Suburban Knight – By Night EP

Posted: April 28th, 2010 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Schon viel wurde über die bittersüße Emotionalität schwadroniert, die viele Technotracks aus Detroit verströmen. Jede versonnen stimmende Fläche im Verbund mit komplexen Rhythmen wurde dem fortschreitenden Verfall der Stadt angelastet, jeder Augenzeugenbericht von heimkehrenden Besuchern schien die Fernspekulation zu bestätigen. Eine ganze Produzentengeneration wurde so zum Synonym für den Degenerationsprozess ihrer urbanen Umwelt, und ihre Fähigkeiten diesen in Musik auszudrücken. Voll heftig da in Detroit, Downtown-Wüste, Komplettinsolvenz, Mad Max 4: Inner City Blues, wurde geschaudert, nur dort kann so eine Musik entstehen. James Pennington alias Suburban Night veröffentlichte allerdings schon mit seinen ersten Platten auf Transmat Töne die vermuten ließen, es sei alles noch viel schlimmer. Seine Welt ist zappenduster. Wenn die verzerrten Stimmen über den meilentief rumorenden Bass von „The Groove“ ihre Einwürfe machen, hat man das Gefühl man würde zwei Psychopathen belauschen, die mit einem Teleskop auf der Party im Hochhaus gegenüber Opfer ausspähen. „The Worlds“ handelte offenkundig von Welten, gegen die H.R. Gigers Visionen wie Urlaubspostkarten anmuten. „The Art Of Stalking“ klang wie ein Speer aus chromatischer Materie, der einem von unsichtbaren Gegnern so hart durch den Körper gejagt wird, dass es eine glatte Ein- und Austrittwunde gibt. Die Fantasie von James Pennington schien deutlich gestörter als die seiner Weggefährten, und er schien fest entschlossen, sie musikalisch direkt umzusetzen. Kaum nachvollziehbar, dass er einst Detroits Pop-Durchbruch „Big Fun“ mitzuverantworten hatte. Seine Eigenproduktionen waren weit von jeglichem Eskapismus entfernt, hier ging es mehr um unmittelbare Bedrohung, nächtlichen Einzelkampf und Hinterhalt. So erschien es nur konsequent, dass sich Pennington in der zweiten Welle von Detroit Techno der von industrieller Düsternis geschulten klanglichen Kriegsführung rund um Underground Resistance anschloss, und nicht den hoffnungschimmrigen Introspektiven der Belleville 3 plus Carl. Dort erschien seine Musik nicht mehr wie ein düsterer Querschläger, sondern vielmehr wie die Perfektion eines unheilvollen Aggregatzustandes, und die Einstands-EP „By Night“ wirkte fast wie ein erleichterter Befreiungsschlag, wenn es in dieser Musik so etwas wie Erleichterung geben würde. Gibt es aber nicht. „Echo Location“ klingt wirklich exakt wie Bruce Wayne Junior, der nach dem tiefen Sturz in die Höhle in ein Meer von Fledermausaugen starrt. „The Warning“ und „Nightvision“ bieten auch keinen Ausweg, eher tappt man noch tiefer in den lichtlosen Schlund. Der einzige Orientierungspunkt sind die strengen Rhythmen, die pure Funktion, der Rest sind nur noch flirrende, verwischte Klangwischer, die den Empfänger mit voller Absicht streifen, und man weiß schon, dass der finale Stoß demnächst kommen muss. Aber wann? WANN?

Suburban Knight – By Night EP (Underground Resistance, 1996)

de:bug 04/10


Rewind: Sven von Thülen über “Into The Dragon”

Posted: April 26th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | 1 Comment »

Im Gespräch mit Sven von Thülen über “Into The Dragon” von Bomb The Bass (1988).

Wie und wann bist Du auf Bomb The Bass gekommen? Als “Beat Dis” rauskam?

