Lil Louis & The World – I Called U (Epic)

Posted: July 4th, 2009 | Author: | Filed under: Rezensionen | Tags: , , | No Comments »

Kaum ein anderer in der Clubkultur hat sich so eingehend und brillant mit den Wirrnissen der Liebe beschäftigt wie Lil Louis. Als seine Weggefährten und die Fanbasis sich noch die Köpfe über seine beiden durchweg genialen EPs auf Dance Mania den Kopf zerbrachen, warf er sich vollends in sein Lieblingsthema und verkaufte 1989 Abermillionen von seinem Liebesakt „French Kiss“ an Menschen, denen es weder etwas ausmacht, im Club massiv angestöhnt zu werden, noch dazu in Zeitlupe rauf- und runtergefahren zu werden (ich erinnere mich immer gerne an den Videoclip, wo Aufziehspielzeuge die Tempowechsel nachzappeln). „I Called U“ erzählt kurz darauf die Geschichte danach, und die fünf Versionen ergeben die narrative Struktur eines Mini-Konzeptalbums, in dem Louis die Rolle des von einer abgelegten Liebe Verfolgten einnimmt. „The Conversation“ ist dieser eigenwillige Jazz-House-Track, in dem er ihr am Telefon mit deutlichen Worten klarzumachen versucht, dass ihre Beziehung beendet ist und aus welchen Gründen. Er ist dabei jedoch mit einer offensichtlich hoch neurotischen Gegenspielerin konfrontiert, die seine rationalen Argumente mit bedröhnter Aufdringlichkeit ignoriert. Im Zwischenspiel „But U Went To The Party“ flüchtet Louis aus dieser Sackgasse in den Club, um dann bei „The Story Continues“, einem böse pumpenden Track mit fiebrigem Saxofon, den ganzen Stress auf der Tanzfläche zu bewältigen. Das nächste Zwischenspiel „A Series Of Events“ schildert jedoch die Rache der Zurückgewiesenen, die nach vergeblicher Kontaktaufnahme über Telefon die Clubs absucht, um dann ihre ganze Besessenheit an seinem Auto auszulassen. „Why’d U Fall“ ist der Epilog, in dem Louis sein Unverständnis gegenüber der ganzen Situation in einem unfassbaren Track entlädt, dessen schlingernde Leitmotive noch über Jahre durch die House- und Technogeschichte geistern sollten. Diese Platte ist ein immerwährendes Totschlagargument gegen die Skeptiker, die Clubmusik pauschal konstatieren, nicht über Partyimperative und Funktionalitätsstrukturen hinauskommen zu können, und das Gefühlsleben von Lil Louis war zu jener Zeit derart aufgewühlt, dass er diese Themen noch auf zwei ganzen nicht minder herausragenden Alben zu verarbeiten suchte, bevor er lange Zeit in Schweigen verfiel. Doch er war ganz und gar nicht untätig, und hat all die Jahre an seinem Großprojekt „Two Sides To Every Story“ gearbeitet, einem Buch, dass seine gesamte Odyssee nach der wahren Liebe chronologisiert, und einer CD, die aus Sicht einer Frau darstellen soll, wie ist, sich mit jemanden wie ihm einzulassen. House braucht solche Typen mehr denn je, aber wirklich.

De:Bug Online 07/09



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