören musste um zu wissen ob es funktioniert. Und dann habe ich es genossen. Als dann später diese DJ-Handlungsreisenden-Geschichten anfingen, was ich dann ja auch schon so schrecklich fand, hab ich dann auch wirklich gemerkt, dass ich es besser finde wenn man nicht gesehen wird. Ich fand es dann wirklich anstrengend. Als DJs immer berühmter wurden, und dann Leute dir zugucken beim Mixen. Eigentlich hat mir keiner beim Mixen zugeguckt.

Wäre das für Dich eine Horrorvorstellung gewesen?

Wahrscheinlich ja. Ich weiß es nicht. Wenn es von Anfang an so ist, dann ist es nachher wahrscheinlich normal. Wenn du es zehn Jahre nicht hast, und auf einmal wollen sie dir alle auf die Finger gucken, ist es was anderes.

Für die meisten DJs ist es ja wahrscheinlich das Gegenteil von dem, was sie wollen. Sie wollen gesehen werden, und Fame. Was Du damals gemacht hast, ist ja eine totale Absage daran.

Ich weiß. Aber es geht ja nicht um mich. Es geht in erster Linie darum, dass du einen Club hast, du willst den Club voll machen. Was ist das für ein Club? Ist es ein Trinkclub, ist es ein Fickclub, ist es ein Tanzclub? Wir sind Dienstleister, let’s face it. Die zu It-Girls werden irgendwann. Und alles was „It“ vorne dran hat, wird schon schwierig. Dann spiralisiert sich das in so einen Zwang. Ich habe letztens so ein paar Berliner DJs fotografiert, fürs Heft, von den meisten hatte ich aber vorher noch nie gehört. Drei waren es, und zwei von denen haben sich benommen als wären sie mindestens David Morales, Frankie Knuckles und wer weiß ich unisono. Und ich fand es ein bisschen peinlich, ehrlich gesagt. War vielleicht peinlich für mich, weil ich noch nie von denen gehört hatte. Ich bin zwar weg vom Fenster, aber auch nicht so weg, dass ich von Lady Gaga noch nicht gehört hätte.

Aber zu Deinen Hochzeiten gab es in Deutschland doch nicht wirklich DJ-Stars.

Weiß ich nicht. Väth und Fetisch und Hell, waren die nicht auch schon beliebt? Wahrscheinlich später, durch Techno.

Aber speziell in Hamburg hattest Du ja auch einen Kultstatus.

Ja, hatte ich nachher. Hamburg war echt sehr sehr gut zu mir. Ich bin überhaupt erst nach Hamburg gekommen, weil ich in diesem Pavone war, in Köln, und irgendwie hörten dann so zwei Jungs, dass da so ein DJ ist und bla bla bla. Denen gehörte das Coconut, und die hatten so einen Gay Tea Dance-Sonntag. Der Laden war superklein. Es war eine alte Garage, wo die Tanzfläche da war, wo man unter die Autos guckt, und drumherum standst du und warst aber echt Mund-Schwanz-Höhe. 5 nachmittags aufgemacht, 6 kam keiner mehr rein. Dann war zu und es ging bis 11. Ich stellte nach einer ganzen Zeit erst fest, weil es mich nicht interessiert hat, die Leute kamen aus Amsterdam und Hamburg dahin. Also Willi Prange kam jeden Sonntag zum Tea Dance nach Köln gefahren. Irgendwie fand ich es cool, aber irgendwie natürlich auch ein bisschen absurd.

Hattest Du das Gefühl, Du wirst verfolgt?

Nein, ich kannte die alle gar nicht, das habe ich alles erst nachher erfahren. Nee, null, alles entspannt. Ich hab dann eben in Frankfurt auch aufgelegt, und einer der Barmenschen machte dann dort dieses Construction auf, und wollte, dass ich bei der Eröffnung spiele, und meine Kölner Leute sagten, nee, das geht nicht. Und ich dachte, was ist denn jetzt hier los? Es ist 400 km weit weg, es ist nicht an einem Tag, wo ich hier sowieso gebucht bin, sondern an einem anderen, und hab es dann heimlich gemacht. Und die standen dann auf einmal an dem Abend vor der Kanzel. Und dann war ich so genervt, dass die sich so aufgeregt haben. Es ist ja nicht so, dass man schon über solche Summen gesprochen hat, oder gesagt hat, du spielst da nicht, dafür zahl ich dir fünfmal so viel. Und ein anderer Freund sagte dann, so, wir fahren jetzt weg übers Wochenende. Wohin? Nach Amsterdam wollte ich nicht, da war ich pausenlos, Berlin, ich kannte alles, außer Hamburg. Ich weiß noch wie heute, wir sind schlecht gelaunt in so einem Jaguar losgefahren, in so eine Bar, und da sagte man uns, da ist ein Club, der heißt Front, da müsst ihr hin, der ist toll, der hat gerade aufgemacht. Und dann bin ich da reingekommen und in dem Moment fällt Willi Prange vor mir auf die Füße, und ich wusste überhaupt nicht wer dieser Mensch ist. So ist es eigentlich losgegangen, und drei Wochen später war ich dann in Hamburg.

Du bist also tatsächlich fürs Front nach Hamburg gezogen?

Ich bin dann fürs Front nach Hamburg gezogen, ja. Anfang 1983. Das war auch wieder so ein Punkt, wo alles zerbröckelte. 1982 hat das Front aufgemacht.

Das war ja eine Zeit, in der musikalisch eine Menge spannende Sachen passiert sind.

Das war wirklich extrem spannend. Da kam diese ganze Boy George/Human League-Nummer, Synthiepop, da hab ich dann ja selber auch noch mitgespielt.

Mit Boytronic?