Ja, “Beat Dis” war ja ein Riesenhit, der ist auch an einem damals 11 oder 12-jährigen wie mir nicht vorbeigegangen. Es gab gleich neben unserer Schule eine Bibliothek, in der man Kassetten und CDs ausleihen konnte. Da gab es auch “Into The Dragon”. Ausleihen, überspielen und ab in den Walkman. Das Cover von “Beat Dis” war auch der Grund, warum ich damals für eine Weile mit einem Smiley-T-Shirt rumgerannt bin. Vollkommen ahnungslos.

Warum hast Du Dir “Into The Dragon” ausgesucht? Ist es für Dich exemplarisch für diese Phase 1987/88, als sich junge englische Produzenten mit sehr viel Enthusiasmus auf die Möglichkeiten des Samplings stürzten? Was für Qualitäten besitzt “Into The Dragon” für Dich?

Als das Album rauskam, war ich wie gesagt noch ziemlich jung. Und ich hätte es wahrscheinlich auch nicht mitbekommen, wenn es nicht in den Charts gewesen wäre. Ich habe mir damals auch die ersten Maxis von S’Express und Coldcut gekauft und auch einige von den kommerzielleren Acid-House-Samplern, die es gab, mit so Sachen wie “Jack To The Sound Of The Underground” von Hithouse oder D-Mobs “We Call It Acieed”. England war  ein viel wichtigerer Pop-Bezugspunkt für mich als zum Beispiel die USA. Es gab zu der Zeit immer dienstags auf Bremen 4 die BBC Top 40 im Radio und im Anschluss die Top 20 der Independent Charts. Das waren meine wichtigsten musikalischen Quellen. Da hab ich zum ersten Mal A Guy Called Gerald gehört, The KLF , Inner City, Sugarcubes oder auch Pop-Punk wie Snuff. Dass ich mich gerade für “Into The Dragon” entschieden habe, hat unter anderem damit zu tun, dass das Album quasi meinen Einstieg in Club-Musik darstellt und es musikalisch Vieles vorweg genommen hat, was mir später wieder wichtig wurde. Damals konnte ich das alles gar nicht dechiffrieren. Bomb The Bass steht also exemplarisch für diese Zeit, deren Platten ich viele Jahre später unter ganz anderen Vorzeichen noch mal neu entdeckt habe. Wobei: Meine “Into The Dragon”-Kassette habe ich schon mit besonderer Hingabe geliebt. Die Tracks hatten diese unglaubliche Energie. Ich hatte ja keine Ahnung, was genau ein Sample ist, aber dieses collagenhafte hatte etwas von Achterbahn fahren, und das hat mich fasziniert. Das es irgendwie nach HipHop (damals sagte man noch Rap, oder täuscht mich da meine Erinnerung?) klang, aber viel elektronischer und bunter war, trug auch zur Faszination bei. Ich hab ein paar Mal ältere Kids zu “Megablast” und “Beat Dis” breaken sehen, das passte in meinen Augen wie Arsch auf Eimer. Das Album hat für mich auch nichts von seinem unmittelbaren, sehr jugendlichen Charme verloren. Es ist wirklich gut gealtert. Read the rest of this entry »


