Boys Own – The Complete Fanzines 1986-92 (djhistory)

Posted: December 4th, 2009 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , , , , , | No Comments »

Wir wollen gar nicht weiter erläutern woran es nun genau liegt, aber Fakt ist, dass man in Buchform auf der Insel deutlich emsiger und unverkrampfter an einer übergreifenden Aufarbeitung der, natürlich meistens rein auf die Insel beschränkten, Clubkultur, arbeitet. Was 1998 mit Sheryl Garratts „Adventures In Wonderland“ seinen Anfang nahm, ging stetig weiter, und just haben die dortigen Chefchronisten Bill Brewster und Frank Broughton den Acid House-Prachtfotoband „Raving 89“ von Neville und Gavin Watson auf die Kaffeetische lanciert, da folgt nun schon der Nachschlag: ein Buch über Boy’s Own, die wichtigste Londoner Fanzine-Institution der klassischen UK Rave-Zeiten von 1986 bis 1992. Es mag der nach wie vor schwelenden Nord-Süd-Rivalität zu verdanken sein, dass nach zahlreichen Veröffentlichungen über Manchesters Legendenclub Haçienda plus Umfeld auch Londons Szeneprotagonisten ihr Zeugnis ablegen. Boy’s Own brachte es in sechs Jahren zwar nur auf 12 Ausgaben, doch das Fanzine erreichte das, was die meisten anderen Fanzines nur beabsichtigen: es hinterließ tiefe Spuren. Außer Magazinen wie der Face, I-D und dem vorübergehenden Konkurrenten Blitz hatten britische Medien für ihre Trumpfkarte Clubkultur zur Gründungzeit von Boy’s Own nicht viele Zeilen übrig. Lokale popkulturelle Entwicklungen, die dem Nachtleben entstammten, exportierte man von der Beat Invasion, über Punk, Post Punk, New Romantics, bis hin zu Rare Soul und Rare Groove zwar stolz und mit voller Hype-Ladung über den Erdball, aber diejenigen, die in den richtigen Clubs zur richtigen Zeit dazu tanzten, hatten nie ein rechtes Sprachrohr. Es brauchte wohl den Enthusiasmusüberschuss des nacheifernden Peripherie-Hipsters, um diesen Zustand zu beenden. Terry Farley, Andrew Weatherall, Cymon Eckel, Steve Hall und Steve Mayes stammten aus dem Londoner Umland, und waren einerseits vom Clubland des Zentrums angezogen, andererseits stolz genug, ihre vormals ausgegrenzte Herkunft nicht zu verleugnen, sobald sie dort Fuß fassen konnten. So drückten sie mit punkgeschultem Schreibmaschinen-Layout der etablierten Szene so hartnäckig und unterhaltsam ihr Themenspektrum zwischen Drogen, balearischen Urlaubsreisen, House, Fußball, Casual-Mode und nächtlichem Troopertum auf, bis sie selbst die Szene wurden. Und fortan regierten die Jungs für lange Zeit mit florierenden Partys, Plattenlabels und Produzentenkarrieren, das Herz am rechten Fleck und voller Liebe für die Sache. Und diese Sache wäre sicherlich anders verlaufen, wenn sie sich ihrer nicht angenommen hätten. Und eigentlich hat sich nichts geändert, nur die Reputation und das Beziehungsgeflecht wurden größer. Weatherall ist immer noch ein einflussreicher Erzbohemien, und Farley rettete seinen Humor, seine Leidenschaft und alle Schreibfehler zum Fanzine „Faith“, das heute als ähnlich wichtige Lektüre gilt. Und dieses Buch ist immer noch eine essentielle Lehrstunde in Ladism, Top Young/Old Boys-Berichterstattung und entspanntem Checkertum. Die Musik dazu mag heute anders klingen, aber alles was noch dazugehört, tobt weiter.

De:Bug 12/09