808 State – Newbuild
Posted: September 8th, 2009 | Author: Finn | Filed under: Rezensionen | Tags: 808 State, de:bug, Platte des Tages | No Comments »1988, im Blütejahr von Acid House, war die Sachlage eigentlich klar. In den USA war Acid roh und funky und entschieden billig-analog, die Chicago Originators allerdings schon auf dem Sprung zum nächsten Ding (Hip House vorerst, da lässt sich die Geschichte nicht klittern), und Detroits Brüder im Geiste machten etwas ganz Anderes aus der Vorlage. In England hingegen griffen die traditionellen Mechanismen der Hype-Presse und Acid wurde zur Bewegung. Und diese war in Klang und Mode überwiegend Pop. Im Gegensatz zu den amerikanischen Ur-Tracks, die voll in ihrer Funktionalität aufgingen, kam man auf der Insel nicht ohne den stilistischen Mehrwert aus. Also wurde alles day-glo, Smileys, Acid Ted und Space Cadet, und man hielt Radlerhosen und Bandanas für ein unbedenkliches Outfit. Man brauchte erneut Gesichter, und im Rückenwind von Yazz, Baby Ford, D-Mob quietschten und blubberten Varianten in die Charts und Clubs, die mit der experimentellen Ausprägung des Ausgangsmaterials nicht mehr viel zu tun hatten. Und dann kamen 808 State aus Manchester mit ihrem Debütalbum ”Newbuild“, einer komplett anderen Interpretation all der Zufallsklänge, die sich mit einer 303 erzielen ließen. Graham Massey, vormalig Mitglied der Post Punk-Veteranen Biting Tongues, Martin Price, Besitzer des legendären Plattenladens Eastern Bloc und Gerald Simpson, das Voodoo Ray-Wunderkind, hatten offensichtlich weder Interesse daran, den Sound aus Chicago zu kopieren, noch ihn mit käsigen Samples zu Top of the Pops-Material umzubiegen. Ihr Entwurf war kalt und irre, ein einziges manisches Flirren, das bereits von den komplexen Rhythmen vorangehetzt wurde, die Markenzeichen der Band blieben. Wo die Boulevardpresse sich mit Drogenvorwürfen gegen die vergleichsweise charmanten aber eher harmlosen Hits der Szene warm schoss, war eigentlich hier der wahre Feind. Musik, die gleichermaßen klang wie ein weitäugiger Rausch im Strobonebel der Clubs, sowie eben auch ein weitäugiger Rausch inmitten der grauen Fiesheit mancher Gegenden nordenglischer Städte, dessen Stumpfheit die Kids im Strobonebel der Clubs bekämpfen wollten. Der komplexe Irrsinn von ”Flow Coma“ oder ”Sync/Swim“ hat nichts von seinem Schockpotential eingebüßt, und ebnete den Weg derer, für die die Clubmusik der folgenden Jahre nicht mit Behaglichkeit einherzugehen hatte, also in etwa das Bindeglied der Hinterhältigkeit und Radikalität von Cabaret Voltaire und Konsorten und Aphex Twin und Konsorten, und dann wieder zurück nach Chicago zu Traxx und Jamal Moss. Wie so oft ließ sich der Intensitätslevel des Erstlings nicht halten, wie so oft probierte man sich danach mit anderen Ideen aus, man überwarf sich, man ging getrennte Wege, und man produzierte das nächste Meisterwerk, in anders aber mindestens ebenso bedeutend, ”Automanikk“ hier, und ”Ninety“ da. Der Stoff, aus dem die Träume sind.
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