Mit Boytronic. Diese zwei Jahre Bullshit. Die erste und einzige Platte gemischt. Ich habe zwei Sachen jemals im Studio gemischt. „Trigger Track“, diese B-Seite. Und dann habe ich mal diesen Mash-up gemischt von Caterina Valente und Frankie Goes To Hollywood. Ich fand Studioarbeit nicht so unbedingt meins. Deshalb war das schon mal so ein bisschen ausgeschlossen, für acht Jahre später, zum Entscheiden, was man eigentlich will oder nicht. Und bei Boytronic z. B. habe ich festgestellt dass man eben komplett fremdgesteuert war. Es war eine Person, auf einmal ist der Hit Top 10, und die Plattenfirma entscheidet wir brauchen drei Jungs, weil Alphaville sind auch gerade drei und die sind so gut, und Holger war halt im Front und meinte, „wir müssen ein Video drehen, hast Du Bock?“ Und dann denkst du, machst du? Machst du nicht? Machst du? Machst du nicht? Hm, probier mal… Eine lustige Abwechslung. Es war auch nur für ein Video gedealt, und dann war ich da zwei Jahre irgendwie verhaftet. Ich hatte aber null niemals was zu sagen. Fürs Video in London wurde man in irgendwelche Mönchskutten gesteckt, wo ich schon wieder abreisen wollte. Aber wir haben das dann Ende 83 kurz vor Silvester gedreht, und waren dann im Heaven, und zum ersten Mal traten da Frankie Goes To Hollywood auf, mit „Relax“, was dann erst im darauf folgenden Jahr zum Sommer richtig durchschlug. Und das war extrem beeindruckend, wie die das da hingedonnert haben. Echt toll. Und wir da, die kleine Synthieband, die mal im Trinity auftreten durfte, oder bei Formel Eins.

Da kam man sich klein vor?

Ich kam mir nie groß vor, weil es eh alles fake war. Eigentlich genau das, was jetzt auch passiert. Dieses Casting-Drama. War lustig, ich hab ein bisschen was gelernt. Aber ich habe halt auch gelernt, dass ich eben keine Lust habe mich mit so Leuten zu beschäftigen, die sich eigentlich nicht um die Musik kümmern, sondern nur darum, wie sie möglichst viel Kohle reinkriegen.

Um was es bei Pop eben auch geht.

Völlig in Ordnung. Ich bin wahrscheinlich nur neidisch, dass mir dieser Strang ein wenig fehlt. Ich glaube es ist eher ein bisschen wirklich das. Wo ich mir denke, damn, warum warst du nicht ein bisschen cleverer? Es war mir egal. Mir ging es immer nur darum, dass ich ein bisschen gute Laune hatte und dass diese kleine Gruppe, die eng war, und das waren die, die ins Front kamen, dass die Spaß hatten. Alles andere war mir wurst.

Damals in einem Club aufzulegen erforderte ja auch eine Menge Disziplin. Heute ist eine Residency, wenn man vielleicht ein paar Male im Jahr in einem Club auflegt, und Du hast mehrmals die Woche im selben Club aufgelegt.

Am Anfang hatten wir von Dienstag bis Sonntag auf, und ich hab jede Nacht gespielt. Aber fand ich gut. Es war wirklich gut, du konntest direkt alles ausprobieren. Unter der Woche war es nicht extrem voll, nur mal eine Stunde oder zwei. Du konntest einfach rumspielen. Und das hat mir total Spaß gemacht. Wenn nix los war, war ich nie der, der ein Tape reinlegt und sich an die Bar setzt. Vielleicht mal, aber nicht wirklich.

Wenn man sich die ganze Zeit so konzentrieren kann, entwickelt man ja auch schon einen eigenen Stil.

Ich glaube das hat damit ganz ganz viel zu tun. Ganz entspannt, das war toll. Das Front hat alle Platten gestellt, d. h. ich hatte auch nichts von dem Scheiß zuhause. Ich hatte dort einen Plattenspieler, ich liebe Schallplatten, aber ich hatte kein Mischpult oder einen zweiten Plattenspieler. Null, nada. Ich hatte auch keine 12“s zuhause.

Du hast die Platten also auf Rechnung vom Laden gekauft?

Auf Rechnung vom Laden, ja. Und die bekamen dann den Front-Stempel. Irgendwann haben sie alle verkauft, und ich hatte eigentlich Vorkaufsrecht, war aber zu der Zeit mal wieder am anderen Ende der Welt, und dann nicht. Irgendwann muss man sich dann auch trennen. Wenn du zu mir nach Hause kommen würdest, würdest du durchdrehen. Da sind irgendwie 5000 Schallplatten von denen ich nicht weiß, gebe ich sie jetzt weg, gebe ich sie nicht weg. Dreiviertel ist echt Schrott, würde man niemals mehr anpacken. Und das Gleiche habe ich mittlerweile in meinem anderen Job mit Zeitungen. Beim Umziehen habe ich dann gemerkt, wie geht man eigentlich mit seinen Altlasten um? Wie nutze ich sie, und wie nutze ich sie nicht? Und dann habe ich noch mal diese Gigs angeboten bekommen, die ich ganz schrecklich fand. Boris Dlugosch hat mich besucht mit seiner kleinen Tasche und seinem Laptop und seinen fünf CDs, und ich dachte, ich schlepp doch jetzt hier nicht 80 Kilo Platten durch die Gegend, dafür dass ich eh nicht mehr gut bin. Oder die Erwartungshaltung von den Leuten… Ich habe eine andere Erwartungshaltung an mich selber. Ich muss mir nichts beweisen. Und wenn ich dann was mache, will ich es aber gut machen. Sonst muss ich mich nicht in die Öffentlichkeit stellen. Wenn es heißt Stockhausen spielt, kommen Leute und haben eine Erwartungshaltung. Plus erwarten sie dann den ganzen alten Dreck, den ich gar nicht zwanghaft gut finde. Ich würde lieber durcheinander, oder obskure Sachen spielen. „Party Boys“ zum Beispiel war für damals obskur. Es war total underground. Und das war eigentlich mein Glück damals, dass ich diese Underground-Platten so sondieren konnte, dass sie funktionieren. Und jetzt gibt es keine Underground-Platten mehr. Sondern Pre-Release schnick schnuck schnack.

Du hast im Front aber teilweise auch Pophits gespielt.

