Rewind: Gerd Janson über “Bobby Konders & Massive Sounds”

Posted: March 29th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Gerd Janson über “Bobby Konders & Massive Sounds” von Bobby Konders & Massive Sounds (1992).

Wie und wann bist Du auf “Bobby Konders & Massive Sounds” gestoßen?

Der Name Bobby Konders fiel mir zum ersten Mal 1994/95 im Rahmen einer Nu Groove Records-Retrospektive des Size!-Magazins auf. Das war eines jener selig machenden Fanzines, die damals die Funktion heutiger Blogs übernahmen und sich bevorzugt mit House und Techno aus dem Detroit-Chicago-New-York-Triangel beschäftigten bzw. den europäischen Brüdern im Geiste. Die dort beschriebene Konders-Disziplin aus Deep House, seitwärts getragenen Baseballmützen, Krankenkassenbrillen, Langhaarmatte und Dub-Reggae-Einflüssen klang sehr plausibel und sein greatest hit „The Poem“, das vom Dub-Poeten Mutabaruka eingeleitet wird, stieß dann sozusagen das Tor zum Fantum himmelweit auf. „Bobby Konders & Massive Sounds“ hat mir ein guter Freund daraufhin geliehen und es ward um mich geschehen.

Wie hast Du das Album beim erstmaligen Hören empfunden? Wie würdest Du es beschreiben und was macht es so wichtig für Dich?

Ein wenig angeekelt und fasziniert gleichzeitig. Das Debütalbum von Bobby Konders ist ein Paradebeispiel für die gescheiterte Ehe von underground dance music und dem Versuch, diese für den Massenmarkt tauglich zu machen. Das Resultat ist meist weder Fisch noch Fleisch. Vor allem in der causa Konders. Der Boy aus New Jersey mit Wohnsitz Brooklyn expandierte seinen Vibe aus House, Reggae, Hip Hop und Soul um einige Unzen Pop. Einer US-amerikanischen Version der Erfolgsformel aus Jazzie B und Soul II Soul gleich, betörte und bezirzte Konders diesen Markt – wohl relativ erfolglos für die damaligen Verhältnisse. Was dieses Scheitern so charmant macht, ist allerdings der unbedingte Wille, die dominanten Machismos der Dancehall und das Straßenimage von Hip Hop mit den doch eher ambivalenten Geschlechterrollen und philanthropischen Utopien der Housemusik zu vereinen, unter einem Regenschirm von Soul und R&B. Solchen Querdenkern und Querulanten kann man nicht genug Respekt bezollen.

Bobby Konders war seit den späten 80ern in Europa eher für sehr beeindruckende und originäre Deep House-Produktionen bekannt, gleichzeitig war die auf “Bobby Konders & Massive Sounds” evidente Liebe zu Reggae und Dancehall seit seinen erfolgreichen Tagen als Radio-DJ in New York auch kein Geheimnis. Wie würdest Du Konders als Produzent einstufen? Was ist sein spezieller Touch?

Bass, Bass und noch ein bisschen mehr Bass. Zumindest und vor allem, was seine House-Tracks angeht. In Bezug auf Reggae und Hip Hop stimmt das natürlich auch, aber vor allem bei seinen Riddims fällt auf, dass er bevorzugt klassische Studio-One-Riddims neu interpretiert und sein Herz klammheimlich an der roots & culture Sparte hängt. Dort ist er ein im besten Sinne unaufdringlicher Produzent, der eher MC’s und DJ’s (ergo jamaikanische Rapper) in den Vordergrund stellt, während er auf Housetracks ziemlich unmissverständlich auf den knietiefen Bass und eine gewisse Behäbigkeit setzt, die ihn von seinen damaligen und auch heutigen Berufsgenossen absondert. Nicht zu vergessen die Kombination mit Peter Daou. Dessen unheimlichen und gespenstischen Keyboard-Melodien (eine Art John Carpenter Soundtrack ohne Film) verliehen den Riddim-Skeletten oftmals die nötige Musikalität. Paradebeispiele: eben jenes „The Poem“ sowie „Nice & Slow“, „Expressions“ oder auch „Massai Women“.

