The Sugarcubes – Leash Called Love / Hit

Posted: February 2nd, 2010 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , , | No Comments »

Ich möchte heute die Rubrik dazu nutzen, um auf ein eher weniger beachtetes Opfer der Musikwirtschaftskrise hinzuweisen: den housigen Undergroundmix für normalerweise nicht housige Artists. In Zeiten, in denen Remixbudgets von Majorlabels die Beträge für die Praktikantenbetreuung nicht mehr übersteigen dürfen, A&R-Leute mit noch wesentlich mehr Verspätung ein Ohr von außen an die Mauern der Clubs halten, oder sich allgemein eingeredet wird, der Auftragsproduzent des Originaltracks könne die Dance-Version bestimmt auch gut machen, können sie nicht mehr wohl gedeihen, die seltsamen Blüten, die entstehen, wenn Bürostrategen, die nicht tanzen, auf Produzenten treffen, die nur bedingt in Chartsnotierungen denken. Die Blütezeit dieser Untergattung der House-Historie ist von den spätern 80ern bis Mitte der 90er datierbar, als krude Illusionen von Tanzflächenkredibilität gepaart mit prallen Marketingkampfkassen auf die Crème de la Crème der Clubkultur trafen, oder auch nur auf die Auftragsallzwecktypen, die sich für keinen Auftragsallzweck zu schade waren. Letztere gab es in der Clubkultur schon seit immerdar. Konzentrieren wir uns also lieber auf die Ersteren. Und vernachlässigen wir auch die Grundvorrausetzung dieser schiefen Konstellationen, nämlich dass sowohl Auftraggeber als auch Interpret das Endergebnis völlig gleichgültig ist, bis hin zur kompletten Verleugnung desselben bzw. peinlicher Zurschaustellung von nicht einmal Einviertelfachwissen, wenn die Dance-Version unerwarteterweise die Originalversion in Verkaufszahlen übertrumpft. Demgegenüber liefern die housigen Undergroundmixer zumeist genau das, was den nicht housigen Artists nur allzu offensichtlich fehlt. Die selbstverständliche Anbindung an Geschrei und Arme in der Luft, Schweiß, Sex und Tränen der Augenblicks-Ekstase und des Wochenendglücks. Und den Beweis, dass die jeweilige Zauberformel mit jedem Interpreten und Song funktioniert, solange man sich die Werktreue für die Radioversion aufhebt, und in den Dub- und Instrumentalversionen den dicken Hund von der Leine lässt. Es gibt sehr sehr viele Platten, wo dieses Prinzip hervorragend funktioniert, und dann Menschen auf der Tanzfläche zu Interpreten ausflippen, über die sie im Tagesgeschehen nicht einmal nachdenken würden. Indiskutables Popgeträller wird zu rhythmisch zerhackten Samples ohne stimmlichen Wiedererkennungswert, und Masters At Work machen aus Debbie Gibson, MK aus Bette Midler, DJ Pierre aus Donny Osmond, Shep Pettibone aus Paul McCartney, oder David Morales aus U2 unantastbare Clubikonen, für die Dauer des Tracks zumindest. One Little Indian hatte z. B. 1991 die merkwürdige Idee, ihre hauseigenen Indie-Superstars, die Sugarcubes, mit einem ganzen Remixalbum in der Clubszene zu vertäuen. Darauf waren, einige Mixe stinkenfaul, einige am Thema noch mehr vorbei als überhaupt befürchtet, einige uninteressant, einige interessant und einige waren echte Prachtexponate. Klarer Sieger des Wettbewerbs war für mich Tony Humphries, der seine schon anderswo demonstrierte Fähigkeit, großzügig eine Schicht New Jersey-Zauber über artfremde Musik zu legen, hier noch weit übertraf. Und er schaffte es, obwohl er sowohl alle kaprioligen Gesangsmanierismen der Sängerin unangetastet ließ, als auch dem knurrigen Sängerhünen seinen Lauf ließ. Im wunderbaren Klanguniversum von Humphries zu seiner besten Schaffensphase hat das alles seinen Platz, und wird zudem noch von allerlei feinsten Geistesblitzen erhellt. Für Humphries mag das nur eine Episode geblieben sein, aber Björk kehrte nie wieder zu Schrammelpop zurück, und für alle anderen war es ein gleißendes Himmelslicht im zwielichtigen Dunst von Körpern und Substanzen.

„This wasn’t supposed to happen, I was happy by myself, accidentally, you seduced me, I’m in love again“.

The Sugarcubes – Leash Called Love / Hit (One Little Indian, 1991)

de:bug 02/10