Fand ich ja auch toll. Der war ja auch frisch und neu, auch durch die ganze neue Art des Remixens, oder der Extended Versions. Dank an Madonna. Die Remixe von „Holiday“ haben mich und meine Crowd sehr glücklich gemacht. Und schön war aber auch, diese Popsachen ein bisschen zu zerstückeln. Dass sie alle dachten, jetzt geht es gleich richtig los, und dann machtest du wieder was ganz anderes. Das fand ich eigentlich auch ganz spannend. Ich wollte die Leute rumschreien hören, und das schaffst du nicht, wenn du einen Top 5-Hit acht Wochen später spielst nur damit die Tanzfläche voll wird. Das ist so Autoscooter-Musik, oder Großraum-Disco, oder Erlebnisgastronomie. Alles so Schimpfworte für mich. Geht gar nicht.

Wenn Du zuhause nicht gemixt hast, waren das so plötzliche Eingebungen? Hast Du gedacht, ich mache jetzt dies und das, und die Leute flippen aus?

Nee. Wie gesagt, du hattest acht oder neun Stunden am Stück zu arbeiten, und davon war vier Stunden keiner da. Also spielst du rum mit den neuen Platten die du hast. Und wenn ich eine Platte ganz besonders gut fand hab ich mich auch nicht geschämt die sechsmal am Abend zu spielen wenn sie neu war. Bis die sie begriffen haben. Und wenn sie sie dann drei Wochen nicht begriffen haben, hab ich sie dann dezent wieder zurückgefahren. Aber ich hab schon versucht, das was ich gut fand zu pushen. Deshalb war auch immer bei 132 bpm Schicht, dann bin ich immer wieder runtergefahren. Ich brauche auch immer ein bisschen Soul und Groove. Man muss immer auch ein bisschen wigglen können.

Man musste in jener Zeit ja auch nicht stundenlang Schub geben. Du hast ja auch gerne Brüche eingebaut.

Absolut. Du musst einen Spannungsbogen aufbauen. Du hast irgendwie sechs Stunden zu überbrücken. Die Leute kommen zwar für zwei, drei Stunden wo es peakt, und in denen gibst du natürlich Gas, aber du hast nicht den Druck den du heute hast. Wenn du heute als DJ nur zwei Stunden spielst, musst du zwei Stunden Gas geben. Oder für dich zumindest Gas geben, was es auch immer für dich heißt, ob die Crowd es jetzt mag oder nicht. Aber es ist immer nur Alarm am Start.

Und Sachen von denen man halt weiß, dass sie funktionieren.

Ja, natürlich. Du hast ja nur zwei Stunden. Und du kennst nicht unbedingt die Crowd, weil du gerade mal wieder in Villingen-Schwenningen auflegen musst oder was weiß ich wo. Und du weißt einfach nicht was funktioniert, außer du bist vielleicht auf Ibiza oder da oder dort, wo sie schon vorn vornherein so zertrümmert sind, dass sie eh auf alles abstolpern. Und dann ist es auch wurst. Aber grundsätzlich ist das dieser Druck, den die Jungs heute haben mit ihren Stundengigs. Das sah man doch damals schon als die Großen kamen, Frankie Knuckles oder David Morales. Irgendwie funktionierten die nicht woanders. Ich weiß ich hatte mal eine Superenttäuschung an so einem Abend. Ich hab mal David Morales in Paris gesehen, und das war so grottig. Ich war voll enttäuscht.

Man kann das also nicht immer verpflanzen?

Ich finde nicht, dass man das kann. Vielleicht kann man es, dafür habe ich es nicht so oft verfolgt. Ich habe es zweimal gemacht, und fand es ganz ganz schrecklich. Einmal ein Auswärtsgig, mit Kemal Kurum übrigens, in Koblenz. Das war ganz ganz tragisch. Du weißt wirklich irgendwann, dass du deine drei Hammerhits rausholen musst, und dann tanzen da so drei verstrahlte Mädels. Und es war einfach nur traurig, und auch das Geld nicht wert. Das ist einfach waste of energy.

Du sagtest ja auch, dass Dir der Erziehungsgedanke wichtig war, und Du hast das im Front jahrelang aufgebaut.

Ja. Das weiß ich jetzt. Das wusste ich damals nicht. Damals war man immer nur am Rumexperimentieren und wie weit kann man gehen oder nicht. Oder wie wird mir nicht langweilig? Das hatte auch ein bisschen damit zu tun.

Du hattest natürlich einen Spielraum, um den Dich heute viele DJs beneiden würden, aber andererseits haben viele DJs heutzutage vielleicht auch nicht die Geduld und auch gar nicht die Möglichkeiten, so etwas so langfristig und kontinuierlich aufzubauen.

Ja, die Geduld haben sie schon mal nicht, weil sie ja schon drei Minuten später berühmt sein wollen. Es ist überall dasselbe. Warhol hatte echt extrem Recht. Ob es DJs sind, oder irgendwelche Topmodels, die jetzt alle zwei Minuten um die Ecke kommen, oder Star-Stylisten oder was auch immer. In jedem Bereich dasselbe. Die wollen nur quick fame. Viele wissen gar nicht, was sie wirklich machen wollen. Nur mal schnell berühmt, in irgendeiner Stadtzeitung, oder auf so einem Flyer, und dann aber trotzdem die Gästeliste voll machen von sich selber mit 300 Leuten.

Hast Du denn damals darüber nachgedacht, als Du im Front angefangen hast, wie lange es andauern würde?

Nee, hab ich nicht drüber nachgedacht. Es war ein spannender Club, das Konzept war sensationell. Es hatte ein bisschen was von einer geschrumpften Version der Sound Factory in New York, mit den puren Wänden, die dicken Boxen die da rumhingen. Es hatte dieses Pure, das fand ich halt cool.

Es hat nichts abgelenkt?

