Interview: Recloose

Posted: September 9th, 2008 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , | No Comments »

Du bist zurück mit einem neuen Album, und es ist randvoll mit Referenzen an 80er-Electric Funk, Prince-Rhythmuspattern, Motown-Melodien. Wie ist es dazu gekommen?

Ich glaube das war ein Nebenprodukt davon in Neuseeland zu leben und diesen Sound zu vermissen, weil er sehr präsent in Detroit war. Es gibt viele entsprechende Radioshows, Clubs wo diese Art Musik gespielt wird, Fernsehshows. Ich habe diesen Sound vermisst, weil er in Neuseeland nicht besonders groß ist. Auch älter werden und sich an die Kindheit erinnern. Es spielt auch Nostalgie mit dabei, sich hinzusetzen und zu beschließen einen Prince-Sound nachzubilden und das ganze Programm.

Den Funk zurückbringen.

Ja, genau. Der Sound hat mir gefehlt, es war ein bisschen zu meinem eigenen Vergnügen.

Es kam also aus einer sentimentalen Stimmung heraus.

Ja, auf eine Art. Aber es hat auch damit zu tun, älter zu werden und ein wenig mehr Selbstvertrauen zu haben. Ich weiß wer ich bin, ich habe jetzt einen Sohn, ich kann mich jetzt entspannen und Spaß haben. Ich liebe es zu tanzen, ich gehe gerne aus. Jüngere Leute sind vielleicht etwas zögerlich zu so etwas zu tanzen aber für mich ist diese Musik ein Indikativ für Spaß haben, alle Ansprüche fahren lassen. Es gibt ein paar tiefe Momente auf dem Album, aber die herausstehenden Tracks sind wohl die wo es darum geht einen draufzumachen.

Hättest Du diesen Drang so ein Album zu produzieren auch verspürt, wenn Du nicht nach Neuseeland gezogen wärst?

Vielleicht, ja. Sehr wahrscheinlich. Ich mag es, mich in verschiedenen Sachen zu versuchen, um mich als Musiker weiterzuentwickeln, und dieser Electric Funk hat mich schon immer berührt. Offensichtlich leben die 80er in großem Stil wieder auf, seit Jahren schon, aber das Meiste geht an dem vorbei was ich an den 80ern geliebt habe. Es sind andere Blickwinkel und ich wollte diese Zeit auf meine eigene Art wiederaufnehmen.

Du fandst also, dass die Leute, die jetzt alle möglichen Discostile interpretieren, Edits machen usw., diesen Sound zu Unrecht ausgelassen haben?

Ja, im Grunde genommen wollte ich den Part übernehmen, der meiner Meinung nach zu kurz gekommen ist. Man hört so viele Leute, die solche Sounds aufwärmen aber ich denke oft, dass sie das Ziel verfehlen. Das ist alles zulässig, sie machen es auf ihre Art. Aber ich dachte, vielleicht sollte ich es auf meine versuchen. Für mich als DJ ist das cool, manchmal bekomme ich nicht die Platten die ich will, also mache ich sie selber.

Es ist ja bekannt, dass Disco ein fester Bestandteil Deiner Sets ist, das geht ja auch schon eine ganze Weile zurück.

Ja. Ich weiß auch nicht was mein Problem ist, aber ich bin von alten Platten faszinierter als von neuen. Ich weiß nicht warum. Das alte Zeug interessiert mich einfach mehr. Es macht einfach so viel Spaß alte Platten zu finden, von denen Du nichts wusstest. Eine andere Zeit wieder entdecken. Wenn ich produziere oder auflege ist es aber nicht strikt retro, keine Fotokopie.

Es ist nur ein Blickwinkel?

Genau. Ich bin ja keine Coverband in einer Bar, mit einer entsprechenden Ästhetik. Wenn man auf Sachen zurückgeht, oder alte Musik spielt, ist es gut das auf eine andere Art zu machen, auf eine neue Art, in Verbindung mit neuen Sachen.

Ging dieser Sound auf dem Album auf spezifische musikalische Vorbilder zurück oder war das eher eine übergreifende Blase von vielen Inspirationen, die bei Dir geplatzt ist?