Jack Peñate – Tonight’s Today

Posted: April 21st, 2010 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Es war mir lange Zeit ein wenig rätselhaft, warum ich es von den Small Faces, über Suggs bis hin zu Mike Skinner immer großartig fand, wenn Engländer unbekümmert im Dialekt ihrer Herkunft singen, wohingegen mich die Protagonisten dieses Estuary English-Poptums so gut wie gar nicht interessierten. Der Erfolg des Stils bei Lena Meyer-Landrut (in der fiktionalen Variante) und ihren Vorgängerinnen von Kate Nash bis zu Adele, und mein überwiegendes Desinteresse daran, ließen mich schon befürchten, ich fände es mittlerweile chauvinistisch ganz generell unschicklich und vulgär, wenn Mädchen ihren unmittelbaren Kulturraum ins Mikrofon übermitteln, und hätte das auf die entsprechenden männlichen Gegenparts prophylaktisch gleich mit ausgeweitet. Jack Peñate, den man sehr grobmaschig und eher chronologisch in diesen Kontext einsortieren könnte, zeigte hingegen, dass man vor allem einfach erstmal Pop in einer gewissen Qualität hinbekommen muss, damit der Sprachgestus nicht unangemessen, oder einfach nur affektiert klingt. Jack Peñate erwies sich in dieser Hinsicht schon früh als Hoffnungsträger mit einigem Potential. Erst wurde er als überdrehter Enkel von Two Tone und The Jam eingereiht, und er machte grundsympathische Videos, in denen er zeigte, wie toll auch ein Spätgeborener gleichzeitig singen, Gitarre spielen und tanzen kann. Aber er verschwendete auch lässig eine niederschmetternde Ausnahmeballade als Hidden Track seines Debütalbums („Learning Lines“ in der Akustikversion), und schien überhaupt störrisch und begabt genug zu sein, um allen Vertrauensvorschuss zu rechtfertigen. Und tatsächlich, schon mit seinem zweiten Album „Everything Is New“ von 2009 legte er so richtig hin. Mit genauso viel Tumult und Überschwang wie vorher preschte er nun in Richtung Afrika, Brasilien und Dancefloor davon, und verband verwirrte Psychedelik mit weiteren großen Popmomenten. „Tonight’s Today“ war der erste Single-Vorbote, eine merkwürdige Hymne an den Punkt exzessives Feierns, an dem jegliche zeitliche, örtliche und gesundheitliche Orientierung in einen Zustand umschwappt, von dem man noch lange gut haben wird, oder schlecht. Eigentlich könnte es der Theme Song aller Rund-um-die-Uhr-Hedonisten sein, die am Folgemittag ohne Ahnung von oben, unten, und links und rechts an der kopfschüttelnden arbeitenden Bevölkerung vorbeitaumeln, aber für die meisten von ihnen enthält er vermutlich zuviel Musik, und zuviel Worte. Wer außer ausgeprägten Überzeugungstätern möchte schon eine hundertprozentig zutreffende Bestandsaufnahme hören, wenn man sich auch mit ein paar stereotypen Losing Control-Slogans bemuttern kann? Und wer außer auch im Volldelirium Aufnahmefähigen könnte diesen überladenden, harmoniesingenden, schlierigen Afro-Echo-Boogie verkraften, wenn schon die Snare im fortlaufenden Kopftechno der vergangenen 48 Stunden das entscheidende Signal zuviel ist? Nicht auszudenken man würde dann noch das kongeniale Video dazu sehen müssen, das so irre wirkt, als hätte ein Apotheker, der selbst sein bester Kunde ist, ein Tom Waits-Remake drehen wollen. Unbescholtenere Hörer mögen sich hingegen an einem Schnappschuss aus der anderen Realität erfreuen, und wagemutige DJs können mit der 12“-Version das Ruder schwerstens rumreißen. Aber lieber vorsichtig.

Jack Peñate – Tonight’s Today (XL Recordings, 2009)

de:bug 04/10


Rewind: Max Duley on “Napalm Death – The Peel Sessions”

Posted: April 19th, 2010 | Author: | Filed under: Features | Tags: , , , , | No Comments »

In discussion with Max Duley on “The Peel Sessions” by Napalm Death (1989).

Although I suspect it was a moment with long lasting consequences, can you tell where and when you first heard Napalm Death? Was it these very sessions when John Peel played them on his show?

I didn’t hear them on Peel’s show. I can’t remember the exact details of where I was when I first heard ND, but it was the compiled cassette release of the first two Peel Sessions (originally broadcast in 1987 & 1988) that I heard, and I can relate the background story: I grew up listening to music from my parents’ collection which included stuff like Frank Zappa, Springsteen, 10cc, Jimi Hendrix, The Beatles, Pretenders, Joe Jackson, Elvis Costello, Peter Gabriel and stuff like that. When I started high school at about 12 years old I made new friends and started to listen to a bit of pop and briefly got into some of the early acid house hits that made it into the UK pop charts around 1987-88. But all the while I was continuing to hear the music my dad was into. Being a guitarist himself, he would listen to virtuoso artists such as Steve Vai, Joe Satriani, and Alan Holdsworth. I found myself attracted to much of that, but in particular the heavier sounding tracks.