Es hat nichts abgelenkt, es ging nur ums Tanzen. Es hat von den Wänden getropft und es war keine wahnsinnige Lichtshow. Es ging um Musik, und das fand ich wichtig. Sonst war da nichts, nada, niente. Es wurde nur dekoriert, wenn diese Motto-Partys waren. Die waren ja auch für die damalige Zeit eine Sensation. Das ging so 1984 los, ein bisschen inspiriert vom Area in New York, wo sie immer im Schaufenster lagen usw. Und was Boris in dem anderen Interview sagte, dass man dann zusammen saß und das auf ganz gemütlich entwickelte, ist völlig richtig. Es war ganz entspannt. Man saß nachmittags zusammen und hat irgendwie einen Joint geraucht und Wein getrunken und sich totgelacht. Das war keine Arbeit. Das war alles keine Arbeit. Und dann kam eben so etwas wie „Jackie O. und Dr. No“, hi hi hi, oder „The Amazing Corpus Christi“. Ha, worüber reden wir? Über Christus? Nein, über die Stadt in Texas. Nein, über dies und das, und was kann man machen. Oder „Hermes und Eurydike“. Was machen die denn so? Ach, da packen wir die Jungs in so lange Unterhosen, und Stiefel und Hermès-Tücher und setzen sie auf so alte Böcke aus der Turnhalle, und dann sitzen sie da den ganzen Abend. Und weil die Themen so kryptisch waren, hatten die Leute auch eine größere Bandbreite an Fantasie was dazu beizutragen als wenn du nur sagst, The Red The White The Green Party. Und so sahen sie ja dann auch aus, die haben sich ganz schön aufgetakelt. Mode wurde auch gerade berühmt. Ich weiß noch am Anfang im Front, da standen sie dann alle in ihren Gaultier-Jacken und keiner hat sie ausgezogen, und es war auch so ein bisschen ein Ziel, wenn sich Leute so in ihrer Schickheit verlieren, es gab ja schon einige Poser, und dann irgendwann auch die Jacke um die Hüfte geschlungen haben, dann war gut. Diese Arroganz. Ich will hier gar nicht sein. Dann geh doch nicht hin, oder mach mit.

Clubkultur und Mode sind ja untrennbar, und Du hattest offensichtlich auch damals schon ein Interesse daran. Wie war es im Front? Gab es einen bestimmten Stil?

Wie gesagt war ich ja sehr viel in der Kanzel, aber ich bin auch manchmal rausgegangen! Was war es denn? Es war The Face, es war Nick Kamen, 501-Jeans und Bomberjacken. Klassiker, nach wie vor, nur die Silhouette ist jetzt anders. Die Bomberjacken haben eine andere Form und die Jeans hängen nicht mehr hier und sind gezurrt, sondern sind eng usw. Das gepaart mit den ersten Elementen von Chic. Ich meine, da waren ja auch komische Leute im Front. Die jetzige Chefredakteurin der Vogue oder Wolfgang Joop, und später dann Michalsky und diese ganzen Leute, aber die sind ja nicht aufgefallen, oder es hat sie keiner hofiert. Es war eher lästig, solche Leute zu haben. Es war nicht gewollt, oder gemocht. Wir haben eher versucht, das runter zu drücken. Ich habe nie viel davon mitgekriegt. Nachher hat mich dann Wolfgang Joop gebucht und ich habe Musik für Modenschauen gemacht und sowas. Oder Christoph Amend z. B., ob jetzt Celebrity oder nicht, aber immerhin jetzt Chefredakteur vom Zeit-Magazin. Das hab ich jetzt erst alles rausgekriegt. Von Michalsky weiß ich es auch erst seit einem Jahr, dass er früher ins Front gegangen ist.

Hattest Du damals überhaupt abschätzen können, was Du für einen Einfluss hast?

Nee, überhaupt nicht. Ich hab mich einfach nie so wichtig genommen. Ich hab mich nie gut verkauft. Da sind wir wieder beim Neid, bei Eigentumswohnungen.

Das eine ist ja, wenn man sein Profil bewusst niedrig hält, und das andere wenn man es wirklich ablehnt.

Ich weiß gar nicht ob ich so oder so gedacht hab. Es war so, dass ich nach der Arbeit nicht noch auf den Kiez musste, um mich da feiern zu lassen oder abzufeiern, sondern dass ich dann glücklich war nach Hause zu gehen, weil ich auch müde war und gute Arbeit gemacht hab. Außerdem war ich immer in Beziehungen, d. h. ich war dann immer froh ein easy Leben zu leben. War mir das bewusst? Nee, ich glaube nicht.

Spielte da denn so viel zusammen, dass Du Anfang der 90er gedacht hast, jetzt reicht es auch langsam?

Ja, da spielte viel zusammen. Ich habe bei Boytronic gelernt, dass ich lieber hinter der Kamera war als vor der Kamera, und eben auch nicht so gerne im Studio sitze. Dann hat sich die Musik gewandelt. Acid House war mein letzter großer Favorit, was ich wirklich wirklich wirklich wirklich wirklich geliebt habe. Aber dann wurde ich 32, und da waren nur noch Siebzehnjährige, und ich dachte, time to move on. Und zeitgleich kam halt diese Modeschiene. Ich musste versuchen, eine Entscheidung zu finden. Und damals, wie heute auch noch, wenn du dich nicht vier Wochen am Stück weitergebildet hast, bist du einfach draußen. Und dann war ich einfach ein bisschen draußen. Und dieser ganze Love Parade-Dreck, das fand ich alles schrecklich. Das ist, was jetzt für mich Unterschichten-Fernsehen ist. Was ich mir ganz gerne angucke. Ich meine das nicht wertend, dass die Leute jetzt Unterschichten sind, aber es war für mich Kirmes, Karneval, Oktoberfest, Halloween. Alles so in eins. Es war so Spektakel, und es war zuviel Spektakel darauf gemünzt, wie viel Ecstasy schaffe ich noch. Und es war mir zuviel, weil ich immer gerne Kontrolle habe. Ich fands einfach nicht cool. Ich war einmal auf so einem Techno-Ding, und bin glaube ich nach einer halben Stunde gegangen.

Du sagst, Du hast Acid House geliebt, und das waren ja zum Teil auch ganz schön radikale oder auch reduzierte Platten. Warum hast Du das gemocht, und dann bei Techno Schwierigkeiten gehabt? Da gibt es ja schon viele Parallelen.

Da gibt es ganz viele Parallelen. Das weiß ich irgendwie gar nicht ehrlich gesagt. Acid House war noch einen Tacken melodischer.

Bei einer Acid House-Nacht damals lief ja auch nicht die ganze Zeit nur 303-Geblubber.