Ich hatte keine vorgesteckten Zielsetzungen damit, abgesehen davon, dass ich mich selber und die Leute mit denen ich arbeite, herausfordern und aus der Komfortzone bringen wollte. Das ist für mich die beste Art, Musik zu machen. Risiken eingehen. Manchmal klappt das und manchmal geht es am Ziel vorbei, aber man hat es wenigstens versucht.

Spielst Du darauf mit dem Albumtitel an, „Perfect Timing“?

Ja, das ist natürlich ironisch, aber niemand von denen, die zu dem Album beigetragen haben, hat einen Hintergrund mit Electric Funk. Tyna ist ein Hip Hop-Typ, ein MC, aber auch ein großartiger Musiker. Ich musste ihn wirklich dahin drängen, etwas anderes zu versuchen, aus der Komfortzone zu kommen.

Also hast Du zuerst ein Electric Funk-Seminar mit allen Beteiligten durchgeführt?

Ja (lacht). So in der Art. Es ist nicht so, dass ich da eine Autorität bin, aber ich wurde dahin zurückgezogen, ich wollte es wieder mehr hören, auch wenn ich ausgehe. Es geht alles in Zyklen. Es war eine natürliche Entwicklung.

Mir ist das Artwork aufgefallen, weil es so gut zur Konsequenz des Albums passt.

Da ist erneut Ironie im Spiel. Die Leute von Machine in Amsterdam haben ein Bild von Neuseeland aus dem Internet genommen, und sie haben es in diesem 80er-Stil überarbeitet. Vorher war es eine wunderhübsche, organische Naturszenerie. Grünes, grünes Neuseeland. Lasst es uns in ein 80er-Videogame verwandeln!

Jetzt sieht es aus wie eine Mondlandschaft.

Ja, es passt nicht, aber es passt. Es ist immer Ironie im Spiel bei Sachen die ich mache. Das Artwork fasst das ganz gut zusammen. Dinge, die eigentlich nicht zusammenpassen.

So wie Neuseeland und Electric Funk.

Ja, genau. 80s-Kiwi-Natur-was-auch-immer. Ich habe keine Ahnung, aber es funktioniert irgendwie (lacht).

Im Moment kann man ja auch in Neuseeland Electric Funk produzieren. Es gibt ja ebenso Leute in Detroit, die deutschen Minimalravesound interpretieren, oder Schweizer, die Deep House produzieren, der nach dem New York der frühen 90er klingt. Spielt Herkunft oder Szenezugehörigkeit überhaupt noch eine Rolle beim Produzieren?

Ja, es spielt immer noch eine große Rolle. Es gibt immer auch eine Lebenserfahrung, die sich in Musik ausdrückt, wo gute Musik aus Frustration und Not geboren wird. Da ist das wichtig. Ich will nicht puristisch sein und behaupten man muss aus Detroit sein um Detroit-Techno zu machen, oder aus Chicago um House zu machen oder was auch immer. Aber ich will es auch nicht ganz abschreiben. Es ist schon signifikant, wenn Du von dort kommst und dann solche Musik machst. Aber ich finde es auch langweilig, wenn Leute aus Detroit nur Techno machen, oder Leute aus Neuseeland machen nur neuseeländische Musik, die ja ironischerweise jamaikanisch ist (lacht). Ich glaube eine Menge neuseeländischer Musiker wissen nicht mal, dass Reggae aus Jamaika kommt (lacht). Eine Menge Leute glauben, sie hätten das erfunden. Man kann überall sein und an etwas teilhaben, wenn man es sich wirklich genau anhört, fühlt und begreift. Hoffentlich entwickelt man dann auch ein Verständnis dafür, woher diese Musik kommt und wie es dazu kam. Auf jeden Fall sollte es jeder probieren dürfen und ich glaube, dass sich Musik so entwickelt und interessant bleibt. Verrückte Leute machen verrückte Sachen, die sie nicht machen sollten. Aber Scheiß drauf, ausprobieren!

Neben dieser konsistenten Soundidee des Albums hast Du dieses Jahr aber auch auf Rush Hour eine 12“ herausgebracht, die sich eher auf Deine anderen Detroit-Wurzeln bezieht. Ist das Absicht, mehrere Sounds gleichzeitig zu bearbeiten? Und willst Du das so fortführen?