I clearly remember one day in a maths class in 1989, my old friend Alex with whom I’d also been at middle school called my name from behind me, and when I turned around he handed me a cassette tape: Iron Maiden’s “The Number Of The Beast”. I spent a weekend listening to it over and over, loving the attitude and pace. I think I then borrowed a Guns’n’Roses tape which I also enjoyed for a couple of days but which didn’t leave any lasting impression. Then a week or so later he lent me another tape: Metallica’s “Ride The Lightening”. I was sold. This was intense, angry stuff. I was 14, and probably a bit angry myself, I don’t know. About another week later again, Alex had introduced me to a couple of messy looking guys from the year above us who had longish hair and wore denim jackets. One of them lent me a new tape: Napalm Death’s first two Peel Sessions recordings.

Like I said, I don’t remember exactly the first time I listened to it. Doubtless I listened to it many, many times over just that first day. What I do know is that from that point on, everything I had heard previously seemed thin, weak, and vapid. Iron Maiden? No thanks! Metallica? A bit lightweight!

Within two weeks I had gone through a kind of musical rebirth and “other music” seemed to be from a previous existence. That was temporary (although long lasting) and I’ve long since gone back to most of the music I was into before that experience, but for several years I was unable to listen to and appreciate anything which did not attempt a similar intensity.

What made you opt for the Peel Sessions out of their back catalogue? Is it because you think it is the epitome of their work, or is it because you were introduced to the band by these recordings?

Primarily I chose it because of its significance in my musical evolution. It was the life-changing release, the springboard release that turned me from a music enthusiast into a music obsessive, despite having a couple of logical steps up to that springboard which whetted my appetite. But yes, I also consider these to be their finest recordings.

Some time in the late 1990s I remember reading an article by a musician who had been in a band which had recorded a John Peel session. He described arriving at the BBC studios to be greeted by a grumpy producer and engineer who treated them a bit roughly and hurried them into the recording booth telling them they only had an hour or so to do the whole thing. He also described how this treatment got the band a bit angry and how this resulted in the most intense and powerful studio performance his band ever achieved, and how he later came to understand and appreciate the way in which the producer and engineer had deliberately “produced” and “engineered” this intensity in them with their behaviour as well as their technical prowess. Relating this to the Napalm Death recordings, it’s interesting to imagine a band whose music was already so intense going through a similar sort of experience. At that time the label releasing their work, Earache Records, was a fledgling project, not the hugely successful international monster it later became. This meant that they could never have otherwise afforded access to the level of technology and studio expertise/experience available at the BBC. Of course, their other major studio recordings from that time (”Scum”, and “From Enslavement To Obliteration”) are partly defined by the rough quality, but the Peel sessions are on another level in terms of production and the band are incredibly tight, too. In particular the levels of the ridiculously distorted bass guitar and the use of reverb add a quality which is unheard on any of their other releases from around that time.

I should probably point out at this stage that I am only into the first few ND releases, up to “Mentally Murdered”. Read the rest of this entry »


Rewind: Didi Neidhart über “Non-Stop Erotic Cabaret”

Posted: April 12th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Didi Neidhart über “Non-Stop Erotic Cabaret” von Soft Cell (1981).

Es gibt sicherlich etliche Wege um auf die Musik von Soft Cell zu stoßen. Wie war es bei Dir?