Das war nicht zwanghaft so, nee. Da liefen auch Vocals, aber auf einmal nicht mehr so viel. Ich hab es nie so gemacht, für mich musste wenigstens nach zwei Stunden etwas anderes passieren, sonst hast du wirklich nur noch diesen Waschmaschinenrhythmus. Und den schaffst du halt nur wenn du weiter speedest, oder weiter E’st. Was ja alles gut und schön ist, aber how much can you take? Deswegen habe ich früher gerne diese Breaks gemacht, weil es cool war, sich wieder langsam hochzuschaukeln. Hast du die Energie? Wie oft kannst du dich hochschaukeln? Es ging nicht darum, möglichst hysterisch schnell lange zu schaukeln und durchzuhalten, sondern eigentlich eher darum, verschiedene Wellen mitzumachen. Eher verschiedene Episoden von einer Serie zu hören, anstatt einen Podcast, der 28 Stunden dauert.

Diese Brüche waren zuweilen ja schon radikal.

Hardcore.

Der berühmte Front-Laster z. B.

Stimmt, der fuhr gerne durch die vier Boxen. Der war sehr praktisch. Es gab so ein paar Geräusche-Platten. Das Equipment im Front war ja auch superminimal. Am Anfang hatten wir so ganz alte Lenco-Plattenspieler, die dann nachher Thorens wurden, und ein basic Mischpult ohne Fader, ohne alles. Mit den Lencos konnte man auch pitchen, aber wesentlich schwieriger als mit späteren Plattenspielern. Die hatten nicht diesen Regler, wo du genau sehen konntest was passiert ist.

Und wann kamen dann die ersten Technics?

Die kamen dann so 1985.

War das eine große Erleichterung?

Ja. Ich fand sie am Anfang komisch, weil ich mich dann an diese Lencos gewöhnt hatte. So wie man sich umgewöhnt von Nokia zu iPhone. Und jetzt ist es noch mal wieder ganz anders. Und das ist eigentlich ganz cool, dass man diese ganzen Evolutionen mitgekriegt hat. Ich bin mit Discomusik groß geworden. Wann hat das angefangen? 73 oder so. Da war ich 15.

Und nach Disco hast du dann alles miterlebt und mitgestaltet was unmittelbar danach kam.

Da bin ich extrem glücklich drüber. Dass ich das Glück hatte, diese ganze Bandbreite kennen zu lernen. Im Sinne von Entwicklung. Und weiter. Daraus hat sich Techno sicher auch entwickelt, aber eigentlich habe ich im Moment so das Gefühl, dass nicht mehr wirklich viel passiert.

Wie bist Du denn auf die ersten House-Platten gestoßen? Landeten die in Hamburg irgendwann einfach im Plattenladen, bei Tractor z. B.?

Nee, Tractor war viel später. Als ich in Köln war, bin ich immer einmal die Woche nach Amsterdam gefahren. Es gab ja nur so zwei, drei Importläden überhaupt, und ich saß da ganze Nachmittage drin. Ich wüsste nicht, was meine erste House-Platte war. So, jetzt habe ich hier eine House-Platte, die leg ich jetzt auf, das wird was.

Es war ja wohl auch ein fließender Übergang von dem, was vorher lief.

Ja, total. Ich weiß nicht, ob es Farley Jackmaster Funk war, oder irgendwas auf Trax. Ich konnte es noch nicht mal auf das Label beziehen.

Hast Du House als eine Evolutionsstufe wahrgenommen von dem, was du vorher aufgelegt hast? Oder sahst Du das als etwas Neues?

Nee, ich fand halt alles war so eine Melange, oder eine Evolution. Deswegen hatte ich auch keine Angst, das zu mischen. Es ist alles eine Evolution, es hat sich nur verschoben. Ein bisschen auf doof ging es halt von Philadelphia nach Chicago, Detroit und dann wieder da hin, und dann East Coast, West Coast, dann hast du London, auf einmal hast du Manchester. Das ist ja alles eine Zehnjahresspanne, aber es ging so städtemäßig, oder ganz später halt auch produzentenmäßig. Es war nichts Neues, es war eher frisch. Aber wenn Musik gut war, war sie gut, egal ob sie jetzt ein frisches Label hatte.

Aber es war damals auch gar nicht abzusehen, wie sich das entwickelt?

Wo es hin geht? Nö. Ich fand das erstaunlich, und das hat ja auch Spaß gemacht.

Ich fand das war eine aufregende Zeit, eben auch weil sich die Musik so rasend schnell entwickelte.

Total, das ging rucki rucki zucki. In Deutschland waren wir ja früher immer so ein bisschen die armen Nachzügler, weil hier ja nie was hinkam. Das hat sich ja erst mit MTV geändert. In den deutschen Top 10 gab es vielleicht mal Cliff Richard auf Englisch. Wir kannten ja sowas alles nicht. Es gab es wirklich nicht. Es ist echt crazy, und man darf gar nicht drüber nachdenken. Aber nicht vergessen, es gab auch nur drei Fernsehprogramme.

Und es gab schon gar nicht Medien für Clubkultur.

Null. Man wusste ja gar nicht was Club ist. Auf einmal war das Wort Disco da, drei Jahre später wurde es verdammt, und dann geht es wieder über irgendwelche Raves, oder irgendwelche Drogen.

Als Disco totgesagt wurde, wurde es doch eigentlich erst richtig spannend, oder?

Ja, total. Aber auch das fand ich nicht schlimm, weil ich immer in kleinen Clubs war und die Leute erziehen konnte. Ich dachte, sagt ihr mal dass es tot ist. Mir fällt jetzt kein Name ein, aber was dann so populär wurde, war auch so Milli Vanilli-Typen-Musik, auch wenn das hunderttausend Jahre später war. Das hat man halt ausgelassen. Was nachher in der Öffentlichkeit für Disco stand, war ja nicht das was, wie du schon sagtest, danach erst spannend wurde. Und dann ging es in Hi-NRG, oder in wavige, elektronische, oder auch souligere Richtungen. Immer noch ein bisschen Soul. Hi-NRG fand ich okay, aber es war mir dann manchmal zu kreischig. Spießig-schwuchtelig. Böse böse böse. Aber es gab immer ganz gute Remixe. Ich habe eine Zeit immer nur ganz ganz viel Dub gespielt, aber damals waren auf den Dubs zumindest immer noch die Refrains. Und das hat es spannend gemacht. Du konntest nicht zehn Minuten diese Stimmen hören. So sehr ich für Stimmen bin, aber Hazell Dean dreimal hintereinander, oder Two Tons Of Fun, da musste ich kotzen. Für viele Leute steht das auch so auf der Revival-Liste, wenn sie zu so einer Party gehen, wo ich sofort kotzen muss und nach Hause geh. Dazu gehört „It’s Raining Men“, „Cuba“…Und wenn wir in dieser Richtung sind, dann ist natürlich Disco tot. Und es waren natürlich Riesenhits.