Ja. Als Künstler und auch als Mensch geht man durchs Leben und lernt dazu, aber man lässt nicht beiseite, was man vorher war. Man umarmt es und lässt es in das einfließen, was man jetzt macht. Ich habe gerne eine facettenreiche Laufbahn, und ich kann das als Produzent beeinflussen und mit verschiedenen Sachen herumspielen. Wenn ich Lust habe was Detroitiges zu veröffentlichen, ist es cool, ich mache das dann und es macht mir Spaß. Genauso kann ich Live-Musik konzipieren, oder Electric Funk. Es ist wichtig, seine Inspirationen hochzuhalten, für einen Künstler ist das ein fortwährender Kampf, das zu behaupten. Verschiedene Blickwinkel, alles frisch halten. Wenn ich keine Lust habe aufzulegen, gehe ich nach Hause und mache Beats, und umgekehrt, oder ich spiele in einer Band. So bleibt man aufmerksam, interessiert und herausgefordert.

Wenn man auf Deine Karriere in den letzten Jahren zurückblickt, bist Du ja oft in einen Broken Beat-Kontext gestellt worden, bis hin zu NuJazz, und das ist alles in der jüngeren Vergangenheit ziemlich zusammengebrochen. Viele Produzenten aus dieser Szene sind dann doch bei 4/4-Musik gelandet, irgendwo zwischen Techno und Deep House. Glaubst Du, dass die zurückgelassenen Sounds, Ideen und Konzepte wieder zurückkommen, mehr Musikalität?

Ich glaube das wird passieren, aber ich glaube auch, dass gerade nicht der Zeitpunkt dafür ist. Die Leute interessieren sich mehr für Punk-Ästhetik, und die ist nicht musikalisch. Es geht mehr um Haltung und weniger um Musik. Ich weiß nicht, ich mag das manchmal, aber ich bin ein Musiker, ich habe schon immer Jazz geliebt. Ich bin in Neuseeland, weit weg, ich weiß nicht was die weltweiten Trends sind. Es scheint mir aber, dass man es geheim halten muss wenn man Musik macht, die sich um Jazz dreht, komplexe Akkordfolgen, interessante Melodien und Harmonien. Es ist im Moment nicht gerade cool, leider. Aber die Leute werden es natürlich irgendwann satt haben, immer den gleichen Scheiß zu hören.

Die Zyklen, die Du vorhin angesprochen hast.

So funktioniert die Musikindustrie. So trendy, so chic, der Scheiß wird schnell ausgespielt. Das ist mit Broken Beat passiert. Es verwurzelte so sehr in eigenem Sound, man glaubte dem eigenen Hype. Und so starb es, die Leute verloren das Interesse. Es gab keine Veränderungen. Fünf Jahre später, die gleichen Beats, die gleichen Sachen. Es gibt natürlich noch weitaus bessere Beispiele für diesen Prozess, aber das ist wohl das gegenwärtigste. Aber so ist das mit Musik. Wenn man sich nicht entwickelt…

Man schaufelt sich die eigene Grube und wird zum eigenen Klischee?

Ja, und die Leute verlieren irgendwann einfach das Interesse. Von den anspruchsvollen Hörern, die alles analysieren und einordnen, bis hin zu denjenigen ohne besonderes musikalisches Gehör. Allen fällt auf, wenn Musik nicht mehr inspiriert ist. Das ist das Problem mit der Genrefixierung in der Musikindustrie. Es wird schnell langweilig und tötet Musik. Es ist gegen die Musik als Kunstform. Tu sie in eine Schachtel, und sie verkümmert.

Glaubst Du, dass es dann ein Vorteil ist, fernab der Trendmaschine zu sein? Kannst Du dann Hype oder irgendwelche Szenefragmente ignorieren, die vielleicht nur wenige Monate ein Thema sind?