Es gab schon ein erstes Album von Konders, “Cool, Calm & Collective“, das eher eine Compilation seiner Nu Groove-Releases war. Wie unterscheiden sich diese Produktionen von “Bobby Konders & Massive Sounds”? Welche Rolle hat er in der Geschichte von House?

Simplifiziert: Bobby Konders erweiterte das Spektrum und das Quellenmaterial des Genres um den Faktor Reggae. Während sich House zuvor vor allem mit klassischen Discostücken oder europäischer Elektronik verkettete, brachte Konders frischen Wind und eine klassische rude boy attitude mit. Diese Dichotomie setzte er übrigens auch nahezu perfekt auf WBLS als Radio-DJ um. Reggae und House im 30-Minuten-Takt.

Es gibt zwar noch House-Tracks auf “Bobby Konders & Massive Sounds”, auch mit der Mitwirkung des Tastengurus der New Yorker House-Szene Peter Daou, aber der Reggae-Vibe dominiert bereits. Nach diesem Album hat Konders keinen House mehr produziert. Ist es ein bewusst inszenierter Abschied von House und ein Übergang mit dem Ausblick auf das musikalische Feld indem er sich fortan ausschließlich betätigen würde?

Ich denke nicht, dass das Album als absichtlicher Schlusspunkt konzipiert war, vielmehr wurde es in der Folge einer. Jener Eklektizismus, dem Konders frönte, war nicht mehr ohne weiteres mit den Realitäten unter einen Hut zu bringen. Die berüchtigten Wild Pitch-Partys gingen in ihrem Ende entgegen und man erwartete von den DJs in den New Yorker Clubs immer mehr ein eindeutiges „entweder oder“, Treueschwüre, Ausschlussverfahren und Spezialisierung. Hinzu kam wohl, dass das Album kommerziell nicht so erfolgreich wie erwartet aufgenommen wurde und Konders sich gleichsam von Mainstream und Housemusik verabschiedete.

Was mag ihn dazu bewogen haben, House hinter sich zu lassen? Er hatte ja auch einen hervorragenden Ruf als Reggae & Dancehall-Produzent und war sehr erfolgreich damit. War es also nur ökonomisch bedingt oder vermutest Du auch künstlerische Beweggründe?

Abgesehen von den obigen Gründen, erzählte mir Konders mal während eines Interviews während der mittleren Nuller Jahre, dass ihm die Richtung nicht gefiel, in die sich House entwickelte. Seiner Meinung nach wurde alles formelhafter, industrialisierter und weniger freigeistig. Da der Tag nur 24 Stunden hat, flüchtete er sich eben in die Dancehall, da er sich von dem Zustand der Kunstform House immer mehr entfremdete bzw. zu einem Fremden wurde. House war einfach nicht street genug für ihn. Weil er schon immer an Reggae hing und ziemlich schnell zu einem der einflussreichsten Dancehall-Produzenten weltweit wurde, fiel ihm das Adieu wohl nicht schwer.

Es gab 2002 mit “A Lost Era In NYC 1987-1992″ eine Werkschau auf International Deejay Records, und vielerorts spekulierte man bereits auf ein House-Comeback von Konders. Dazu ist es allerdings bis heute nicht gekommen. Glaubst Du, dass er das noch mal macht, oder ist das seinerseits für immer abgeschlossen?

2005 erschien noch einmal eine Houseplatte von ihm unter dem Titel „The Lost Nu Groove Track“. Vintage Konders Tracks, die bis dahin auf einer Tonbandspule ihr Dasein fristeten. Das waren aber eben bereits zu seinen Hochzeiten produzierte Tracks, und keine neuen Stücke. Bis heute wartet man also vergeblich. Sieht man sich den Zustand von House in New York City, einer der Mutterstädte, an, dürfte mit einer Rückkehr wohl kaum zu rechnen sein. Diese Musik läuft dort unter ferner liefen in einigen eingeschworenen Zirkeln und vermutlich fehlt Herr Konders dafür die Zeit sowie so etwas wie Inspiration. Bei unserem letzten Gespräch sagte er mir, dass er bald mal Body & Soul und Joe Claussell „auschecken“ wolle – zu einem Zeitpunkt als diese Katze schon längst den Baum rauf war.