“Tainted Love” kam ja im Sommer 1981 raus und hat mich, als ich es im Radio gehört habe, sofort fasziniert. Das stach irgendwie heraus. Ähnlich wie früher “I Feel Love” oder Kraftwerk. Das machte im Hit-Radio plötzlich eine ganz neue Welt auf. Zwar gab es schon Bands, die ähnlich agierten und klangen, aber die waren zumindest in Österreich nur in Spezialsendungen wie “Musicbox” zu hören. Aber Soft Cell konnte ich sogar vor dem Weg in die Schule beim Frühstück aus dem Radio hören. Das ist ja auch etwas anderes, als wenn du dir selber Musik auflegst. Solche Pop-Momente kannst du nicht selber initiieren. “Tainted Love” war dann auch die erste Single, die ich mir wirklich mit so einem nicht mehr ganz so schwammigen Pop-Bewusstsein gekauft habe. Das war ein regelrechter Akt. Sonst hab ich entweder auf die LPs gewartet oder mir die Sachen einfach vom Radio aufgenommen. Dann kam “Non-Stop Erotic Cabaret”. Allein der Titel zog mich an. Der hatte so was Verruchtes, aber auch so einen Gossenglamour, der gut zu meinen sonstigen Vorlieben (Throbbing Gristle, D.A.F., Velvet Underground, Prince, Suicide, The Stooges) passte. Ausschlaggebend war dann die “Sounds”-Kritik von Kid P., wo über “Vaudeville-Tingel-Tangel”, “grelle Schminke und grosse Gefühle”, “kleine Hollywood-Dramen”, “keine saubere Teeny-Fun-Musik” geschrieben wurde. Interessanterweise gab es die LP dann in dem einzigen Laden in Salzburg, der eine kleine Abteilung mit “Punk”/”New Wave” hatte, nicht. Also ging ich in ein klassisches Plattengeschäft, wo ich die LP dann auch gleich fand. Was ja auch toll war. Komische Platten in komischen Läden kaufen ist das eine, komische Platten in sozusagen “normalen” Läden kaufen ist schon was anderes. Das hat durchaus was leicht Subversives. Gerade weil es um eine dezidierte Pop-Platte ging, die ich nun quasi heimlich in einem anderen Laden kaufte. Etwa so wie wenn das Päckchen, das auf dem Cover Marc Almond aus seiner Lederjacke zieht, abgeholt werden würde.

Warum hast Du Dir “Non-Stop Erotic Cabaret” ausgesucht? Was macht das Album für Dich so besonders?

So pathetisch das jetzt auch klingen mag: Ich habe damit endgültig das Land Pop betreten. Und zwar im Hier und Jetzt. Die Wege dorthin waren schon angelegt worden, aber so aktuell Girl-Groups, Phil Spector, Glam, die Walker Brothers, Frank Sinatra und Dean Martin für mich damals auch waren, so sehr tönten sie dennoch aus einer Pop-Vergangenheit. Und bei Soft Cell kam einfach ganz viel zusammen. Vieles, was noch in einer Art wabbrigem Vorbewussten schlummerte, wurde nun klarer und konnte auch benannt werden. Aber es gab auch viel Neues zu entdecken. Sachen, die erst später wichtiger wurden wie Almonds Queerness oder die Connections zur Industrial-Szene. Auch wenn das 1981/82 nicht wirklich im Focus meiner Begeisterung war. Da war es das Opulente plus dem Elektronischen, die durchgängige Tanzbarkeit (die ich nicht erwartet hatte) und dieses Geheimnisvolle. Popmusik mit einer gewissen sublimen Gefährlichkeit. Eher Shangri-Las plus Velvet Underground. Die Platte hat sich durch Jahre hindurch immer wieder fast von selber retroaktiviert und wuchert immer noch über sich selbst hinaus. Auch wenn ich mal länger Abstinenz gehalten habe, hat sich dennoch was getan. Mit Soft Cell hab ich mich dann auch endgütig den großen Pop-Dramen und den in Musik gegossenen Tragödien hingegeben. Was nicht immer auf Verständnis stoß. Aber war mir auch immer Roy Orbison lieber als Nick Cave. Ich hatte durch und mit Soft Cell einen Schatz gefunden, eine Art Geheimnis entdeckt. Die Beschäftigung mit Pop nahm ernsthaftere Züge an. Zudem wollte ich ja auch irgendwie kapieren von was Leute wie Diederichsen bei “Sounds” schrieben, wenn es um so was wunderbar Faszinierendes wie auch hin und wieder Einschüchterndes wie “Pop-Diskurs” ging. Gerade weil Soft Cell überall in den Hitparaden waren und aus fast jedem Radio tönten, also auch vom Mainstream gehört wurden, empfand ich mein clandestines Popgeheimwissen in Sachen Soft Cell schon als Hipness. Weniger im Sinne einer elitären Haltung – ich freute mich ja mit anderen, und dachte auch, jetzt wird es was in Sachen Pop und Revolution, wenn auch nur musikalisch – als eines elitären Wissens. Vielleicht ist das ja auch das immer noch Wichtige an “Non-Stop Erotic Cabaret”: Eine Platte die genau zwischen Teenage und Adoleszenz, zwischen einfach als Fan reinfallen und beginnendem reflexiven Popdenken auf einen zugekommen ist. Mit der es aber auch nie ein Erwachsenwerden geben wird. Wo das Aufgekratzte, nach dem Uplifting, nach der Party zwar reduziert, aber nie ad acta gelegt wird. Zudem waren Soft Cell die einzigen, die das ABBA-T-Shirt von Throbbing Gristles Chris Carter ernstgenommen haben.