In Neuseeland ist das eine Zwickmühle. Manchmal ist es vorteilhaft, bei dem Hype ein bisschen außen vor zu sein. Aber Detroit war genau so. Detroit war nicht wie New York oder L.A. oder London. Es war ein vergessener Ort. Mittendrin in Amerika, aber der Durchschnittsamerikaner weiß nicht wirklich, wo Detroit überhaupt liegt. Du schon, Du bist ein Journalist und Musikfan, aber der normale Typ auf der Straße? Motown vielleicht. Mit Neuseeland ist es auch merkwürdig, es ist so weit weg vom Mainstream-Bewusstsein. Man kann also gleichzeitig Ideen ausbrüten und entwickeln, aber wenn es darum geht Deine Musik der Welt zu präsentieren und zu vermarkten und sie passt nicht zu den internationalen Kategorien und Trends, stellst Du Dir schnell selbst ein Bein. Da geht alles um eine Balance. Du musst wissen wie sich Deine Platte in eine Szene einordnen kann, aber Du solltest sie nicht machen nur um Dich einzuordnen.

Warst Du denn besorgt, dass die Leute das Album nicht akzeptieren würden, für das was es darstellt?

Ja. Um ganz offen zu sein, eine Menge Leute sagten mir, sie würden meine alten Sachen mögen und warum ich so etwas nicht machen würde. Ich habe darauf keine richtige Antwort, aber warum soll ich die gleichen Sachen wieder und wieder machen? Es ist für die Leute einfacher, wenn sie wissen was sie erwartet, aber für einen Musiker macht es mehr Spaß, neue Sachen auszuprobieren.

Willst Du das vielleicht durch Remixe entkräften, oder soll es so stehen bleiben wie es ist ?

Es ist ja schon übergreifender angelegt. Thematisch geht es natürlich um 80er-Electronic-Funk, aber die erste Single ist ein Reggae-Song mit vielen Neuseeland-Einflüssen und die zweite Single ist eher Dancefloor. Dafür haben wir Leute wie Mark de Clive-Lowe und andere. Es ist mir aber wichtig, dass ein roter Faden da ist und dass es inspiriert ist. Auch wenn es für Leute eine Herausforderung ist, sich das Album anzuhören, weil es sehr mellow anfängt und dann eine sehr funky-ironische Dance-Party wird, und dann wird es wieder soulful und sanft. Es gibt solch einen Vibe, aber es wird auch Arsch getreten.

Aber sind das wirklich so große Widersprüche? Auf der einen Seite ist die Punk-Ästhetik populär, die Du vorhin angesprochen hast, auf der anderen Seite gibt es eine Disco-Renaissance und Retro-Soul à la Mark Ronson, und das machen die Leute auch mit. Vielleicht sind die Leute offener als erwartet und Deine Musik trifft den Nerv.

Es gibt viele Künstler und Produzenten, die zurückschauen, und das war schon immer so. Mark Ronson ist definitiv auf dem 60er-Trip und andere Bands orientieren sich an den 70ern, Soft Rock, Soul/Funk-Sachen. Die 80er. Die Leute reden schon über die 90er, und ich denke: Wie bitte (lacht)? Da werden wir wieder landen. Was sich wirklich geändert hat wenn es darum geht, vor- und zurückzuschauen, ist das es dabei auch schon um elektronische Musik geht. Es ist kein Abbild der Realität, wenn man davon redet, dass akustische Musik die Vergangenheit ist und elektronische Musik die Zukunft. Das stimmt so nicht, gestehen wir es uns ein, aber symbolisch ist es so. Es ist schwierig sich Techno als Retro vorzustellen, weil es Zukunftsmusik sein sollte.

Aber wenn man sich die theoretische Basis von Techno ansieht, denkt man sich schon manchmal, was ist daran noch wirklich futuristisch? Heutzutage gibt es schon wieder so viele Referenzen an späte 80er oder frühe 90er.

Ja. Das ist kein akkurater Weg, die Dinge zu betrachten. Zukunft/Vergangenheit, Retro. So viele wirklich progressive Entwicklungen basieren auf alten Sachen, und diese werden interpretiert. Diese Auseinandersetzung ist meistens das, was die Musik voranbringt.

Was würdest Du empfehlen, wie man solche Referenzen angeht? Sollte man sich um Authentizität bemühen oder nur die Grundidee aufgreifen?