Es gab ja auch andere Abtrünnige, wie die Burrell-Brüder, ebenfalls aus der New Yorker Szene um Nu Groove, und ebenfalls nie wieder von vermeintlich erfolgreicheren Gefilden zurückgekehrt. Fallen Dir noch andere nachhaltige Abgänge ein? Gehören solche Abgänge zur Entwicklung einer Musikrichtung dazu? Wie kompensiert sich das?

Mark Kinchen alias MK wäre so eine Figur aus Detroit. Und dann gibt es wohl noch Scharen von Typen wie Nathaniel X aus New Jersey oder Virgo (deren Album gerade via Rush Hour wiederveröffentlicht wurde), die einfach vom Erdboden verschluckt wurden. Leute altern, Interessen verschieben sich, dazu kommt, dass viele Musikproduzenten stets davon träumen ihren Vorbildern nachzueifern (siehe den Untergang von Blaze als klebriges Abziehbild von Earth, Wind & Fire) oder sich ganz einfach vom Nachwuchs an die Wand gespielt fühlen. Auch hier gilt: Der nächste Bus kommt bestimmt. Außerdem ist es besser, am Spielfeldrand zu stehen, denn sich als wackeliger alter Herr die Lunge aus den Hals zu husten. Viele Rückkehrer treiben einem ja nach anfänglichen Ovationen recht schnell die Schamesröte ins Gesicht. Da ist es besser, die Patina nicht zu beschädigen.

Müsste es bei der momentanen Ertragslage von Clubmusik nicht Legionen von Produzenten geben, die diese Art von Musik für lukrativere Betätigungsfelder aufgeben?

Sollte man meinen. Jedoch hat sich ja für viele dieser Menschen die Daseinsform als DJ respektive Live-Act als lukratives Standbein etabliert. Die Musik ist nur die Visitenkarte, um im Bühnenlicht zu stehen und so sein Auskommen zu haben. Der gemeine Wander- und Mietmusikant ersetzt den Studioklausner.

Das stilistische Spektrum von “Bobby Konders & Massive Sounds” konnte eigentlich keine Überraschung sein, selbst bei House waren bei Konders immer verschiedene Einflüsse erkennbar. War das eine Zeiterscheinung? Ist es heute überhaupt noch notwendig oder sinnvoll, sich auf einen Musikstil festzulegen?

Wie durch die Soul II Soul-Referenz bereits erwähnt, was das definitiv eine Zeiterscheinung. Die Musiken waren neu und frisch, Grenzen noch nicht fest gezogen, Pioniergeist ein hohes Gut. Ein schönes Beispiel hierfür ist vielleicht Dubstep. Es ist sehr interessant zu sehen, wie das Genre durch die Klammer Bass die unterschiedlichsten Stilblüten hervorbringt und wie es sich am Horizont abzeichnet, dass die ganzen Spezialisten irgendwann auf ihren sozialen Netzwerken hinausposaunen werden, nur noch UK Halfgarage aufzulegen. Aus Marketinggründen mag es durchaus plausibel erscheinen, sich einen Musikstil auf die Fahnen zu schreiben und so als Posterboy, – label, – wasauchimmer zu funktionieren. Intellektuell mag die Existenz als Einzeller weniger befriedigen.

Ist Konders immer noch relevant für House, obwohl er schon solange nicht mehr aktiv an dessen Fortgang beteiligt ist?

Der Mann hat einige Genreklassiker auf dem Konto, ist ein stilistischer Netzbeschmutzer und eine der eigenwilligsten Erscheinungen, die Housemusik jemals erleben durfte. Und: seine Fingerübung namens „Nervous Acid“ legt noch immer jeden Club in Schutt und Asche. Wie sein MC Jabba zu sagen pflegte: „Easy Bobby, easin’ up. You rule every time!“

Siehst Du Erben bzw. Gleichgesinnte, die sich noch immer auf ihn beziehen und seine Standards erreichen?

Lässt man die sporadischen Tribute und Respektsbezeugungen außer Acht, fällt da leider im konservativen oder herkömmlichen Housegeschäft niemand und nichts auf. Vielleicht hat Bobby Konders auch einfach alles gesagt, was es zu dem Thema House und Reggae zu sagen gab. Das nächste Kapitel wird gerade in London geschrieben.

Sounds Like Me 03/10



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