Für mich waren das immer typische Popperdisco-Hits.

Ja, aber jetzt darf man nicht vergessen, die Hauptstadt der Popper war Hamburg, let’s face it. Es war so Popper trifft Poppers-Schwuchtel.

Die Musik im Front hingegen war nicht poppermäßig.

Gott sei dank. Ein bisschen minimalistischer, kantiger, und dann hatte ich ja irgendwann mal diese Terry Jam Lewis-Zeiten, wo ich gar nicht genug davon kriegen konnte. Ich war ja auch immer mehr Janet als Michael.

Du hast ja auch viel diese New York-Freestyle-Sachen gespielt.

Love Love Love. Weil sie eben so breaky und kantig, und schwer zu tanzen waren in so einem Fluss. Aber wenn du die dann geschafft hast war gut. Und Hip Hop mochte ich auch ganz gerne, und Hip House später. Ich hab überall mal reingerochen, klar. Ich hab auch sicher den einen oder anderen Techno-Track gespielt, aber nicht wirklich. Ich hab ja auch Caterina Valente gespielt.

Dieser Edit ist ja sagenumwoben.

Der ist toll, dieser Edit. Das Lustige ist, das hab ich jetzt beim Umziehen gefunden, dass selbst in den Tractor-Charts dieser Edit stand, den es einfach nur einmal auf Kassette gab. Und ich hab halt diese Kassette gespielt, was ich sonst nie gemacht habe. Da musste z. B. ein Break vorher sein, weil man gar nicht in die Kassette reinmixen konnte, oder zumindest konnte ich es nicht.

Edits sind ja heutzutage ein großes Thema.

Sind sie? Warum?

Weil diese Edit-Kultur wieder zurückgekommen ist. In der Disco-Ära gab es viele DJs, die mit Schere und Klebeband ihre Versionen gemacht haben, und heutzutage kann man das mit entsprechender Software viel einfacher machen.

In zwei Sekunden.

Viele Produzenten und DJs machen DJ-freundlichere oder alternative Versionen von alten Tracks. Manchmal ist das ein bisschen ideenlos, manchmal gut.

Kommt immer auf die Person an, die dahinter steht. Das Caterina Valente-Ding war ein voller Mash-up. Das Wort kannte ich damals nicht, aber ja. Im Front gab einen Break, dann kam diese Valente-Einleitung „Spiel noch einmal für mich, Caballero“, und dann rollen Frankie von hinten ran. Es ist auch nicht so, dass ich vier Tage in diesem Studio daran rumgebastelt habe, es war so nebenbei. Es war der dritte Versuch, und ich dachte ich krieg das sowieso nie mehr anders hin und hab es einfach probiert ob es funktioniert.

Aber Du wolltest das nicht veröffentlichen? Das sollte exklusiv für den Club sein?

Ich hab da gar nicht drüber nachgedacht. Als es dann alle toll fanden hab ich es schon nicht mehr gespielt. So einen Mash-up kannst du nicht vier Monate jeden Abend spielen, weil er so toll ist. Gerade diese Mash-ups funktionieren punktuell, gezielt eingesetzt, und dann ist auch mal gut. Und wenn vier Leute am Abend danach fragen, weißt du dass Schluss ist. Das war aber immer mein Credo.

Platten hatten bei dir also eine begrenzte Halbwertszeit.

Hippe Platten, oder Chartsplatten, ja. Dann so andere dann wieder nicht, aber die waren dann auch nicht bekannt. Deswegen hatte ich für dieses Interview auch noch Kleeer angegeben, I love Kleeer. Das war so eine Musik, zu der ich gerne getanzt habe.

Das ist ja auch gar nicht so weit weg von Foxy.

Nee, stimmt. Und Sylvester, aber nicht „You Make Me Feel (Mighty Real)“. Und ich war der größte Asha Putli-Fan, aber mir fiel ein, dass ich nichts über diese Frau wusste. Ich habe mich um solche Sachen immer nicht weiter gekümmert. Erst viel viel später. Und als ich sie dann nach dem Umzug zum ersten Mal angemacht habe, dachte ich wow! In München produziert, wusste ich ja gar nicht. Sie war eine Muse von Warhol irgendwann, und Warhol habe ich nicht zwanghaft mit Munich Sound Machine in Verbindung gebracht. Also diese Off-Sachen mochte ich immer am liebsten.

Hast Du sowas auch im Club gespielt, also Sachen die Dich am Anfang geprägt haben? Sachen wie Roxy Music etwa?

Ja ja ja. Meistens am Anfang oder am Ende, oder mal zwischendurch.

Ich kann mich erinnern, dass im Front in der letzten Stunde immer dezidiert runtergefahren wurde.

Ja. Es war ja kein fließend auslaufender Club. Wir haben einfach um die und die Uhrzeit zugemacht, und manchmal machten wir Alarm und das Licht geht an, das funktionierte aber auch nur manchmal. Und manchmal ist es extrem cool, die Leute runterzubringen. Du weißt eh es leert sich langsam und du versuchst jetzt noch mal eine andere Musik reinzubringen, um dann die die noch da sind extrem glücklich zu machen. Weil die die noch da sind wollen auch was anderes hören und nicht versuchen, dass der DJ in der letzten Stunde seine drei Hits peitscht vom Abend, die wir eh schon zehnmal gehört haben.

Du hast die Leute sanft in die Realität zurückgelassen?

Na ja, eher so: Oh Mensch, schade, dass es vorbei ist. Was sowohl als auch passiert, aber im Front mochten die Leute dieses langsam runter ganz gerne, weil ich auch Sachen gespielt habe, die ich sonst nicht gespielt habe. Manchmal auch ganz alte Sachen.