Das ist eine sehr gute Frage. Es gibt so viele Reggae-Produzenten in Neuseeland, die versuchen etwas genauso klingen zu lassen wie etwas anderes und dann denken: Ich hab es! Ich habe es hinbekommen! Meine Platte klingt exakt wie eine King Tubby-Platte von 1974.

Aber was kommt dann danach?

Tja, was kommt dann? Es ist vielleicht ein ganz normaler Entwicklungsprozess und ich glaube nicht, dass das schlecht ist, aber ich finde es interessanter solche Techniken zu kennen, mir solcher Sounds bewusst zu sein, das etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt wirklich revolutionär war, und diese Elemente dann in das einzubringen, was ich gerade mache, in der Hoffnung, dass etwas wirklich Inspiriertes dabei herauskommt. Eine gute Kombination.

Du hast vorhin Live-Performances erwähnt. Du hast mit einer Live-Band gespielt?

Ja!

Kannst Du Dir vorstellen, jetzt als Electric Funk-Band auf Tour zu gehen?

Wir machen das schon!

Aber nicht mit Schulterpolster-Kostümierungen, oder?

Neeeein! Aber das liegt nahe, wir sollten uns verkleiden. Ich trage eine Windel (lacht)! Ich werde Bootsy sein. Für das Publikum ist das sicherlich spaßig, aber an diesem Punkt wirst Du zur Zirkusattraktion. Novelty, Bar Band, so erscheint mir das ästhetisch. Es ist sicherlich gut sich angemessen zu kleiden, aber ich kann nicht wirklich was über unser Outfit sagen, jeder trägt was er für richtig hält. Musikalisch ist das großartig, in dieser Band zu spielen. Es ergibt sich ein solch kompletter Querschnitt von Einflüssen, Alter, kulturellem Hintergrund. Ein Beispiel: Das Alter unserer Bandmitglieder liegt zwischen 19 und 51, von allen Kontinenten. Chinesisch-amerikanisch, britisch-indisch, afrikanischer Kiwi, afrikanisch-jüdisch, Maori, ich bin ein waschechter Yankee. Was für eine krude Mischung von Leuten! Es ist großartig, dass wir symbolisch das reflektieren, was wir musikalisch machen. Wir haben einen Sound, aber er ist ein Amalgam von Dingen, die schwer festzumachen sind. Wir haben sehr unterschiedliche Hintergründe, und das war ziemlich chaotisch bis unsere Chemie gestimmt hat.

Du bist also der Supervisor einer wilden Funk-Eruption?

Ja, die sich dreht und windet! Die Sprache war Funk und Soul, aber die Art wie wir sie gesprochen haben war vielleicht nicht einzigartig, aber sehr interessant. Es war ein musikalischer Dialog von Leuten mit total verschiedenen Erfahrungen und Traditionen, und diese Electric Funk-Sache war eine ganz neue Sprache und das machte es so unterhaltsam. Jeder Tag bringt neue verrückte Ausgangssituationen und Ideen.

Lässt sich das dann vielleicht noch live mit den anderen, elektronischeren Musikrichtungen verbinden, die Du machst?

Ein bisschen. Wir haben darüber nachgedacht, Coverversionen von meinen älteren Sachen auf Planet E zu machen. Aber ich denke es lässt sich nicht wirklich umsetzen. Es ist eine Band, keine Drum Machines usw. Wir haben ein paar Sachen ausprobiert aber um ganz ehrlich zu sein, ich mochte das nicht. Es gibt immer technische Probleme und mir macht es mehr Spaß mit den anderen zu spielen, als Sklave irgendwelcher Geräte zu sein. Ich habe jede Menge Leute gesehen, die mit einem Laptop-Setup alles in Schutt und Asche legen. Detroit ist ein Ort wo es viele gibt, die das gut können. Aber ich ziehe es vor, mit einer Band zu spielen.

Andere Leute stellen vielleicht eher eine Band zusammen, weil sie Laptop-Auftritte schlicht langweilig finden.

Okay, ich nehme es zurück. Ich habe nicht so viele wirklich gute Laptop-Shows gesehen (lacht).