Dass ich eigene Lost Weekend-Erfahrungen in “Clubland” in Songs wie “Bedsitter” wieder fand, war aber auch super. Read the rest of this entry »


Raudive – Paper EP

Posted: April 10th, 2010 | Author: | Filed under: Macro | Tags: , | No Comments »

MACRO M17 Raudive – Paper EP


Elektro Guzzi – Hexenschuss / Elastic Bulb

Posted: April 10th, 2010 | Author: | Filed under: Macro | Tags: , | No Comments »

MACRO M16 Elektro Guzzi  – Hexenschuss / Elastic Bulb


The Human League – Hysteria

Posted: April 7th, 2010 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

1984 sahen sich Human League dem gewichtigen Dilemma gegenüber, an das Vorgängeralbum „Dare“ anzuschließen, ein wahres Ungetüm was Verkaufszahlen und Strahlkraft anging. Zwar hatte „Dare“ die Kunst-Verpflichtungen der brillanten ersten beiden Alben weitestgehend entkräftet und man konnte nun eigentlich in alle Richtungen ordentlich auf die Pauke hauen, aber dennoch waren Philip Oakey und Co. ratlos wie sie weiter verfahren sollten. Also ließen sie sich Zeit, und zwar rückblickend zuviel Zeit um die Erfolgswelle von „Dare“ weiter reiten zu können. „Hysteria“ konnte die neuen Fans kaum befriedigen, es war einfach zuwenig Pop, und die alten Fans, sie mochten nach dem Pop-Geschiller von „Dare“ auf einen Schritt zurück richtig Sheffield und Post-Punk-Elektronik-Visonen gehofft haben, konnte man sowieso nur noch mehr enttäuschen. Der Ruch eines Albums, das eigentlich alles richtig machen will, aber alles nur falsch machen kann, durchsetzt „Hysteria“. Schon der Name ist merkwürdig gewählt, eigentlich hätte angesichts der Richtungsänderungen „Dare“ hier viel besser gepasst, wohingegen das eigentliche „Dare“ viel mehr „Hysteria“ war als das hier. Die erste Single, die politische Exkursion „The Lebanon“, führte Rockgitarren in den Bandsound ein und bietet somit inhaltlich und klanglich schon mehr Irritationen, als man der Basis nach der Serie vorangegangener Überhits hätte zumuten sollen. Auch die Coverversion von Lyn Collins’ „Rock Me Again“ ist eine bockige Abfuhr. Soul? Rock? Human League? Dennoch sind die Vorhaltungen mangelnder Popqualitäten, die „Hysteria“ nach drei Jahren Bedenkzeit schon fast in die Ecke bedächtiges Alterswerk abdrängen wollten, völlig haltlos, es sind bloß andere Popqualitäten. Es fehlen sicherlich die stürmenden und drängenden Manifeste von „Dare“, die sich so kongenial mit dem sturen Willen verbanden, die Charts in Schutt und Asche zu legen. Aber auch wenn bei der Intensität und Unmittelbarkeit der Songs ein paar Gänge zurückgeschaltet wurde, eine strickjackige Einkehr am Kamin ist dies beileibe auch nicht (diese Sichtweise ging mir schon bei den Pet Shop Boys immer auf den Geist, als ob sie vor „Behaviour“ nie milde und nachdenklich gewesen wären). Der Bruch des Albums zum vorherigen Karriereverlauf liegt dennoch vor allem in der Haltung. Ein bisschen schwärmerischen Überschwang haben sie noch herübergerettet, bei „I’m Coming Back“ und „The Sign“ etwa, bei den Rest der Songs überwiegt jedoch Desillusioniertheit und Melancholie. Es scheint fast so, als hätten sich die Träume die auf „Dare“ geträumt wurden, überhaupt nicht erfüllen können, und nun wird der Boden nach der Feier aufgewischt. Und genau da liegen die Stärken von „Hysteria“. Die Songs über Lügen, Betrügen, Vertrauensbrüche, Ratlosigkeit, enttäuschte und immer noch glimmende Hoffnungen sind mit das Wahrhaftigste, was Synthpop in seiner ganzen Glanzepoche hervorgebracht hat. Vor allem „Life On Your Own“ und „Louise“ bieten ein fantastisches Gespann, in dem in beeindruckender Ehrlichkeit und Präzision die verpassten Chancen und mit falschem Stolz konservierten Gefühlsbrachen geschildert werden, die eine Liebe hinterlässt, in der man sich nicht anvertrauen konnte, sowie die Anstrengungen, die man danach unternimmt, um damit fertig zu werden. Und das ist vielleicht zuwenig für die Charts, aber mehr als genug um einen für den Rest des Lebens zu begleiten.