Haben die Leute darauf gewartet, was Du eventuell an Überraschungen spielen würdest?

Ich glaube schon. Und die Leute wollten einfach nicht gehen. Dann fing das irgendwann mit Afterhour an, aber das war ja auch erst später in den 80ern. Eigentlich war ja um sechs Uhr Schluss. Dann gab es auf dem Kiez vielleicht noch eine Kneipe, aber nicht zwanghaft noch einen Club, außer so Prolldinger.

Die Leute verhalten sich im Club auch anders, wenn sie wissen dass um eine bestimmte Zeit Schluss ist.

Ganz genau. Und das betrifft auch den DJ. Das Problem heute ist, dass du fließend ausgehen kannst von Mittwoch bis Dienstag. Was ja auch sehr schön ist, aber dafür finde ich es halt nicht divers genug. Beziehungsweise, ich könnte so eine Diversität gar nicht 72 Stunden hintereinander durchleben ohne vollgedröhnt zu sein. Und wenn du einen bestimmten Dröhnlevel hast, gehst du eh nur noch zu einer Musik, wo du nicht mehr runterkommen musst.

Bestimmte Musik enthält dann ja auch zu viele Signale, das würde Leute auf so einem Level geradezu stressen. Vieles, was Du damals gemacht hast, war in dem Sinne ja voller Stress.

Total viel Stress gemacht, ja! Wie gesagt, dass ist alles sehr toll, dass man das in mich reininterpretiert. Ich bin das nicht so angegangen. Es mag sein, ja. Und das hat aber auch so Spaß gemacht, deshalb hatte ich nachher auch nicht mehr soooo viel Lust. Jeder war auf einmal DJ, jeder hat gemixt, hier nochmal und da nochmal, und das fand ich irgendwie schwierig. So einen Personenkult. Wie hast du denn damals geheißen? Werde ich dreihunderttausendmal gefragt. Was meint ihr? Wie war denn dein DJ-Name? I don’t know, ich hatte keinen.

Das kam Dir absurd vor?

Ja, natürlich kam mir das absurd vor.

Hast Du es denn Ende der 80er wahrgenommen, das es so langsam so richtig damit losgeht?

Ja, klar.

Und das hat Dich genervt?

Nee, es war schon ein bisschen spannend. Wer war nochmal in Frankfurt, im Cocoon? War das Sven Väth oder der andere?

Sven Väth.

Es tauchten halt diese Namen auf, und die dazugehörigen Clubs, und in einem Atemzug kam immer mein Name mit dem Front. Das habe ich schon mitgekriegt, aber ich konnte es nicht zwanghaft werten, weil ich niemals in einem dieser Clubs war, und nicht wusste ob ich das schön finde oder nicht. Erst nachher, als ich wusste was die Jungs eigentlich für Musik machten konnte ich wissen ob ich das spannend finde oder nicht.

Und fandst Du das spannend?

Ich glaube nicht, aber ich habe sie nie erlebt, genauso wie die das wahrscheinlich auch nicht spannend finden, irgend so ein blödes altes Ding halt. Keine Ahnung. Ich bin einmal in diesem Dorian Gray gewesen, da hat doch auch so ein Megamensch gespielt. Das war ziemlich Ende der 80er, und das war grottig, grottig, grottig, grottig. Lag aber auch viel am Publikum.

War das noch so halb EBM, war Dir das zu martialisch?

Zu martialisch finde ich ja noch ganz gut. Nee, ich glaube es war mir eher ein bisschen zu billig. Ich mag nicht so gerne billig.

Wie war es denn, nachdem Du aufgehört hast? Hast Du das Nightlife noch verfolgt?

Nee nee nee, ich liebte ausgehen. Ich liebe auch tanzen. Es wurde dann halt nur immer weniger. Aber ich war echt viel unterwegs und hatte das Glück gute Clubs zu erleben. So wie Warsaw in Miami. In New York war es nicht schwer. In London war es auch nicht schwer. In Paris fand ich es am Anfang ziemlich schwierig und grauenvoll, dann bin ich auch nicht viel weggegangen. Italien war eine zeitlang cool, weil die einfach ganz gute DJs hatten. Ich könnte dir jetzt nie irgendwelche Namen nennen, aber ich weiß noch wie ich Ende der 70er in einem Club in Mailand war, keine Ahnung wer wo was, aber der spielte „Spacer“ von Sheila B. Devotion und ich war voll abgeflasht. Das fand ich total beeindruckend.

Ich habe da auch Urlaubserinnerungen an den Mittelmeerraum, wo irgendwelche Typen in irgendwelchen Bars die ganze Nacht irre gut aufgelegt haben, sowohl musikalisch als auch technisch.

Das ist genau das, was ich meine. Kult oder Nicht-Kult, darum geht es nicht. Die Leute heute sagen, ich muss um 4 Uhr 30 da und da hin, da spielt der und der. Was ist denn das für eine Art auszugehen? Es ist toll, aber es ist nicht meine Art auszugehen. Ich will ausgehen wenn ich Lust habe, und entweder da ist jemand der spielt gute Musik, d.h. der Club ist gut, oder der Club ist nicht gut. Ich kann doch nicht mein Ausgehverhalten nach dem Timetable von irgendwelchen eingeflogenen DJs richten. Das geht im Urlaub vielleicht.

Möchtest Du Dich auch darauf verlassen können? Du gehst dahin, und Du weißt es ist gut?

Ich weiß es ist für mich gut, es muss ja nicht für andere gut sein. Zum Beispiel in New York bin ich gerne relativ früh hin. Nicht, um überhaupt reinzukommen, sondern um den Club zu erkunden. Eigentlich war ich immer in der Ecke und habe Leute beobachtet, bis es mich dann gezogen hat, wenn es einer geschafft hat, mich auf die Tanzfläche zu kriegen. Und dann habe ich einfach immer weiter abgetanzt. Aber grundsätzlich war ich immer nur zum Beobachten da. Ich war nie so ein Schmetterling, und Socialising, sondern immer nur Observer, Listener. Gucken was passiert, wie die Leute aussehen, wie sie sich bewegen, wie die Musik ineinander kommt. Das fand ich immer spannend.