Aber es ist möglich.

Ja, ich habe großartige MPC-Sets von Jamie Lidell und Mark de Clive-Lowe gesehen. Die sind sehr gut darin eine Show zu machen. Laptop-Performances sind mir zu eindimensional, und es ist noch langweiliger, jemand damit beim DJen anzuschauen. Aber das sind nur persönliche Vorlieben, ich finde es einfach spannender mit einer Gruppe von wirklich guten Musikern als Band aufzutreten.

Gerade Jamie Lidell hat ja ziemlichen Erfolg mit Alben, die voller Referenzen stecken. Vielleicht entwickelt Dein Entwurf ja eine ähnlich Dynamik?

Ja, das wäre ulkig. Ich weiß nicht so recht. Ich würde es mögen, weil es meine Rechnungen bezahlt (lacht). Aber es wäre schon großartig, wenn die Leute die Idee dahinter begreifen. Tanzen, Spaß haben, da ist nichts Falsches dran. Es ist vielleicht nicht tief, aber ab einem bestimmten Punkt muss man damit aufhören, tief sein zu wollen. Sich nicht so ernst nehmen und sich locker machen. Wenn es dann wirklich darauf ankommt, ernst zu sein und bedeutungsvolle Dinge anzugehen, ist man eher dafür bereit, weil man das Leben so genossen hat, dass man über so etwas sprechen kann. Wenn man immer ernsthaft durch das Leben geht, fehlt einem später die Perspektive. Und es ist auch langweilig. Man muss auch Spaß haben. Also machen wir gegenstandslosen funky ass shit und tanzen. Fuck that!

Siehst Du da ein Problem mit all den Informationen, die man sich anhand von Webressourcen über Musik besorgen kann? Früher war es undenkbar, sich einen Live-Mitschnitt aus legendären Discoclubs anhören zu können, jetzt ist das kein Problem mehr. So kann man sich natürlich prompt weiterbilden aber das kann schon dazu führen, dass man immer mehr Nischenwissen anhäuft, vergleicht, einordnet und diskutiert und theoretisiert, und darüber die Party vergisst.

Ja, und das verfehlt das Thema. Es soll sich ruhig jeder eingehend mit Boogie und Konsorten beschäftigen, solange man das Thema dabei nicht verfehlt. Man muss diese Informationen und Ideen auch weiterführen. Man kann ja auch tief sein, aber die meiste Musik dieser Ära, Parliament, Prince, Rick James, die war nicht wirklich tief. Da ging es um Drogen, Sex und Party. Aber der Sound muss nicht an solche Aussagen gekoppelt sein. Es wäre cool einen Song zu machen, der musikalisch heavy Funk ist, aber bei dem man erkennt, dass der Typ der da singt auch was zu sagen hat. Das ist das Schöne an Musik, man kann Sachen zusammenbringen, die vermeintlich nicht zusammengehören. Electric Funk muss nicht per se bedeutungslos sein und sich um Tanzen usw. drehen. Man kann auch Momente einbringen, die über solche Aussagen hinausgehen. Da fangen die Herausforderungen an.

Wie geht es nach so einem Konzeptalbum eigentlich weiter, das sich so zielstrebig selbst definiert? Was muss darauf folgen?

Ja, schwierig. Ich bin an dem Punkt angelangt, wo ich meine Sachen aufteilen muss. Ich kann nicht immer Recloose sein. Es sind zu viele verschiedene Sachen und es wird für die Leute zu schwierig, das zu verfolgen. Die Band muss als was Neues wieder erfunden werden und eine Konstante werden, Recloose muss eine Konstante werden. Ich möchte wieder zurück und mehr Techno produzieren, vielleicht wird das als Recloose sein.

Es ist noch alles offen?

Ja, da ist noch nichts entschieden. Ich möchte definitiv wieder im Studio mit meinen Synthies, Drum Machines und Sampler alleine sein. Da freue ich mich drauf.

Also die andere Seite von zurück zu Deinen Wurzeln.

Ja, genau. Die Band soll aber auch weiterlaufen. Das sind die beiden Sachen, die mich interessieren.

De:bug 09/08



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