The Human League – Hysteria (Virgin, 1984)

de:bug 04/10


Rewind: Jonas Gempp über “Ill Communication”

Posted: April 5th, 2010 | Author: | Filed under: Artikel | Tags: , , , , | No Comments »

Im Gespräch mit Jonas Gempp über “Ill Communication” von den Beastie Boys (1994).

Seit wann hattest Du die Beastie Boys im Visier? Seit Beginn ihrer Karriere?

Da ich 1980 geboren bin, hatte ich die Beastie Boys erst viel später auf dem Schirm und war zu Beginn ihrer Karriere eher an Rolf Zuckowskis Schulhofhitparade und der EAV interessiert. Um 1994 herum habe ich begonnen mich mehr für HipHop zu interessieren und einen Musikgeschmack zu entwickeln, der nicht mehr nur und ausschließlich durch einen schmissigen Refrain bestimmt war.

Warum hast Du Dir “Ill Commuication” ausgesucht? Was macht das Album so besonders für dich?

Gekauft habe ich mir das Album damals wegen „Sure Shot“, vor allem aber wegen „Sabotage“. Video und Lied waren der absolute Killer, damals spielte ja MTV auch noch Musikvideos und das war eben eines jener magischen Videos. Danach habe ich sukzessive den Rest des Albums für mich entdeckt und gemerkt, dass „Sabotage“ gar nicht mal das Highlight ist, sondern „Flute Loop“, „Root Down“ und vor allem „Get It Together“, das für mich noch heute eines der besten Stücke Musik überhaupt ist. „Ill Communication“ ist eines von drei „Alben meiner Jugend“, die ein unglaublich wichtiger Teil meines persönlichen und musikalischen Entwicklungsprozesses waren; Rage Against The Machines gleichnamiges Album war der zeitlich verzögerte Soundtrack (kam ja schon 1992 raus) zur Beschäftigung mit linksradikaler Politik und Artikulation einer Wut angesichts der als ungerecht empfundenen kapitalistischen Verhältnisse; die Smashing Pumpkins haben mit „Mellon Collie & The Infinite Sadness“, ganz cheesy, der pubertären Traurigkeit einen Klang gegeben. Doch die Beastie Boys und „Ill Communication“ gingen über diese fragmentarische Abdeckung wichtiger Bezugspunkte hinaus, denn neben der urbanen, blasierten Coolheit, die uns damals unheimlich wichtig war und sich auch in den bis zum Erbrechen geschauten „Kids“ und „Pulp Fiction“ immer wieder fand, waren die Beastie Boys der Soundtrack zum Alltag, der immer passte: zum Nintendo 64 spielen, Kiffen, Biertrinken, Abhängen. Read the rest of this entry »