Hast Du die Leute als aktiver DJ auch so beobachtet, vielleicht auch analysiert?

Ja, ein bisschen. Das ist aber glaube ich dieses Fashion-Gen in mir. Und das fiel halt im Front ein bisschen schwer.

Hast Du im Front gedacht, wie sehen die heute wieder aus?

Nee, nicht in dem Sinne. Eher, oh, guck mal da. Coole Leute, oder hm. Nicht, wie sieht der wieder aus, sondern eher, wow, they made an effort, or they didn’t, or even people without any effort can look really good. Und dann die Energie aufgesogen einfach. Und ich fand die Energien in den Clubs eben schöner, als man noch gekifft hat, und ein bisschen E genommen hat, als wenn es dann zu speedy hysterisch wurde. So out of control. Das wurde dann so austauschbar. Egal, die sind so breit, du könntest jetzt auch wahrscheinlich Heino spielen. Obwohl das wäre dann noch ein Hit. Das hat mich so ein bisschen abgetörnt. Aber ich bin viel ausgegangen, ich hab viel getanzt. Wie gesagt, ich bin in Deutschland nicht so viel ausgegangen. In Hamburg war ich nicht viel in anderen Läden. Und als ich im Front aufgehört habe, bin ich angefangen zu reisen. Und immer wenn ich in Deutschland war, war für mich home, Urlaub, nicht zwanghaft Ausgehen.

Hattest Du beim Aufhören gedacht, ich gebe das jetzt an Boris ab, da ist es in guten Händen?

Da habe ich gar nicht so viel drüber nachgedacht. Boris und ich sind von Anfang an immer extrem gut klargekommen. Weil es auch ein bisschen so eine gleiche Wavelength war. Obwohl ich ehrlich gesagt ihn vielleicht dreimal in meinem Leben gehört habe. Also, eine Nacht.

Habt ihr mal zusammen gespielt?

Wollten wir immer mal. Wir haben glaube ich einmal eine halbe Stunde oder so, dann hatte ich glaube ich keine Lust mehr. Aber nicht aus Konkurrenzdenken. Dieses Battlen, jeder spielt eine Platte, ist ein schönes Spiel, aber…

Du warst eher ein Einzelkämpfer?

Ja, total. Es tut mir leid. Ich bin nicht sehr teamfähig wenn es um Musik geht.

Du hattest immer rigide Vorstellungen bezüglich Musik und warst strikt damit?

Ja, total. Man muss zumindest genau wissen, was man für sich selber gut findet. Entweder du zwingst jemand den Geschmack auf, oder du stellst fest, ah, es gibt noch mehr Leute die so denken wie du. Und das ist die bessere Variante natürlich.

Hattest Du denn auch Phasen, wo Du die Leute überfordert oder verloren hast?

Es war echt so eine Eigendynamik, sobald du da runter gingst in diesen Keller. Aber es gab natürlich auch doofe Tage. Eine zeitlang hatten wir dann ja nur noch mittwochs, freitags und samstags auf. Es waren schon Donnerstage oder Sonntage wo ich dachte, what the fuck?

Am Anfang war der Club nur gay, später gemischt. Hat sich dadurch die Atmosphäre im Front verändert?

Ja, weil es nachher so hip wurde. Das fand ich schon so ein bisschen anstrengend. Grundsätzlich war das Publikum okay, selbst Irrläufer fielen ja nicht zwanghaft auf bzw. sind untergegangen. Obwohl der Club so klein war. Bewusst habe ich das nicht so wahrgenommen. Es war einfach time to move on. Disco-Oma, ZDF-Hitparade, will ich das? Nee. Und dann wäre nur die andere Seite gewesen Producer zu werden oder so. Aber da fehlte mir was.

Viele Leute im Front in jenen Jahren wussten vielleicht auch gar nicht wie lange und was Du da schon aufgelegt hast. Deswegen wirkte Deine Entscheidung 1991 aufzuhören, vielleicht auf manche merkwürdig, obwohl es für Dich bis dahin eine lange Zeit war.

Stimmt, die kannten mich nur aus dem Front, aber es gab ja schon fünf Jahre früher. Es ist alles gut. Ich liebe Musik, es war dann irgendwie durch. Manchmal juckt es mich wirklich, aber ich weiß nicht wie.

Stellst Du dir vor, was Du anders machen würdest als andere DJs?

Ich könnte dir innerhalb von einem Wochenende ein Konzept für einen kleinen Club ausdenken, der komplett anders wahrscheinlich nicht anders ist, aber trotzdem anders ist, und vielleicht auch funktionieren würde. Der müsste relativ klein sein, der müsste eine komische Frequenz habe, im Sinne von Öffnungszeiten. Es müsste extrem strikt sein, und dann müsste man gucken ob es funktioniert. Ob es noch genug Leute gibt, die diese Art von Musik hören.

Heutzutage ist es ja die Norm, dass pro Nacht mehrere DJs gebucht werden. Glaubst Du, es könnte noch funktionieren, dass der gleiche DJ jedes Wochenende auflegt?

Keine Ahnung. Das gibt es gar nicht mehr. Die tingeln ja jetzt rum. Musik im Altenheim, so habe ich das damals gesagt. DJ Klaus kommt dann mit seiner Plattenkiste von Foxtrott bis Hi-NRG. Wie traurig wär das denn? Nein nein nein nein. I wanna be the deputy of love. Auch eine Platte, die viel zu unberühmt war. Das müsste mal remixt werden auf schick. Jetzt bin ich deputy of glove. Das ist nämlich ein sehr schönes kleines Spiel von mir. Du kannst jeden Love-Song in Glove-Song ändern. The glove I lost, was a straight glove. I can remember planning my wardrobe around you. Glove glove me do, you know I glove you. Wir haben es auf irgendeiner Reise mal probiert, völlig betrunken abends, zu dritt, und wir haben jeder sechs Stunden Glove-Songs ausgedacht. Das war so so lustig.

Wäre das nicht ein perfektes Motto für eine Front-Party gewesen?

Ja, wahrscheinlich ja. The glove I lost!

Sounds like me 11/10



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